Gesellschaftsvertrag
Ein Gesellschaftsvertrag ist ein privatrechtlicher Vertrag zwischen mindestens zwei Personen, über den sie sich für eine bestimmte oder unbestimmte Zeit zusammenschließen, um ein gemeinsames Ziel zu verfolgen. Parteien können natürliche oder juristische Personen sein. Durch den Abschluss des Gesellschaftsvertrags entsteht eine Gesellschaft. Gesellschaftsverträge sind grundsätzlich formlos möglich, wenn sie nicht formbedürftige Leistungsversprechen enthalten.
Römisch-rechtlicher Vorläufer war die societas, die durch bloße Willenseinigung im Rahmen eines Konsensualkontrakts zustande kam.
Vertragsschluss und Gesellschaftsform
Durch Abschluss eines Gesellschaftsvertrags wird eine Gesellschaft als rechtliches Subjekt begründet. Sie unterfällt hierbei automatisch einer der im deutschen Rechtssystem abschließend gesetzlich vorgegebenen Rechtsformen.[1][2]
Zusammenschluss zur Erreichung eines gemeinsamen Zwecks
Der Gesellschaftsvertrag wird dadurch charakterisiert, dass sich darin zwei oder mehrere Personen rechtsverbindlich zusammenschließen, um einen gemeinsamen Zweck zu erreichen.[3] Dieser Zweck muss nicht zwingend wirtschaftlicher Natur sein, er kann auch rein ideell sein.[4][5] Zentrale Pflicht der Gesellschafter ist die Förderung des gemeinsam vereinbarten Zwecks; dabei handelt es sich nicht um eine im Gegenseitigkeitsverhältnis stehende Pflicht.[6] Der Gesellschaftsvertrag ist schuldrechtlicher Natur,[7] wirkt also grundsätzlich nur für und gegen die Mitglieder der Gesellschaft.
Rechtsform, Formvorschriften, Entstehung
Welche Form der verschiedenen Gesellschaften durch den Abschluss des Gesellschaftsvertrags zur Entstehung gelangt, ist durch Auslegung des Gesellschaftsvertrags unter Betrachtung der jeweiligen Formvoraussetzungen der Gesellschaftsformen zu ermitteln.[8][9]
Ein Gesellschaftsvertrag erfordert grundsätzlich keine bestimmte Form, kann also auch durch konkludentes Handeln zustande kommen. Für die Errichtung bestimmter Gesellschaftsformen sind jedoch bestimmte Formanforderungen vorgesehen. So kann eine GmbH ebenso wie eine Aktiengesellschaft nur durch notarielle Beurkundung des Gesellschaftsvertrags (§ 23 Abs. 1 AktG, § 2 Abs. 1 GmbHG) und Eintragung in das Handelsregister (§ 41 Abs. 1 AktG, § 11 Abs. 1 GmbHG) zur Entstehung gelangen. Lässt sich die Gesellschaft mangels Angaben zu einer etwaigen Gesellschaftsform im Gesellschaftsvertrag nicht einer der den Formvoraussetzungen unterliegenden Gesellschaftsformen zuordnen, gelangt im Zweifel eine offene Handelsgesellschaft (OHG) nach §§ 105 ff. HGB zur Entstehung, wenn der gemeinsame Zweck in dem Betrieb eines Handelsgewerbes besteht, in allen andere Fällen eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) nach §§ 705 ff. BGB.[10] Da diese Gesellschaftsformen auch konkludent zustande kommen können, entstehen in der Praxis vielfach vorübergehend Gelegenheitsgesellschaften,[11] teils ohne, dass den Beteiligten die rechtlichen Folgen bewusst sind, zum Beispiel bei der Organisation eines Abiball-Komitees durch Abiturienten[12] oder bei der gemeinsamen Organisation einer gemeinsamen Urlaubsreise durch eine Kegel-Gruppe.[13] Entscheidend für die Frage, ob ein gesellschaftsrechtliches Verhältnis entsteht, oder es sich bei etwaigen Vereinbarungen um ein bloßes Gefälligkeitsverhältnis ohne rechtliche Bindungswirkung handelt, ist der Rechtsbindungswille der Beteiligten,[14] der aus Sicht eines objektiven Dritten zu ermitteln ist; ob die Beteiligten sich tatsächlich rechtlich binden wollten, ist nachrangig.[15][16]
Der Zeitpunkt der Entstehung bestimmter Gesellschaftsformen fällt nicht zwingend vollständig auf den Moment, in welchem die Gesellschafter den Gesellschaftsvertrag abschließen. Schließen sich zwei oder mehr Personen zum Betrieb eines Handelsgewerbes zusammen, entsteht zwar bereits mit dem Zusammenschluss eine OHG zwischen ihnen (Innenverhältnis), gemäß § 123 HGB jedoch erst mit Eintragung in das Handelsregister oder Aufnahme des Geschäftsbetriebs gegenüber dem Rechtsverkehr. Erst wenn die Gesellschaft nach außen wirksam geworden ist, gelten die gesetzlichen Bestimmungen im Hinblick auf die Vertretung der Gesellschaft und die Haftung in vollem Umfang.
