Spin-Trapping

Ein EPR-Spektrometer, das für die Spin-Trapping-Technik verwendet wird.

Spin-Trapping ist eine analytische Methode in der Chemie und Biochemie zur Identifizierung und Charakterisierung kurzlebiger Radikale. Diese Radikale – insbesondere freie Radikale – sind hochreaktive Moleküle mit ungepaarten Elektronen, die in biologischen und chemischen Prozessen in wässrigen Lösungen oft nur für Bruchteile von Sekunden als Zwischenprodukte existieren. Da sie so flüchtig sind, gestaltet sich ihr Nachweis besonders schwierig.

Prinzip

Spin-Trapping mit 5,5-Dimethyl-1-Pyrrolin-N-oxid (DMPO); eine häufig verwendete Spin-Falle.
Spin-Trapping mit Phenyl-N-tert-butylnitron[S 1] (PBN); eine weitere häufig verwendete Spin-Falle.

Für den Nachweis solcher kurzlebiger Radikale wurde das "Spin-Trapping" entwickelt. Dabei reagiert eine diamagnetischen Reagenz in Lösung mit transienten Radikalen und bildet dabei beständigere Radikaladdukte. Das diamagnetische Reagenz wird als „Spin-Trap“ oder „Radikalfänger“, und das beständigere Radikaladdukt als „Spin-Addukt“ bezeichnet wird. Die Radikaladdukte akkumulieren sich bei der Reaktion bis zu einer Konzentration, bei der sie durch spektroskopischen Methoden – vor allem der Elektronenspinresonanz-Spektroskopie (ESR/EPR) nachgewiesen und häufig auch identifiziert werden können. Die Schlüsselfunktion der Reaktion besteht meist in einer Anlagerungsreaktion.[1]

Beim "inverted Spin-Trapping" reagiert das Spin-Trap-Reagenz zunächst selbst mit einem Oxidationsmittel und bildet dabei ein Radikal. Dieses Radikal kann anschließend mit anderen Substanzen (z. B. Nucleophilen oder Antioxidantien) reagieren. So fungiert das Spin-Trap-Molekül nun als Radikalquelle, nicht als „Radikalfänger“.[2]

Die Methode wurde 1968 durch mindestens drei unabhängigen Forscherteam entwickelt.[3][4] Der Begriff „Spin-Trapping“ wurde erstmals in einem Artikel von Edward G. Janzen und Barry J. Blackburn verwendet, der 1969 im Journal of the American Chemical Society veröffentlicht wurde.[5] Eine quantitative Weiterentwicklung, bei der im Wesentlichen alle in einem bestimmten System gebildeten reaktiven Radikale abgefangen werden, wird als Spin-Counting bezeichnet. Spin-Trapping wurde auch auf das Abfangen von Radikalen übertragen, die in Gas- und Festphasen erzeugt wurden. In diesen Fällen wird das Spinaddukt in der Praxis in eine Flüssiglösung überführt, um die Interpretation der mittels EPR/ESR erhaltenen Radikalspektren zu erleichtern.[1]

Spin-Traps

Die bei der Reaktion als diamagnetischen Reagenz eingesetzten Spin-Trap-Verbindungen (kurz Spin-Traps) sind meist Nitronverbindungen oder C-Nitrosoverbindungen, die als Addukt Nitrylradikale bilden.[1] Ein Nitron ist eine funktionelle Gruppe, deren Reaktivität chemisch der von Carbonylverbindungen wie Ketonen und Aldehyden ähnelt. Das Kohlenstoffatom, das doppelt an ein Stickstoffatom gebunden ist und als Nitronyl-Kohlenstoff bezeichnet wird, weist eine so ausgeprägte positive Ladung auf, dass es anfällig für nukleophile Additionen ist, was analog zu den Carbonyl-Kohlenstoffen ist.[6] Nitrone haben gegenüber Nitrosoverbindungen den Vorteil, dass sie thermisch und photochemisch stabiler sind. Weitere Nachteile von Nitrosoverbindungen ist ihre Neigung zur Bildung von Dimeren, die gegenüber Radikalfängern inert sind, und ihre Unzuverlässigkeit in Anwendungen mit sauerstoffzentrierten Radikalen. Es gibt jedoch keine perfekte Spin-Trap-Verbindung, daher muss diese für eine bestimmte Anwendung ausgewählt werden, wobei mehr als 100 Verbindungen bekannt sind, die sich als Spin-Trap eignen. Eine Hilfe bei der Auswahl einer geeigneten Verbindung ist die Verfügbarkeit von Geschwindigkeitskonstanten für viele Spin-Trapping-Reaktionen.[7]

Spin-Traps sollten nicht mit Spin-Probes oder Spin-Labels verwechselt werden, da diese bei anderen Verfahren eingesetzt werden.

