Immanuel Tremellius

Deckblatt der Übersetzung der lateinischen Bibel, um 1590

Johannes Immanuel Tremellius (* 1510 als Emanuele Tremellio in Ferrara, Italien; † 9. Oktober 1580 in Sedan, Frankreich) war ein italienischer Exulant, reformierter Theologe, Hebraist und Professor für Altes Testament, Dekan und Rektor an der Universität Heidelberg.[1][2]

Leben

In Italien

Emanuele Tremellio wurde 1510 als Sohn jüdischer Eltern im Ghetto von Ferrara geboren, das damals um die 2.000 Juden verschiedener Traditionen umfasste. Über seine Familie, seine Kindheit und Jugend ist kaum etwas überliefert, ausser dass er einen Bruder hatte, und er studierte an der Universität Padua. Nach 1530 kam er näher mit überzeugten Christen in Kontakt und konvertierte 1540 zum katholischen Glauben. Er ließ sich im Haus des damals noch evangelisch gesinnten Kardinals Reginald Pole taufen, auch Marcantonio Flaminio war ein Taufzeuge.[3] Von Peter Martyr Vermigli wurde er 1541 für die evangelische Lehre nach Johannes Calvin gewonnen.[4] Kardinal Gasparo Contarini (1483–1542) sandte im Mai 1541 Vermigli als Prior ins Kloster San Frediano in Lucca. Tremmelius mit Celso Marinengo und Girolamo Zanchi (1516–1590) waren dort seine Mitstreiter und förderten die humanistische Bildung in den alten Sprachen und der Kirchenväter, die moralische Integrität der Klosterbrüder und die Verbreitung des neuen evangelischen Glaubensgut. 1542 hatten die Evangelischen bereits über 200 einflussreiche Anhänger in der Stadt Lucca. Als Papst Paul III. am 21. Juli 1542 die Inquisition einführte und Contarini im August dieses Jahres starb, fiel Vermiglis Schutz weg, und er musste nach Zürich flüchten, um einer drohenden Verurteilung der Inquisition wegen Häresie zu entgehen.[5]

In Straßburg

Tremellius verließ Italien ebenfalls aus Glaubensgründen gegen Ende des Jahres 1542, er ging als Hebräischlehrer nach Straßburg an die höhere Schule, ein Gymnasium, das von Johannes Sturm 1537 gegründet und geleitet wurde. Im Sommer 1543 traf er Johannes Calvin, der damals für sechs Wochen in der Stadt weilte. Im Oktober 1544 heiratete er Elisabeth, deren Nachname nicht bekannt ist, eine Witwe aus Metz, die eine Tochter namens Alice in die Ehe brachte und ihm später eine weitere Tochter und einen Sohn gebar.[6]

In England

Wegen dem für ihn ungünstigen Ausgang des Schmalkaldischen Krieges musste er Straßburg 1547 verlassen. Vergeblich suchte er eine Anstellung in der Schweiz. Aber er erhielt eine Einladung von Erzbischof Thomas Cranmer in England, wo er ab November 1547 im Lambeth Palace leben konnte. Ab Ende 1549 konnte er als Nachfolger von Paul Fagius an der Universität Cambridge Hebräisch als Regius Professor of Hebrew lehren. Als Maria I. Tudor 1553 den englischen Thron bestieg, musste er England sofort verlassen. Es folgten darauf kurze Aufenthalte in Straßburg, Bern, Lausanne und Genf.

In Zweibrücken

Von 1554 bis 1558 war er Prinzenerzieher der drei Kinder von Herzog Wolfgang des Hauses Pfalz-Zweibrücken, bevor er im Januar 1559 erster Leiter der Landesschule in Hornbach, des späteren Herzog-Wolfgang-Gymnasiums, wurde. Calvin wollte ihn 1558 für die hebräische Professur an der neu gegründeten Theologischen Hochschule in Genf gewinnen, aber der Herzog und Pfalzgraf liess ihn nicht ziehen. Trotzdem wurde er wahrscheinlich im November 1560 entlassen und vom Herzog einige Monate gefangen gehalten, weil Tremellius als Calvinist dessen lutherisches Bekenntnis nicht teilen und lehren wollte. Im März 1561 ging er nach Metz, in die Heimatstadt seiner Frau.

In Heidelberg

Am 4. März 1561 wurde er als Nachfolger von Paul Einhorn zum Professor für altestamentliche Bibelkunde in Heidelberg ernannt. Im April 1561 wurde er Gesandter des Kurfürsten Friedrich III. in Frankreich eingesetzt.[7] Am 22. Juni wurde er zum Doktor der Theologie promoviert, am Tag darauf immatrikuliert und am 9. Juli 1561 in den Senat, den Lehrkörper der Universität, und in den Kirchenrat aufgenommen. Neben seinen Lehraufgaben entfaltete er literarische und publizistische Tätigkeiten. So konnte er 1562 die Reden Martin Bucers in England herausgeben, 1563 einen Kommentar zum Propheten Hosea, 1567 eine lateinische Übersetzung von Jonathans chaldäischer Paraphrase der zwölf kleinen Propheten und 1569 eine chaldäische und eine syrische Grammatik publizieren. Als 1565 die Universität Heidelberg wegen der Pest kurzfristig geschlossen wurde, reiste er nach England und besuchte seinen Freund und Erzbischof von Canterbury Matthias Parker. Eine dort angebotene Professur lehnte er ab, und er kehrte nach Heidelberg zurück, um seine Lehrtätigkeit wieder aufzunehmen.[8] 1562 und 1575 war er Rektor, 1566 wurde er mit Sigismund Melanchthon Verwalter der Frucht- und Weinberge der Universität, und 1568 erneut Gesandter des Kurfürsten in England. Vielleicht bereits ab 1563, bestimmt 1568 und 1577 war er Dekan der Theologischen Fakultät. 1571 beauftragte ihn der Kurfürst mit der Übersetzung des Alten Testaments aus dem hebräischen Grundtext ins Lateinische, seit 1573 wurde er dabei von Franz Junius unterstützt.

