Arminio (Händel)

Werkdaten
Titel: Arminio

Titelblatt der Partiturausgabe, London 1737

Form: Opera seria
Originalsprache: Italienisch
Musik: Georg Friedrich Händel
Libretto: unbekannt
Literarische Vorlage: Antonio Salvi, Arminio (1703)
Uraufführung: 12. Januar 1737
Ort der Uraufführung: Theatre Royal, Covent Garden, London
Spieldauer: 2 ½ Stunden
Ort und Zeit der Handlung: Germanien, rechtsrheinisch, 9 n. Chr.
Personen
  • Arminio, ein Fürst der Cherusker (Alt)
  • Tusnelda, seine Frau, Segestes Tochter (Sopran)
  • Sigismondo, Segestes Sohn, verliebt in Ramise (Sopran)
  • Ramise, Schwester Arminios (Alt)
  • Varo, römischer General, Statthalter in Germanien (Tenor)
  • Segeste, ein Fürst der Cherusker, Verbündeter Varos (Bass)
  • Tullio, römischer Volkstribun (Alt)
  • Römische und Germanische Führer, Krieger, Wachen, Volk
Arminius‘ Triumph in der Varusschlacht,
Johann Heinrich Tischbein der Ältere, 1758

Arminio (HWV 36) ist eine Oper (Dramma per musica) in drei Akten von Georg Friedrich Händel über ein Libretto von Antonio Salvi. Sie erlebte ihre Uraufführung am 12. Januar 1737 im Theatre Royal, Covent Garden in London.

Die Titelfigur Arminius ist in Deutschland auch als „Hermann der Cherusker“ bekannt.

Entstehung

Arminio gehört zusammen mit Giustino und Berenice zu den drei Opern, die Händel innerhalb weniger Monate für die Saison 1736/37 komponierte, kurz vor dem Scheitern seines Opernunternehmens und vor seinem körperlich-seelischen Zusammenbruch im April 1737.

Um mit der aggressiven Konkurrenz der Opera of the Nobility mithalten zu können, die nach wie vor den berühmten Sopranisten Farinelli als Zugpferd einsetzte, engagierte Händel neben seiner bewährten prima donna Anna Maria Strada und dem Sopran-Kastraten Gizziello den bedeutenden Altisten Domenico Annibali, der im Oktober 1736 von Dresden nach England kam und schon zuvor in der Presse groß angekündigt worden war:[1]

“We hear that several Persons have been sent to Italy from the two Theatres, to engage some additional Voices, for the carrying on of Operas for the ensuing Season, and that Sig. Dominichino, one of the best Singers now in Italy, is engaged by Mr. Handel, and is expected over in a short time.”

„Dem Vernehmen nach haben die beiden Opernhäuser verschiedene Personen nach Italien geschickt, um für die nächste Saison noch einige Stimmen zu suchen, und Signor Dominichino, einer der besten jetzigen italienischen Sänger, soll von Herrn Händel engagiert worden sein und in kurzer Zeit hier erwartet werden.“

The London Daily Post, London, 18. Juni 1736[2]

Nachdem Händel vom 14. August 1736 bis zum 7. September mit der Komposition des Giustino beschäftigt war, unterbrach er diese Arbeit und wandte sich einem neuen Werk zu: Arminio, den er am 15. September begann: angefangen Sept 15 | Mittwoch | 1736, wie er in seiner autographen Partitur notiert. Die weiteren Datierungen darin sind: Fine dell' Atto Primo | Sept 19. 1736.Fine dell Atto 2do |Sept. 26. | 1736.Fine dell' Opera | G.F. Handel Octobr 3 Anno 1736. | Den 14. dieses vollends | alles ausgefüllet. Als er diese Partitur fertig gestellt hatte, wandte er sich wieder dem Giustino zu, den er am 20. Oktober beendete. Mitte Dezember folgte dann die Komposition von Berenice.[3]

Die Erwartungen an Händels neue Spielzeit waren sehr verschieden. Händels Nachbarin und Verehrerin Mrs. Pendarves war vollkommen überzeugt von der Überlegenheit Händels:

“... who has Strada, that sings better than ever she did; Gizziello, who is much improved since last year; and Annibali who has the best part of Senesino’s voice und Caristini’s, with a prodigious fine taste and good actionl […] Mr. Handel has two new operas ready – Erminius and Justino. He was here two or three mornings ago and played to me both the overtures, which are charming.”

„... der doch die Strada hat, die besser singt als je zuvor, und Gizziello, der sich seit dem letzten Jahr stark verbessert hat; und Annibali, dessen Stimme das Beste von Senesino und Caristini mit seinem erstaunlich guten Geschmack und seinem schauspielerischen Können vereint! […] Händel hat zwei neue Opern vorbereitet – Arminio und Giustino. Vor zwei oder drei Tagen war er hier und spielte mir beide Ouvertüren vor; sie sind zauberhaft.“

Mary Pendarves: Brief an Ann Granville, London, 27. November 1736[4][5]

Der Theatermanager Benjamin Victor wagte dagegen fatale Prophezeiungen:

“The two opera houses are, neither of them, in a successful way; and it is the confirmed opinion that this winter will compleat your friend Handel’s destruction, as far as the loss of his money can destroy him.”

„Keines von den beiden Opernhäusern ist auf einem erfolgreichen Weg und es herrscht allgemein die Überzeugung, dass dieser Winter Eurem Freund Händel den endgültigen Untergang bringen wird, falls finanzielle Verluste für ihn den Untergang bedeuten.“

Benjamin Victor: Brief an Matthew Dubourg, London, Mai 1736[6][7]

Uraufführung

Mitten in der Arbeit an der BereniceGiustino war schon seit 20. Oktober fertig – fand dann die Uraufführung des Arminio am 12. Januar 1737 im Covent Garden Theatre als erste der drei neuen Opern statt. Es sangen:

Händels Freunden, vielleicht nicht verwunderlich, gefiel die Oper sehr:

“I was this morning regaled with Mr. Handel’s new opera called Arminius, it was rehearsed at Covent Garden; I think it is as fine a one as any he has made […]”

„Ich wurde heute Morgen mit Händels neuer Oper Arminio verwöhnt, welche in Covent Garden geprobt wurde. Ich finde sie genauso schön, wie alle, die er gemacht hat […]“