Inhalt
Das Recht der GbR und der Personenhandelsgesellschaften aus dem HGB ist weitgehend dispositiv, sodass bei der Gestaltung eines Gesellschaftsvertrags im Rahmen der Privatautonomie umfangreiche Vertragsfreiheit besteht. Der zu fördernde Zweck kann ein dauernder oder ein vorübergehender Zweck sein.
Innenverhältnis
Das Innenverhältnis regelt die Beziehungen zwischen den Gesellschaftern und zwischen Gesellschaftern und der Geschäftsführung (Geschäftsführungsbefugnis bei Fremdorganschaft), insbesondere die Pflicht zur ordnungsgemäßen Buchführung und Bilanzierung bei Handelsgesellschaften und die Verteilung von Kompetenzen innerhalb der Gesellschaft. Die verschiedenen Gesetze sehen für die verschiedenen Gesellschaftsformen diverse Regelungen zum Innenverhältnis vor, siehe etwa § 45 Abs. 2 GmbHG in Verbindung mit § 46 GmbHG. Stille Gesellschaften erschöpfen sich im Innenverhältnis, Außenbeziehungen gibt es nicht (§ 230 Abs. 2 HGB).
Die Gesellschafter sind in der Gestaltung des Innenverhältnisses grundsätzlich weitestgehend frei (§ 708 BGB, § 108 HGB, § 45 GmbHG, § 23 AktG). Abweichungen von den jeweiligen gesetzlichen Regelungen sind an vielen Stellen möglich. Nicht möglich ist jedoch der Entzug bestimmter unantastbarer Rechte der Gesellschafter, teilweise auch nicht mit deren Einverständnis (siehe Kernbereichslehre). Immanente Kernpflicht ist auch gegenseitige Treuepflicht im Sinne des § 242 BGB.
Außenverhältnis
Das Außenverhältnis regelt die Beziehungen der Gesellschaft zu gesellschaftsfremden Dritten (Geschäftspartnern). Hier gelten in erster Linie zwingende gesetzliche Vorschriften, von denen im Gesellschaftsvertrag in der Regel nicht abgewichen werden kann. Hintergrund dessen ist der Schutz der Vertragspartner der Gesellschaft, die sich auf die Geltung zwingender gesetzlicher Bestimmungen verlassen können sollen, insbesondere weil die Regelungen des Gesellschaftsvertrages anders als bei der GmbH und der AG bei Personenhandelsgesellschaften nicht zwingend öffentlich einsehbar ist. Insbesondere die gesetzlichen Haftungs- und Vertretungsregelungen sind im Interesse der Rechtssicherheit zwingend. Gläubiger können darauf vertrauen, dass bei Personengesellschaften mindestens eine natürliche Person für Gesellschaftsschulden unbeschränkt mit ihrem Privatvermögen haftet.
Weitere Regelungsinhalte
Regelungsinhalt sind vor allem Firma, Sitz, Dauer, Geschäftsführung und Vertretung, Beschlussfassung und Stimmrecht, Ergebnisverteilung, Auflösungsgründe und Nachfolgeregelungen im Todesfall.[17] Der Gesellschaftsvertrag darf keinen verbotswidrigen Unternehmensgegenstand enthalten (§ 134, § 138 BGB).