In Sedan

Am 6. Dezember 1577 wurden die reformierten Professoren Girolamo Zanchi, Pierre Bouquin und er trotz Protests des Senats der Universität durch den neuen lutherischen Kurfürst Ludwig VI., der auf Friedrich III. folgte, mit Lehrverbot belegt, entlassen und ausgewiesen. Im Januar 1578 übergab er als ehemaliger Dekan der Theologischen Fakultät die Truhe dem Rektor Simon Grynaeus des Jüngeren. Über Metz ging er nach Sedan, wo er von 1578 bis 1580, in seinen letzten Lebensjahren, an der neu gegründeten reformierten Akademie Sedan Hebräisch lehren konnte.

Tremellius wurde vor allem durch seine Übersetzung der evangelischen lateinischen Bibel aus dem Hebräischen berühmt, die er von 1569 bis 1579 erarbeitet hatte. Sie erschien danach in 40 Auflagen.[9]

Schriften (Auswahl)

  • Catechismus Hebraice et Graece, Paris 1554.
  • Sefer Hinukh behirei Yah, Paris 1554.
  • Praefixa est epistola Hebraea doctissimi viri Ioan, Genf 1561.
  • Testamentum novum ... Est autem interpretatio Syriaca Novi Testarnenti, Hebraeis typis descripta, plerisque etiam iocis emendata, Genf 1569.
  • Bibliorum Pars Prima, id est, Quinque Libri Moschis Latini recens ex Hebraeo facti, Frankfurt 1575–1579.
  • Catechesis sive prima institutio aut rudimenta religionis christianae Hebraice, Graece et Latine explicata, Leiden 1591.

Literatur

  • Friedrich Butters: Emmanuel Tremellius, erster Rektor des Zweibrücker Gymnasiums, Zweibrücken 1859.
  • Wilhelm Becker: Immanuel Tremellius, ein Proselytenleben im Zeitalter der Reformation. 1887, Leipzig 1890.
  • Theodor Julius Ney: Tremellius, Immanuel. In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB). Band 38, Duncker & Humblot, Leipzig 1894, S. 563–565.
  • Erich WennekerImmanuel Tremellius. In: Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon (BBKL). Band 12, Bautz, Herzberg 1997, ISBN 3-88309-068-9, Sp. 444–448.
  • Kenneth Austin: From Judaism to Calvinism : the life and writings of Immanuel Tremellius (1510-1580), PhD Thesis, University St Andrews 2003 und Ashgate 2007 ([1]).
  • Kenneth Austin: Immanuel Tremellius: From Italian Hebraist to International Migrant, S. 102–125; in: Fruits of Migration. Heterodox Italian Migrants and Central European Culture 1550-1620, Intersections, Band 57, Brill 2018, ISBN 978-9-00437-112-5, doi:10.1163/9789004371125.
  • Joshua Andrew Johnson: When brethren walk together: Immanuel Tremellius (c. 1510-1580), Jewish-Christian conversion, Christian Hebraism, and Reformed Christianity, Masterarbeit, Washington State University, 2019 ([2]).

Einzelnachweise

  1. Kenneth Austin: Tremellio, Emanuele, Dizionario Biografico degli Italiani - Volume 96 (2019), Website treccani.it (italienisch, abgerufen am 8. September 2025)
  2. Dagmar Drüll: Immanuel Tremellius, Heidelberger Gelehrtenlexikon, 1386-1651, Heidelberg 2002, S. 532-533, Website histmath-heidelberg.de (abgerufen am 4. September 2025)
  3. Kenneth Austin: Tremellio, Emanuele, Dizionario Biografico degli Italiani - Volume 96 (2019), Website treccani.it (italienisch, abgerufen am 8. September 2025)
  4. Dagmar Drüll: Immanuel Tremellius, Heidelberger Gelehrtenlexikon, 1386-1651, Heidelberg 2002, S. 532-533, Website histmath-heidelberg.de (abgerufen am 4. September 2025)
  5. R. Scott Clark: Lucca: Cradle Of The Reformation, Website heidelblog.net (8. Mai 2018, englisch, abgerufen am 1. September 2025)
  6. Kenneth Austin: Tremellio, Emanuele, Dizionario Biografico degli Italiani - Volume 96 (2019), Website treccani.it (italienisch, abgerufen am 8. September 2025)
  7. Dagmar Drüll: Immanuel Tremellius, Heidelberger Gelehrtenlexikon, 1386-1651, Heidelberg 2002, S. 532-533, Website histmath-heidelberg.de (abgerufen am 4. September 2025)
  8. Theodor Julius Ney: Tremellius, Immanuel. In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB). Band 38, Duncker & Humblot, Leipzig 1894, S. 563–565.
  9. Dagmar Drüll: Immanuel Tremellius, Heidelberger Gelehrtenlexikon, 1386-1651, Heidelberg 2002, S. 532-533, Website histmath-heidelberg.de (abgerufen am 4. September 2025)