Mary Pendarves: Brief an Ann Granville, London, 8. Januar 1737[8]
Domenico Annibali (1705–1779),
Anton Raphael Mengs, 1750

In einem langen Brief an seinen Vetter, den Philosophen James Harris, gibt der Earl of Shaftesbury eine umfassende Überprüfung der Oper und ihrer Stimmen:

“I was at Arminius last Saturday where I had the pleasure to meet many of our musical friends […] Handel has a much larger orquestre […] than last year & the loss of Castrucio is abundantly supplied by Martini who plays immediately above Clegg where Castrucio us’d to sit. The overture is a very fine one & the fuge I think as far as I can tell at once hearing not unlike to that in Admetus[;] it […] ends with a minuet strain[.] The first song is a duet between Annibali & Strada & is but short [,] but like the whole piece in every respect excellent & vastly pleasing. To tell you my real opinion of Annibali I found him widely different from the idea I had conceiv’d of him but it was on the right side that I was mistaken for he prodigiously surpass’d my expectations. His voice it must be confess’d is not so good as some we have had[;] the lower noates of it are very weak & he has not the melowness of Senesino […] but the middle part of it is clear strong & manly & very tunable. […] he is by far a greater master of musick than any man I ever heard sing on a stage. He is as exact in his time as Caporali who plays the base[,] though he sings with the greatest ease imaginable & his closes are superiour to them all […] he comes to them in the most natural rational way[,] always keeps within the air & scarce ever makes two alike throughout the opera. One is never in any pain about him[,] he enters so thoroughly into what he is about both as to action as well as the song. His action indeed is incomparable & he sings with all the passion his voice will admitt. — Upon the whole he pleases me the best of any singer I ever heard without exception. I need but mention Strada’s name[,] you know her excellencies[.] She has a charming part. As for Conti he sings I think better than last year […] Martini has a solo upon the hautboy with only Conti singing to it. Indeed Martini exerts himself mightily through the whole opera. Beard has but two[,] though two too many[,] songs for he is absolutely good for nothing: Bertolli’s & Negri’s songs are pleasing firm compositions & they perform them extremely well. The base has but one song. The opera is rather grave[,] but correct & labour’d to the highest degree & is a favourite one with Handel. The bases & accompaniment if possible is better than usual. But I fear ’twill not be acted very long. The Town dont much admire it. […] P:S Mr Handel has just this minute been with me[;] he is in high spirits and tells me he has now ready & compleated two more operas & can have something else this winter besides if there is occasion.”

„Ich war letzten Samstag im Arminius, wo ich das Vergnügen hatte, viele unserer musikalischen Freunde zu treffen. […] Herr Händel hat jetzt ein viel größeres Orchester […] als im letzten Jahr und der Verlust von Castrucio ist durch Martini, der sofort vor Clegg spielte, der normalerweise auf Castrucios Platz sitzen sollte, mehr als aufgefangen worden. Die Ouvertüre ist sehr fein und die Fuge, sofern ich das von dem einen mal hören sagen kann, der in Admeto nicht unähnlich; sie […] endet mit einer Art Menuett. Der erste Gesang ist ein kurzes Duett zwischen Annibali und der Strada, aber wie das ganze Stück in jeder Hinsicht ausgezeichnet und sehr schön. Um Ihnen meine wirkliche Meinung über Annibali zu sagen: ich hatte doch einen völlig anderen Eindruck von ihm, als ich mir vorher vorgestellt hatte. Glücklicherweise hatte ich mich geirrt und war positiv überrascht, denn er übertraf meine Erwartungen bei weitem. Seine Stimme, das muss ich gestehen, ist nicht so gut wie einige, die wir schon gehabt haben; die tiefen Noten sind sehr schwach und er hat nicht die Gesanglichkeit eines Senesino […] aber sein mittleres Register ist klar, kräftig, männlich und sehr geschmeidig. […] Er ist ein weitaus größerer Meister seines Faches, als jeder Mann, den ich je auf einer Bühne habe singen hören. Er war mit Caporali, der den Bass spielte, perfekt zusammen, wenn er mit der größten Leichtigkeit alle Schlüsse bewunderungswürdig abgestimmt sang. […] Er machte dies auf höchst natürliche und intelligente Weise und kaum zweimal gleich in den Arien der Oper. Man ärgert sich nie über ihn und sowohl seine Bühnenaktion als auch sein Gesang sind überzeugend. Sein schauspielerisches Können ist in der Tat unvergleichlich und er singt mit all der Leidenschaft, die seine Stimme hergibt. – Zusammengefasst: er ist der beste Sänger, den ich je ohne Ausnahme gehört habe. Ich muss aber auch Stradas Namen erwähnen, Sie kennen ja ihre Vorzüge. Sie hat eine entzückende Partie. Als auch Conti, der, so denke ich, besser als im letzten Jahr singt […] Martini hat ein Solo auf der Oboe und nur Conti singt dazu. Tatsächlich hat Martini in der ganzen Oper viel zu tun. John Beard hat aber nur zwei Arien, dennoch sind es zwei zu viel: sie sind für absolut nichts gut. Bertollis und Negris Gesänge sind erfreulich solide Kompositionen, die sie wunderbar vortragen. Der Bassist hat nur eine Arie. Die Oper ist eher schwermütig, aber sehr genau gearbeitet und eine der besten von Händel. Der Bass und die Begleitung sind besser als üblich. Aber ich fürchte, sie wird nicht sehr lange gespielt werden. Die Stadt weiß sie nicht zu schätzen. […] P.S. Herr Händel war gerade in dieser Minute mit mir, er ist bester Laune und erzählte mir, dass er zwei weitere Opern fertiggestellt hat und noch mehr in diesem Winter machen kann, wenn sich die Gelegenheit bietet.“

Earl of Shaftesbury: Brief an James Harris, London, 18. Januar 1737[9]

Shaftesbury behielt recht: nach nur sechs Aufführungen, davon die letzte am 12. Februar, war der Arminio für fast 200 Jahre nicht mehr auf der Bühne zu erleben.

Moderne Aufführungsgeschichte

Erst am 23. Februar 1935 wurde das Stück unter dem Titel Hermann und Thusnelda in Leipzig anlässlich der Händelfeier zum 250. Geburtstag Händels in einer deutschsprachigen Fassung von Max Seiffert und Hans Joachim Moser und unter der musikalischen Leitung von Paul Schmitz wieder aufgeführt. Die erste Wiederaufführung der Oper in Originalsprache und historischer Aufführungspraxis sah man in Nîmes (Théatre l’Odeón) am 6. Mai 1997 mit dem Ensemble Gradiva unter der Leitung von Alain Zaepffel und Hiro Kurosaki.