Ein typisches Beispiel eines Spin-Traps ist 5,5-Dimethyl-1-pyrrolin-N-oxid (DMPO), das mit Sauerstoff- oder Kohlenstoff-basierten Radikalen reagiert. Eine häufig verwendete Spin-Trap-Verbindung ist auch 2-Methyl-2-nitrosopropan.[3]

5-Diisopropoxyphosphoryl-5-methyl-1-pyrrolin-N-oxid[S 2] (DIPPMPO) wird als Spin-Traps zur Messung der Superoxidproduktion in Mitochondrien verwendet. Es eignet sich für diesen Einsatzzweck besser als 5-Diethoxyphosphoryl-5-methyl-1-pyrrolin-N-oxid[S 3] (DEPMPO).[8][9]

Anwendungen

Spin-Trapping findet breite Anwendung in der Untersuchung von:[3]

Daneben hinaus wird in Studien erforscht, ob man damit nicht nur entsprechende Vorgänge untersuchen kann, sondern auch die Radikale abfangen und damit Schädigungen in Haut (durch den Einsatz in Kosmetika) oder anderen Organen vorbeugen kann.[10][11][12]

Grenzen

Spin-Trapping kann die Herkunft oder genaue Struktur des ursprünglichen Radikals oft nicht eindeutig bestimmen, da verschiedene Radikale ähnliche Spin-Addukte bilden können. Zudem sind manche Radikale weniger reaktiv gegenüber Spin-Trap-Molekülen.[13][14][15]

Einzelnachweise

  1. a b c The International Union of Pure and Applied Chemistry (IUPAC): IUPAC - spin trapping (S05878). In: iupac.org. goldbook.iupac.org, abgerufen am 2. September 2025 (englisch).
  2. Bruce C. Gilbert, N. M. Atherton, M. J. Davies: Electron Paramagnetic Resonance: Volume 16. Royal Society of Chemistry, 2007, ISBN 978-1-84755-353-9, S. 124.
  3. a b c D. Bethell, V. Gold: Advances in Physical Organic Chemistry. Academic Press, 1980, ISBN 0-08-058156-0, S. 1–58.
  4. Edward G. Janzen: Spin trapping. In: Accounts of Chemical Research. Band 4, Nr. 1, 1971, S. 31–40, doi:10.1021/ar50037a005.
  5. Rachel Haywood: Encyclopedia of Biophysics. Springer, Berlin, Heidelberg, 2013, ISBN 978-3-642-16712-6, Spin-Trapping: Theory and Applications, S. 2447–2453, doi:10.1007/978-3-642-16712-6_579.
  6. Frederick A. Villamena: Reactive Species Detection in Biology. Elsevier, Boston 2017, ISBN 978-0-12-420017-3, Chapter 5 - EPR Spin Trapping, S. 163–202, doi:10.1016/b978-0-12-420017-3.00004-9.
  7. Encyclopedia of Analytical Science. Elsevier Science, 2019, ISBN 978-0-08-101984-9, S. 308 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  8. Micael Hardy, Florent Poulhés, Egon Rizzato, Antal Rockenbauer, Karol Banaszak, Hakim Karoui, Marcos Lopez, Jacek Zielonka, Jeannette Vasquez-Vivar, Savitha Sethumadhavan, Balaraman Kalyanaraman, Paul Tordo, Olivier Ouari: Mitochondria-targeted spin traps: synthesis, superoxide spin trapping, and mitochondrial uptake. In: Chemical Research in Toxicology. 21. Juli 2014, doi:10.1021/tx500032e, PMID 24890552, PMC 5452977 (freier Volltext) – (englisch).
  9. Chalier Florence, Paul Tordo: 5-Diisopropoxyphosphoryl-5-methyl-1-pyrroline N-oxide, DIPPMPO, a crystalline analog of the nitrone DEPMPO: Synthesis and spin trapping properties. In: Journal of the Chemical Society Perkin Transactions 2. Dezember 2002, doi:10.1039/B206909C (englisch).
  10. Prashant Sawant: Potential Use of Spin Traps to Control ROS in Antipollution Cosmetics—A Review. In: Cosmetics. Band 5, Nr. 1, 2018, S. 8, doi:10.3390/cosmetics5010008.
  11. Mr Rohit Manglik: Cosmetic Dermatology. EduGorilla Publication, 2024, ISBN 978-93-6984424-1, S. 19.
  12. John M. Carney, Robert A. Floyd: Protection against oxidative damage to CNS by α-phenyl-tert-butyl nitrone (PBN) and other spin-trapping agents: A novel series of nonlipid free radical scavengers. In: Journal of Molecular Neuroscience. Band 3, Nr. 1, 1991, S. 47–57, doi:10.1007/BF02896848.
  13. Chris J. Rhodes: Toxicology of the Human Environment: The Critical Role of Free Radicals. CRC Press, 2000, ISBN 0-7484-0916-5, S. 25.
  14. Jan Willem Hartgerink: Spin trapping by nitrosoalkanes: Mechanisms of Some Photochemically Induced Reactions. Springer, 2012, ISBN 978-94-011-9441-9, S. 45.
  15. Bruce C. Gilbert, N. M. Atherton, M. J. Davies: Electron Paramagnetic Resonance: Volume 16. Royal Society of Chemistry, 2007, ISBN 978-1-84755-353-9, S. 117.
  1. Externe Identifikatoren von bzw. Datenbank-Links zu Phenyl-N-tert-butylnitron: CAS-Nr.: 3376-24-7, EG-Nr.: 222-168-6, ECHA-InfoCard: 100.020.154, PubChem: 4390, ChemSpider: 4237, Wikidata: Q27257256.
  2. Externe Identifikatoren von bzw. Datenbank-Links zu 5-Diisopropoxyphosphoryl-5-methyl-1-pyrrolin-N-oxid: CAS-Nr.: 527704-58-1, EG-Nr.: 817-444-3, ECHA-InfoCard: 100.251.742, PubChem: 5249566, ChemSpider: 4416930, Wikidata: Q136092136.
  3. Externe Identifikatoren von bzw. Datenbank-Links zu 5-Diethoxyphosphoryl-5-methyl-1-pyrrolin-N-oxid: CAS-Nr.: 157230-67-6, EG-Nr.: 680-175-3, ECHA-InfoCard: 100.205.103, PubChem: 119606, ChemSpider: 106795, Wikidata: Q72465569.