Für Kapitalgesellschaften ist der Mindestinhalt eines Gesellschaftsvertrags gesetzlich vorgeschrieben (§ 23 Abs. 3 AktG, § 3 Abs. 1 GmbHG). Dazu gehören insbesondere die Gründer, Anzahl der Aktien, eingezahltes Grundkapital/Stammkapital, Firma und Sitz, Unternehmensgegenstand. Abweichende Satzungsregelungen sind nur dort möglich, wo es das AktG zulässt (§ 23 Abs. 5 AktG).
Beendigung
Gesellschaftsverträge sind Dauerschuldverhältnisse und können daher im Innenverhältnis grundsätzlich durch einseitige (Kündigung, auch Austritt) oder einvernehmliche Beendigung der Vertragsbeziehung aufgehoben werden. Ebenfalls tritt eine Beendigung ein, wenn der angestrebte Zweck erfüllt wird. Gegenüber dem Rechtsverkehr muss die Gesellschaft bei Beendigung ein Verfahren der Auflösung durchlaufen, im Rahmen dessen die Gesellschaft liquidiert wird. Bei eingetragenen Gesellschaften wird die Auflösung durch die Löschung der Gesellschaft aus dem jeweiligen Register abgeschlossen.
Einzelnachweise
- ↑ Barbara Grunewald, Hans-Friedrich Müller: Gesellschaftsrecht, 12. Auflage. 2023, Mohr Siebeck. ISBN 978-3-16-161385-2. S. 5.
- ↑ Torsten Schöne: BeckOK BGB. Hrsg.: Wolfgang Hau. 75. Edition. C.H.BECK, München 1. August 2025, BGB § 705 Rn. 32.
- ↑ Torsten Schöne: BeckOK BGB. Hrsg.: Wolfgang Hau. 75. Edition. C.H.BECK, München 1. August 2025, BGB § 705 Rn. 35.
- ↑ Torsten Schöne: BeckOK BGB. Hrsg.: Wolfgang Hau. 75. Edition. C.H.BECK, München 1. August 2025, BGB § 705 Rn. 37.
- ↑ Carsten Schäfer: Henssler/Strohn Gesellschaftsrecht. Hrsg.: Martin Henssler, Lutz Strohn. 6. Auflage. C.H.BECK, München 2024, GmbHG § 1 Rn. 17.
- ↑ Christian R. Schmidt: OHG, KG und PublikumsG, 2010, S. 123.
- ↑ BGH, Urteil vom 2. Juli 1990 – II ZR 243/89 –, Volltext ( vom 18. März 2016 im Internet Archive).
- ↑ Carsten Schäfer: Münchener Kommentar zum BGB. Hrsg.: Franz Jürgen Säcker. 9. Auflage. C.H.BECK, München 2024, BGB § 705 Rn. 173.
- ↑ Carsten Schäfer: Münchener Kommentar zum BGB. Hrsg.: Franz Jürgen Säcker. 9. Auflage. C.H.BECK, München 2024, BGB § 705 Rn. 28.
- ↑ Carsten Schäfer: Münchener Kommentar zum BGB. Hrsg.: Franz Jürgen Säcker. 9. Auflage. C.H.BECK, München 2024, BGB § 705 Rn. 28.
- ↑ Carsten Schäfer: Münchener Kommentar zum BGB. Hrsg.: Franz Jürgen Säcker. 9. Auflage. C.H.BECK, München 2024, BGB § 705 Rn. 32.
- ↑ LG Detmold, Urteil vom 8. Juli 2015 – 10 S 27/15 –, openjur.de
- ↑ OLG Saarbrücken, Urteil vom 20. Dezember 1984 – 8 U 145/83 –, dejure.org
- ↑ BGH, Urteil vom 16. Mai 1974 – II ZR 12/73 –, openjur.de
- ↑ Gregor Bachmann: Münchener Kommentar zum BGB. Hrsg.: Franz Jürgen Säcker. 9. Auflage. C.H.BECK, München 2022, BGB § 241 Rn. 235.
- ↑ BGH, Urteil vom 23. Juli 2015 – III ZR 346/14 –, juris.bundesgerichtshof.de Rn. 8 = NJW 2015, 2880 Rn. 8
- ↑ Christian R. Schmidt: OHG, KG und PublikumsG, 2010, S. 132.