Libretto

Vorlage für Händels Oper war Antonio Salvis Arminio, welches mit Musik von Alessandro Scarlatti zuerst aufgeführt wurde. Scarlatti schrieb seine Oper 1703 als erste von vieren für das Theater von Ferdinando de Medici in Pratolino (bei Florenz). Salvis Libretto basierte seinerseits auf Jean-Galbert de Campistrons Tragödie Arminius (1684) und wurde in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts häufig vertont, u. a. von Antonio Caldara (1705), Carlo Francesco Pollarolo (1722), Johann Adolph Hasse (1730) und Baldassare Galuppi (1747).[10] Händels Bearbeiter dieses Librettos ist unbekannt – wenn er es nicht selber war. Wie gewöhnlich wurde die Vorlage im Hinblick auf das englische Publikum, das die Italienische Sprache nicht perfekt beherrschte, stark gekürzt. Dabei wurde in diesem Fall allerdings etwas übertrieben: Von ursprünglich mehr als tausend Zeilen Rezitativ wurden mindestend drei Viertel gestrichen (es blieben 308 Rezitativzeilen), wodurch leider viele dramatische Zusammenhänge verloren gingen.[11][12] Unter anderem wurden die Figuren des Segeste und des Varo stark geschwächt.[11] Trotzdem lehnt sich der Text in Einzelheiten eng an die originale Vorlage an. Händel und sein Librettist übernahmen 21 Arien- und Ensembletexte einschließlich des Schlusschores und fügten neun neue Nummern hinzu.[13]

Handlung

Historischer und literarischer Hintergrund

Darstellung der Varusschlacht,
Monumenta Paderbornensia, 1672

Wie man dem „Argomento“ („Vorbemerkung“) des Librettos von Salvi entnehmen kann, ist der historische Hintergrund der Opernhandlung der unter den Namen „Schlacht im Teutoburger Wald“, „Varusschlacht“ oder „Hermannsschlacht“ überlieferte Sieg der Germanen über die Römer im Jahre 9 n. Chr., wie sie von Tacitus in seinen Annales (Erstes Buch, Kap. 55–68) überliefert ist. Zuvor hatte schon Strabon in seiner Geographica im siebten Buch (Kap. 1,4), wenn auch beiläufig, über diese Schlacht berichtet, bei der unter der Führung des römischen Generals Publius Quinctilius Varus drei römische Legionen ihren Untergang fanden, als sie von Germanenstämmen unter der Führung des Cheruskerfürsten Arminius angegriffen wurden. Varus selbst nahm sich noch auf dem Schlachtfeld das Leben. Von Strabon stammen auch die Namen der germanischen Frauen Thusnelda und Rhamis. Die Schilderung der familiären Auseinandersetzungen zwischen den germanischen Stämmen der Chatten und der Cherusker, die in Salvis Libretto eine wichtige Rolle spielen, geht auf Tacitus zurück.[10]

Erster Akt

Arminio, Fürst des germanischen Stammes der Cherusker, der zu den Waffen gegriffen hat, um gegen die römische Invasion in seinem Land zu kämpfen, gibt den Bitten seiner Frau Tusnelda nach, sich vom Schlachtfeld zurückzuziehen, damit sie nicht beide gefangen genommen werden. Sie gehen ab, als Varo und Tullio auftreten. Tullio teilt dem römischen Feldherrn Varo mit, dass Arminio geflohen und die Schlacht offenbar für die Römer gewonnen ist. Varo gibt zu erkennen, dass er in Arminios Frau Tusnelda verliebt ist. Aber Tullio rät ihm, dieses unwürdige Begehren zu vergessen und stattdessen weiter für den Triumph Roms zu kämpfen. Varo jedoch entgegnet, dass Liebe ja auch zu großen Taten inspirieren kann. Der flüchtige Arminio wird von Tusneldas Vater Segeste, einem germanischen Fürsten, der mit den Römern kollaboriert, gefangen genommen und in Ketten gelegt. Arminio prangert Segeste wegen seines Verrats am eigenen Volk an, während Tusnelda zwischen der Loyalität zu ihrem Mann und ihrem Vater hin- und hergerissen ist. Als Varo verlangt, dass Arminio die Unterwerfung unter Rom akzeptieren möge, besteht dieser darauf, lieber zu sterben, als sich zu beugen. Segeste argumentiert, dass der verhasste Schwiegersohn enthauptet werden muss, um den Frieden mit Rom zu sichern. Im Schloss des Segeste träumt dessen Sohn Sigismondo von Ramise, der Schwester Arminios, in die er unsterblich verliebt ist, als Tusnelda die Nachricht von Arminios Gefangennahme bringt. Auch Ramise ist sehr beunruhigt über die Bedrohung des Lebens ihres Bruders. Als Sigismondo Tusnelda in dieser Situation um Mitgefühl bittet, weist diese darauf hin, dass sein Dilemma dem ihren in nichts nachsteht, da sie zwischen der Loyalität zu ihrem Mann und ihrem Vater hin- und hergerissen ist. Segeste befiehlt seinem Sohn, die Hoffnung auf eine Hochzeit mit Ramise aufzugeben, doch Sigismondo erklärt, dass er lieber sterben würde, als dies zu tun.

Zweiter Akt

Tullio teilt Segeste mit, dass der römische General Varo in seine Tochter und Arminios Frau Tusnelda verliebt ist. Dieser freut sich darüber, da er hoffen kann, dass Varo nach dem Tod von Arminio sein neuer Schwiegersohn sein wird. Varo erscheint mit einem Brief vom Kaiser, in dem Arminios Hinrichtung angeordnet wird. Segeste triumphiert und lässt Arminio in Ketten legen. Er fordert ihn auf, sich Rom zu unterwerfen, um sein Leben zu retten, aber Arminio weist dieses Ansinnen brüsk von sich: lieber wolle er sterben, als durch Verrat seine Ehre zu verlieren. Tusnelda ist außer sich vor Kummer. Nun erscheint Ramise und prangert Segeste, den Kollaborateur, an, denn ihr droht, ihren Bruder zu verlieren. Sie ist außer sich und versucht, Segeste mit dem Degen zu durchbohren, was Sigismondo allerdings verhindert, woraufhin Ramise ihn bitter beschimpft. Weil sie so wütend ist, bietet Sigismondo sein Leben an, um sie zu besänftigen. Aber Ramise verhindert, dass er sich etwas antut. Doch sie leidet unter der gespaltenen Loyalität zwischen ihrem Geliebten und dem Bruder. Auch Sigismondo sieht keinen Ausweg aus der Situation. Arminio hat Varo in den Kerker kommen lassen und teilt ihm mit, dass er weiß, dass dieser seine Frau liebt und gibt seinen Segen für ihre Heirat nach seinem Tod, den er inzwischen akzeptiert hat. Tusnelda hingegen macht Varo klar, dass sie nur glücklich werden kann, wenn er das Leben ihres Mannes rettet. Dies zu tun, verspricht nun Varo und Tusnelda schwört ihm ewige Dankbarkeit.

Statue der Tusnelda in der Loggia dei Lanzi, Florenz.

Dritter Akt

Arminio wird zu seiner Hinrichtungsstätte im Hof von Segestes Burg gebracht, widersetzt sich aber weiterhin Rom und erwartet erhobenen Hauptes seinen Tod. Als der erscheinende Varo Arminio von seinen Ketten befreit, staunt Segeste nicht schlecht. Varo will ihm die Gelegenheit geben, im Kampf zu sterben. Doch Tullio kommt mit der Nachricht, dass ein anderer germanischer Anführer die römischen Schlachtreihen durchbrochen hätte. Arminio wird sofort ins Gefängnis zurückgebracht, damit die Römer den neuerlichen Kampf aufnehmen können. Da Tusnelda glaubt, dass Arminio tot ist, denkt sie deshalb über Selbstmord mit dem Schwert ihres Mannes nach, beschließt aber, sich stattdessen zu vergiften. Ramise kommt gerade noch rechtzeitig, um sie daran zu hindern, und die beiden Frauen beschließen, dass sie Arminio retten müssen. Am Kerker angekommen, appellieren sie an Sigismondo, er möge Arminio freilassen. Immer noch kann er sich aber nicht zwischen dem Verrat an seinem Vater und der Liebe zu seiner Schwester und seiner Geliebten entscheiden, woraufhin die beiden Frauen drohen, sich umzubringen. Da entscheidet sich Sigismondo endlich für eine Seite und befreit Arminio, was Tusnelda überrascht. Als Arminio das Schwert nimmt, das er zuvor Ramise entwendet hatte, bricht er auf, um wieder gegen die Römer in den Kampf zu ziehen, wofür Tusnelda ihm Mut zuspricht. Ramise fürchtet die Reaktion von Segeste auf die Taten seines Sohnes und drängt ihn zur Flucht, doch Sigismondo weigert sich. Als Segeste aber erscheint, wütend über die Tat seines Sohnes, gibt Ramise vor, dass sie es gewesen sei, die Arminio das Schwert zurückgegeben hat. Also lässt Segeste sowohl seinen Sohn als auch Ramise in Ketten legen. Während Sigismondo seinem Vater die Stirn bietet, ist Ramise einerseits froh, das gemeinsamen Schicksals mit ihrem Geliebten zu teilen und gleichzeitig verzweifelt, weil beide in verschiedene Kerker kommen werden. Tullio teilt Segeste mit, dass Varo gefallen, das römische Herr vernichtet und seine Burg besetzt ist. Tullio meint, sie sollten fliehen, solange sie noch können, aber Segeste denunziert stattdessen seinen Sohn als Verräter und versucht, ihn zu töten. Arminio kommt gerade noch rechtzeitig, um dies zu verhindern und entwaffnet Segeste. Er und Sigismondo flehen Segeste an, seinen Zorn zu besänftigen, und versprechen, ihm zu vergeben, wenn er es seinerseits tut. Segeste, überwältigt von ihrer Freundlichkeit, willigt ein. Arminio und Tusnelda freuen sich über ihr Wiedersehen und alle feiern die glückliche Wendung der Ereignisse.

Musik

Georg Friedrich Händel, um 1737 Miniatur von Georg Andreas Wolfgang d. J., Royal Collection

Händels Arminio wurde in der Vergangenheit von verschiedenen Autoren als „uninteressant oder unwichtig“ abgeurteilt, häufig mit dem keineswegs stimmigen Hinweis darauf, dass sie in ungewöhnlich großer Eile geschrieben wurde.[14][11] Während die Mängel des Librettos nicht zu leugnen sind, wies in neuerer Zeit Alan Curtis auf das „vergleichsweise hohe Maß an musikalischer Kunstfertigkeit, Kompetenz und stellenweise gar außerordentlichen Einfallsreichtum“ hin, den Händel auf die Komposition dieser Oper verwandt hat.[14] Die Musik sei „überraschend angemessen, ergreifend schön und oft erstaunlich originell“ und häufig von „verblüffender psychologischer Direktheit“.[15]

Zu den Besonderheiten der Partitur gehört, dass sie (nach wenigen Rezitativen) mit einem Duett („Il fuggir, cara mia vita“ Nr. 1) für das Protagonistenpaar Arminio und Tusnelda beginnt. Allein die Seltenheit dieser Tatsache wurde wiederholt betont, hinzu kommt die treffende musikalische Charakterisierung der dramatischen Situation – Aufregung und Flucht nach der Niederlage der Germanen –, wo die beiden Stimmen in eine geradezu hektische Fugato-Begleitung eingebettet sind.[11][14]

Zu den Höhepunkten des ersten Aktes gehört die für Domenico Annibali als Arminio komponierte E-Dur-Arie „Al par della mia sorte“ (Nr. 5) in einem stolz bewegten Andante e staccato im 3/4-Takt, wo sich die von Charles Burney beobachtete moderne Begleitung mit

“[…] more bases and accompaniments in iterated notes,[…] than in any preceding work.”

„[…] mehr Bässen und Begleitungen in sich wiederholenden Noten […] als in jedem seiner früheren Werke“

Charles Burney: A General History of Music, London 1789[16][17]

findet. Händel gab Annibali auch in den übrigen Arien reichlich Gelegenheit, sowohl seine breite Ausdruckspalette, als auch seine virtuose Gesangstechnik zu demonstrieren. Dabei stechen im zweiten Akt besonders die dramatisch bewegte Bravourarie „Sì, cadrò! ma sorgerà“ (Nr. 14) hervor, sowie das elegisch-heitere „Vado a morir“ (Nr. 18) in Es-Dur, in dem Arminio seiner abgeklärten Todesbereitschaft Ausdruck verleiht.[18]

Die besonders sympathisch gezeichnete Figur des secondo uomo Sigismondo/Gizziello wurde von Händel mit fünf Arien bedacht, die allesamt Glanzstücke der Partitur und nicht selten auch originell sind. Dabei wurde wiederholt darauf hingewiesen, dass seine geheimnisvoll wirkende Auftrittsarie „Non son sempre vane larve“ in Akt I (Nr. 7) aufgrund von Streichungen im Libretto einen dramaturgischen Schwachpunkt aufweist, weil das Publikum nicht darauf vorbereitet wird, „... dass Sigismondo einen Traum gehabt hat, in dem die Ereignisse der Zukunft vorhergesagt und erklärt wurden“.[14][19]
Sigismondos „Quella fiamma ch’il petto m’accende“ in Akt II (Nr. 17) ist ein virtuoses Konzertstück in C-Dur, in dem die Stimme mit einer obligaten Oboe wetteifert; es ist eine der ganz wenigen Arien, wo Händel einen Sopran bis zum dreigestrichenen c’’’ hinaufführt.[20]

Im zweiten Akt stechen außerdem zwei Arien für die prima donna Tusnelda hervor, die im Original für Anna Maria Strada komponiert wurden. In „Al furor che ti consiglia“ (e-moll, Nr. 15) verleiht sie ihrem Zorn über ihren verräterischen Vater Ausdruck, in einem Stück, das große Bestimmtheit (u. a. Oktavsprünge) mit Anmut und Eleganz vereint. Tusneldas A-Dur-Siciliano „Rendimi il dolce sposo“ (Nr. 19) am Akt-Ende wird von teilweise sehr hoch gesetzten Streichern begleitet, die eine geradezu himmlische Wirkung evozieren, und kann als eine der schönsten Händelarien überhaupt gelten.[21]

Beginn des Duetts Tusnelda/Ramise („Quando più minaccia il Cielo“, Nr. 24) Druck von John Walsh, London 1737

Insgesamt weist die Oper eine Steigerungskurve auf, die in der sehr einfallsreichen Musik des dritten Aktes kulminiert. Dieser beginnt mit einer sinfonia accompagnata „in Gestalt eines eindrucksvollen, aber düster ahnungsvollen Trauermarschs“, der ein Recitativo accompagnato des Arminio „Fier teatro di morte“ (Nr. 20) einleitet.[22]

In Szene 2 folgt die zweite und letzte Arie für den Tenor Varo „Mira il Ciel, vedrai d’Alcide“ (Nr. 22), ein koloraturenreiches Bravourstück mit vollem Orchester und teilweise solistisch geführten Hörnern und Oboen, das den edlen Charakter der Figur hervorhebt.[23]

Als eine größere musikalische Einheit komponierte Händel die Szenen 3 und 4 im dritten Akt.[24] Diese beginnt mit Tusneldas „Ho veleno e ferro avanti“ (Nr. 23), einem intimen, nur vom Continuo begleiteten Arioso, wo sie ihre Selbstmordabsichten in einem düsteren b-moll besingt. Es folgt eine ungewöhnliche Abfolge aus Rezitativen, einem „magisch ergreifenden“ Duett für die beiden Frauen Tusnelda und Segeste („Quando più minaccia il Cielo“, Nr. 24) – eine der schönsten und ergreifendsten Stellen der ganzen Oper –, sowie einem originellerweise durchkomponierten, zwischen Aria und Rezitativ hin- und herschwankenden Gesang für Sigismondo („II sangue al cor favella“, Nr. 25), den Curtis als „völlig unberechenbar“ definierte[25] und in dem Sigismondo seinen inneren Konflikt zwischen ehrenvollem Verhalten, Liebe zu Segeste und Solidarität zu seinem verräterischen Vater ausdrückt, bevor er wegeilt. Nach einem weiteren kurzen Arioso für Tusnelda mündet die gesamte Szenenfolge in der galant gefärbten, siegessicheren C-Dur Bravourarie des befreiten Arminio „Fatto scorta al sentier della gloria“ (Nr. 27).[24]

Die Oper wird von einem weiteren Duett für Tusnelda und Arminio („Ritorna nel core vezzosa brillante“) und, wie gewohnt, von einem Chor der beteiligten Personen („A capir tante dolcezze“, Nr. 32) beschlossen, der in g-moll steht und in diesem Fall besonders fein gearbeitet ist.[26]

Insgesamt fällt auf, dass die für die Handlung wichtige Bass-Partie des Verräters Segeste, Vater von Tusnelda und Sigismondo (im Original gesungen von Henry Theodore Reinhold) auf nur eine einzige Arie (und Rezitative) reduziert wurde. Dass der Tenor Varo mit nur zwei Arien bedacht wurde, kann zu dieser Zeit als normal gelten. Die kleine Partie des Tullio ist im Autograph mit Ausnahme der im Altschlüssel notierten Arie „Non deve Roman petto“ (Nr. 2) zwar für Bass geschrieben, letztlich besetzte Händel die Rolle aber mit der Altistin Maria Caterina Negri.[13] Die daraus folgende Betonung hoher Stimmen war in den 1730er Jahren in der italienischen Oper üblich, Händel könnte damit außerdem dem Geschmack des Prince of Wales Frederick Louis entsprochen haben.[27]

Struktur der Oper

Ouverture. – Menuet. (2 Ob, Str, BC)

Erster Akt

Scena I Recitativo. Tusnelda, Arminio Fuggi, mio bene
1. Duetto. Tusnelda, Arminio (2 Vl, BC) Il fuggir, cara mia vita
Scena II Recitativo. Tullio, Varo Signor, è in tuo potere
2. Aria. Tullio (2 Vl, BC) Non deve Roman petto dar all’amor ricetto
Recitativo. Varo Ah! che un vero valore
3. Aria. Varo (2 Vl, BC) Al lume di due rai più fiero io pugnero
Scena III Recitativo. Segeste, Arminio, Tusnelda Colla spada d’Arminio, Signore
4. Aria. Tusnelda (2 Vl, BC) Scaglian amore e sangue
Scena IV Recitativo. Segeste, Arminio, Varo Arminio, al tuo furore
5. Aria. Arminio (Str, BC) Al par della mia sorte
Scena V Recitativo. Segeste Se Arminio oggi non piega a ricever da Roma
6. Aria. Segeste (2 Vl, BC) Fiaccherò quel fiero orgoglio
Scena VI 7. Aria. Sigismondo (2 Vl, BC) Non son sempre vane larve vio che apparve
Scena VII Recitativo. Tusnelda, Ramise, Sigismondo Ramise, oh Dei! … Quali infelici avvisi
8. Aria. Ramise (Str, BC) Sento il cor per ogni lato circondato di spavento
Scena VIII Recitativo. Sigismondo, Tusnelda Oime! parte Ramise
9. Aria. Tusnelda (2 Vl, BC) È vil segno d’un debole amore
Scena IX Recitativo. Sigismondo Cruda sorella! oh Dei!
Scena X Recitativo. Segeste, Sigismondo Figlio? Padre Signor
10. Aria. Sigismondo (Str, BC) Posso morir, ma vivere

Zweiter Akt

Scena I 11. Sinfonia. (2 Ob, Str, BC)
Recitativo. Tullio, Segeste Come, Signor, vorrai?
12. Aria. Tullio (2 Vl, BC) Con quel sangue dipinta vedrai forriera
Scena II Recitativo. Varo, Segeste Questo e, Signor, di Cesare il volere
Scena III 13. Aria. Arminio (2 Vl, BC) Duri lacci! voi non siete per me
Scena IV Recitativo. Segeste, Tusnelda Arminio, inquesti accenti
14. Aria. Arminio (Str, BC) Sì, cadrò! ma sorgerà
Scena V Recitativo. Segeste, Tusnelda Figlia, son vani i pianti
15. Aria. Tusnelda (2 Vl, BC) Al furor che ti consiglia ad Augusto
Scena VI Recitativo. Ramise, Segeste Prencipe senza fide!
Scena VII Recitativo. Sigismondo, Ramise, Segeste Ah! Ramise! Ah! destino!
16. Aria. Ramise (2 Vl, BC) Niente spero, tutto credo
Scena VIII Recitativo. Sigismondo O Ramise, o Segeste!
17. Aria. Sigismondo (Ob solo, 2 Ob, Str, BC) Quella fiamma ch’il petto m’accende
Scena IX Recitativo. Arminio, Tusnelda, Varo Ola! Custodi, alcun di voi
18. Aria. Arminio (2 Ob, Str, BC) Vado a morir vi lascio la pace ch’ho nel cor
Scena X Recitativo. Varo, Tusnelda Tusnelda, io son confuso!
19. Aria. Tusnelda (Str, BC) Rendimi il dolce sposo due vite io ti dovro

Dritter Akt

Scena I 20. Sinfonia e Recitativo accompagnato. Arminio (Str, BC) Fier teatro di morte! orrida scena!
Recitativo. Arminio, Varo, Segeste, Tullio Ministri, alla mia morte
21. Aria. Arminio (2 Vl, BC) Ritorno alle ritorte; sorte, che vuoi da me?
Scena II Recitativo. Varo, Segeste Del castello in diffesa
22. Aria. Varo (2 Ob, 2 Hr, Str, BC) Mira il Ciel, vedrai d’Alcide e le guerriere armi omicide
Scena III 23. Arioso. Tusnelda (BC) Ho veleno e ferro avanti
Recitativo. Tusnelda, Ramise Ti stringo, o illustre acciaro
24. Duetto. Tusnelda, Ramise (2 BlFl, 2 Ob, Str, BC) Quando più minaccia il Cielo
Scena IV Recitativo. Sigismondo, Ramise, Tusnelda Arminio sventurato!
25. Aria. Sigismondo (Str, BC) Il sangue al cor favella amare
Scena V 26. Arioso. Tusnelda (Str, BC) Tra speme e timore mi palpita il core
Recitativo. Arminio Mia sposa! mia sorella!
Scena VI Recitativo. Sigismondo, Arminio, Tusnelda, Ramise Arminio; non è tempo, Signor
27. Aria. Arminio (2 Ob, Str, BC) Fatto scorta al sentier della gloria
Recitativo. Tusnelda Va; che nel dubbio colle
28. Aria. Tusnelda (2 Ob, 2 Vl, BC) Va, combatti ancor da forte
Scena VII Recitativo. Ramise, Sigismondo Sigismondo, qui resti vittima di Segeste
Scena VIII Recitativo. Segeste, Sigismondo, Ramise In vece d’eseguir gli ordini miei
29. Aria. Sigismondo (2 Ob, Str, BC) Impara a non temer dal mio costante amor
Recitativo. Ramise Perchè mi dividete
30. Aria. Ramise (Str, BC) Voglio seguir lo sposo, barbari, dispietati
Scena IX Recitativo. Tullio, Segeste, Sigismondo, Arminio, Tusnelda, Ramise Fuggiam, Signor, Varo rimase estinto
31. Duetto. Tusnelda, Arminio (2 Ob, Str, BC) Ritorna nel core vezzosa brillante
Recitativo. Arminio Goda nostr’alma appieno
32. Coro. (2 Ob, Str, BC) A capir tante dolcezze

Erfolg und Kritik

“[…] Handel’s return to the military heroic type of libretto, last addressed in Sosarme, after his fruitful incursions into the worlds of Ariosto and classical myth in the five intervening operas, elicited a weak response. Old stock devices like the business with the sword and cup of poison in Act III (compare Floridante, Tolomeo and Lotario) no longer inspired exciting music. Much of the score is reminiscent of things he had said better elsewhere. In most of Act I and the latter part of Act III he seems merely to be going through the motions. This is reflected in the comparative weakness of the characterisation, the element in which so many of his operas from Agrippina to Alcina had been supreme; and that must be put down in part to his rough treatment of the libretto. As in Berenice and for the same reason, instead of haunting our memory, the characters come only fitfully to life because they are allowed so little opportunity to explain their actions. Many of their arias, especially the more virtuoso pieces, have a tenuous connection with the plot. Only at the end of Act II and the start of Act III does Handel approach the height of his powers.”

„[…] Händels Rückkehr zur militärischen und heroischen Art von Libretto, wie zuletzt in Sosarme [1732], nach den fruchtbaren Ausflügen in die Welt des Ariosto und der klassischen Mythologie in den fünf dazwischenliegenden Opern, hatte nur geringe Resonanz. Der Griff in die Klamottenkiste des Herumfuchtelns mit dem Schwert und dem Giftbecher (wie in Floridante, Tolomeo und Lotario) hat ihn nicht mehr zu spannender Musik inspiriert. Vieles in der Partitur erinnert an Dinge, die er anderswo schon besser ausgedrückt hatte. Hauptsächlich im ersten und im Schlussteil des dritten Aktes scheint er die Handlung nur abzuarbeiten und die Schwäche der Charakterisierung, welche so viele seiner Opern von Agrippina bis Alcina auszeichnen, tritt hier zutage, und dies muss zum Teil seinem rauhen Umgang mit der Librettovorlage zugeschrieben werden. Wie auch [später] in Berenice und dort aus dem gleichen Grund, versteht man den Handlungsablauf nicht, weil die Personen nur sporadisch lebendige Wesen werden und nur selten Gelegenheiten bekommen, die Motivation ihrer Handlungen erklären zu dürfen. Viele der Arien, vor allem die mehr virtuosen Stücke, haben nur einen schwachen Bezug zum Geschehen. Nur am Ende des zweiten und am Beginn des dritten Aktes nähert sich Händel der Höhe seines Könnens.“

Winton Dean: Handel’s Operas, 1726–1741., London 2006[28]

Orchester

Zwei Blockflöten, zwei Oboen, Fagott, zwei Hörner, Streicher, Basso continuo (Violoncello, Laute, Cembalo).

Diskografie

  • Virgin Veritas 5 45621 2 (2000): Vivica Genaux (Arminio), Geraldine McGreevy (Tusnelda), Dominique Labelle (Sigismondo), Manuela Custer (Ramise), Luigi Petroni (Varo), Furio Zanasi (Segeste), Sytze Buwalda (Tullio)
    Il complesso barocco; Dir. Alan Curtis (146 min)
  • Accent 26409 (2016): Christopher Lowrey (Arminio), Anna Devin (Tusnelda), Sophie Junker (Sigismondo), Helena Rasker (Ramise), Paul Hopwood (Varo), Cody Quattlebaum (Segeste), Owen Willetts (Tullio)
    FestspielOrchester Göttingen; Dir. Laurence Cummings (164 min)
  • Decca 478 8764DH2 (2018): Max Emanuel Cenčić (Arminio), Layla Claire (Tusnelda), Vince Yi (Sigismondo), Ruxandra Donose (Ramise), Juan Sancho (Varo), Petros Magoulas (Segeste), Xavier Sabata (Tullio)
    Armonia Atenea; Dir. George Petrou (150 min)
  • C Major 744408 (2018): Max Emanuel Cenčić (Arminio), Lauren Snouffer (Tusnelda), Aleksandra Kubas-Kruk (Sigismondo), Gaia Petrone (Ramise), Juan Sancho (Varo), Pavel Kudinov (Segeste), Owen Willetts (Tullio)
    Armonia Atenea; Dir. George Petrou (DVD live, 168 min)

Literatur

  • Winton Dean: Handel’s Operas, 1726–1741. Boydell & Brewer, London 2006, Reprint: The Boydell Press, Woodbridge 2009, ISBN 978-1-84383-268-3 (englisch).
  • Silke Leopold: Händel. Die Opern. Bärenreiter-Verlag, Kassel 2009, ISBN 978-3-7618-1991-3.
  • Arnold Jacobshagen (Hrsg.), Panja Mücke: Das Händel-Handbuch in 6 Bänden. Händels Opern. (Band 2), Laaber-Verlag, Laaber 2009, ISBN 3-89007-686-6.
  • Bernd Baselt: Thematisch-systematisches Verzeichnis. Bühnenwerke. In: Walter Eisen (Hrsg.): Händel-Handbuch: Band 1. Deutscher Verlag für Musik, Leipzig 1978, ISBN 3-7618-0610-8, Unveränderter Nachdruck, Kassel 2008, ISBN 978-3-7618-0610-4.
  • Christopher Hogwood: Georg Friedrich Händel. Eine Biographie. (= Insel-Taschenbuch 2655), aus dem Englischen von Bettina Obrecht, Insel Verlag, Frankfurt am Main/Leipzig 2000, ISBN 3-458-34355-5.
  • Paul Henry Lang: Georg Friedrich Händel. Sein Leben, sein Stil und seine Stellung im englischen Geistes- und Kulturleben. Bärenreiter-Verlag, Basel 1979, ISBN 3-7618-0567-5.
  • Albert Scheibler: Sämtliche 53 Bühnenwerke des Georg Friedrich Händel. Opern-Führer. Edition Köln, Lohmar/Rheinland 1995, ISBN 3-928010-05-0.

Quellen

  • Christopher Hogwood: Georg Friedrich Händel. Eine Biographie (= Insel-Taschenbuch 2655), aus dem Englischen von Bettina Obrecht, Insel Verlag, Frankfurt am Main/Leipzig 2000, ISBN 3-458-34355-5.
  • Bernd Baselt: Thematisch-systematisches Verzeichnis. Bühnenwerke. In: Walter Eisen (Hrsg.): Händel-Handbuch: Band 1. Deutscher Verlag für Musik, Leipzig 1978, ISBN 3-7618-0610-8, Unveränderter Nachdruck, Kassel 2008, ISBN 978-3-7618-0610-4.
  • Editionsleitung der Hallischen Händel-Ausgabe: Dokumente zu Leben und Schaffen. In: Walter Eisen (Hrsg.): Händel-Handbuch: Band 4. Deutscher Verlag für Musik, Leipzig 1985, ISBN 3-7618-0717-1.
  • Silke Leopold: Händel. Die Opern. Bärenreiter-Verlag, Kassel 2009, ISBN 978-3-7618-1991-3.
  • Friedrich Chrysander: G. F. Händel. Zweiter Band, Breitkopf & Härtel, Leipzig 1860.
  • Alan Curtis: Handel. Arminio. Aus dem Englischen von Anne Steeb und Bernd Müller, Virgin veritas 5454612, London 2001.
  • Donna Leon: Handel. Arminio. Aus dem Englischen von Anne Steeb und Bernd Müller, Virgin veritas 5454612, London 2001.
Commons: Arminio – Sammlung von Bildern

Einzelnachweise

  1. Friedrich Chrysander: G. F. Händel, Zweiter Band, Breitkopf & Härtel, Leipzig 1860, S. 394–395.
  2. Editionsleitung der Hallischen Händel-Ausgabe: Dokumente zu Leben und Schaffen., in: Walter Eisen (Hrsg.): Händel-Handbuch: Band 4, Deutscher Verlag für Musik, Leipzig 1985, ISBN 3-7618-0717-1, S. 267
  3. Friedrich Chrysander: G. F. Händel, Zweiter Band, Breitkopf & Härtel, Leipzig 1860, S. 397–398.
  4. Editionsleitung der Hallischen Händel-Ausgabe: Dokumente zu Leben und Schaffen., in: Walter Eisen (Hrsg.): Händel-Handbuch: Band 4, Deutscher Verlag für Musik, Leipzig 1985, ISBN 3-7618-0717-1, S. 271
  5. Christopher Hogwood: Georg Friedrich Händel. Eine Biographie (= Insel-Taschenbuch 2655), aus dem Englischen von Bettina Obrecht, Metzler Verlag, Stuttgart, 1992, S. 163.
  6. Editionsleitung der Hallischen Händel-Ausgabe: Dokumente zu Leben und Schaffen., in: Walter Eisen (Hrsg.): Händel-Handbuch: Band 4, Deutscher Verlag für Musik, Leipzig 1985, ISBN 3-7618-0717-1, S. 266
  7. Christopher Hogwood: Georg Friedrich Händel. Eine Biographie (= Insel-Taschenbuch 2655), aus dem Englischen von Bettina Obrecht, Metzler Verlag, Stuttgart, 1992, S. 163–164.
  8. Editionsleitung der Hallischen Händel-Ausgabe: Dokumente zu Leben und Schaffen., in: Walter Eisen (Hrsg.): Händel-Handbuch: Band 4, Deutscher Verlag für Musik, Leipzig 1985, ISBN 3-7618-0717-1, S. 274
  9. Handel Reference Database. ichriss.ccarh.org, abgerufen am 16. Februar 2013 (englisch).
  10. a b Silke Leopold: Händel. Die Opern., Bärenreiter-Verlag, Kassel 2009, ISBN 978-3-7618-1991-3, S. 223 ff.
  11. a b c d Rainer Schmusch: Arminio (HWV 36), in: Arnold Jacobshagen, Panja Mücke (Hrsg.): Händels Opern – Das Handbuch. Teilband II. Laaber, (o. O.) 2009, S. 298f
  12. Donna Leon: Handel. Arminio, Virgin veritas 5454612, London 2001, S. 13
  13. a b Bernd Baselt: Thematisch-systematisches Verzeichnis. Bühnenwerke., in: Walter Eisen (Hrsg.): Händel-Handbuch: Band 1, Deutscher Verlag für Musik, Leipzig 1978, ISBN 3-7618-0610-8, Unveränderter Nachdruck, Kassel 2008, ISBN 978-3-7618-0610-4, S. 439
  14. a b c d Alan Curtis: Handel. Arminio, aus dem Englischen von Anne Steeb und Bernd Müller, Virgin veritas 5454612, London 2001, S. 16.
  15. Alan Curtis: Handel. Arminio, aus dem Englischen von Anne Steeb und Bernd Müller, Virgin veritas 5454612, London 2001, S. 17.
  16. Charles Burney: A general history of music: … Vol. 4, London 1789, Nachdruck der Cambridge Library Collection, 2010, ISBN 978-1-108-01642-1, S. 402
  17. Christopher Hogwood: Georg Friedrich Händel. Eine Biographie (= Insel-Taschenbuch 2655), aus dem Englischen von Bettina Obrecht, Metzler Verlag, Stuttgart, 1992, S. 164.
  18. Rainer Schmusch: Arminio (HWV 36), in: Arnold Jacobshagen, Panja Mücke (Hrsg.): Händels Opern – Das Handbuch. Teilband II. Laaber, (o. O.) 2009, S. 301
  19. Rainer Schmusch: Arminio (HWV 36), in: Arnold Jacobshagen, Panja Mücke (Hrsg.): Händels Opern – Das Handbuch. Teilband II. Laaber, (o. O.) 2009, S. 299 und 300
  20. Rainer Schmusch: Arminio (HWV 36), in: Arnold Jacobshagen, Panja Mücke (Hrsg.): Händels Opern – Das Handbuch. Teilband II. Laaber, (o. O.) 2009, S. 299 und 300
  21. Rainer Schmusch: Arminio (HWV 36), in: Arnold Jacobshagen, Panja Mücke (Hrsg.): Händels Opern – Das Handbuch. Teilband II. Laaber, (o. O.) 2009, S. 302 und 303
  22. Alan Curtis: Handel. Arminio, aus dem Englischen von Anne Steeb und Bernd Müller, Virgin veritas 5454612, London 2001, S. 17
  23. Schmuschs Kritik an der Arie, die er für „wenig reizvoll“ hält, ist nicht nachvollziehbar. Rainer Schmusch: Arminio (HWV 36), in: Arnold Jacobshagen, Panja Mücke (Hrsg.): Händels Opern – Das Handbuch. Teilband II. Laaber, (o. O.) 2009, S. 303
  24. a b Rainer Schmusch: Arminio (HWV 36), in: Arnold Jacobshagen, Panja Mücke (Hrsg.): Händels Opern – Das Handbuch. Teilband II. Laaber, (o. O.) 2009, S. 301–302
  25. Alan Curtis: Handel. Arminio, aus dem Englischen von Anne Steeb und Bernd Müller, Virgin veritas 5454612, London 2001, S. 17–18.
  26. Alan Curtis: Handel. Arminio, aus dem Englischen von Anne Steeb und Bernd Müller, Virgin veritas 5454612, London 2001, S. 18.
  27. Rainer Schmusch: Arminio (HWV 36), in: Arnold Jacobshagen, Panja Mücke (Hrsg.): Händels Opern – Das Handbuch. Teilband II. Laaber, (o. O.) 2009, S. 299–300
  28. Winton Dean: Handel’s Operas, 1726–1741. Boydell & Brewer, London 2006, Reprint: The Boydell Press, Woodbridge 2009, ISBN 978-1-84383-268-3. S. 354