Verbotene sowjetische Filme in der DDR

Verbotene sowjetische Filme in der DDR gab es 1988. Sie waren eine Ungewöhnlichkeit der DDR-Kulturpolitik und führten zu einem großen Unmut in weiten Teilen der Bevölkerung.

Vorgeschichte

In der DDR wurden alle wichtigen sowjetischen Filme gezeigt, die dort zugelassen waren. Seit 1972 gab es außerdem das Festival des sowjetischen Films in der DDR, jeweils Ende Oktober und Anfang November.[1] Es fand zuerst in Ost-Berlin statt, dann in einigen weiteren Städten, wie Potsdam, Leipzig und Cottbus. Das Zuschauerinteresse daran war aber meist nur gering.

Seit 1986 wurden auch einige kritischere sowjetische Filme gezeigt, die durch Glasnost möglich geworden waren, wie Geh und sieh von Elem Klimow. Beim XVI. Festival des sowjetischen Films 1987 wurden unter anderem Briefe eines toten Mannes, Abschied von Matjora, Es ist nicht leicht, jung zu sein und Die Vogelscheuche aufgeführt, die ein großes Zuschauerinteresse hervorriefen.[2] Nur der mehrfach ausgezeichnete Film Die Reue von Tengis Abuladse von 1984/87 wurde von den DDR-Verantwortlichen verweigert. Nachdem ihn das ZDF den DDR-Zuschauern doch gezeigt hatte, wurde er im Neuen Deutschland und in der Jungen Welt scharf kritisiert.[3]

Verbotene Filme 1988

Festivalablauf

Schon in der Vorbereitung des XVII. Festivals des sowjetischen Films vom 27. Oktober bis 3. November 1988 gab es einige Einschränkungen. So wurde der ursprünglich geplante Eröffnungsfilm nicht gezeigt und bei einigen Vorstellungen gab es keine Karten für „normale“ Besucher.[4] Die sieben Filme wurden aber ansonsten regulär in Ost-Berlin gezeigt, einige wieder mit einem großen Besucherinteresse.[5] Danach kamen sie in weitere Städte der DDR, aber im Bezirk Cottbus zum Beispiel nicht alle.

Verbote

Am 22. November 1988 erklärte die Hauptverwaltung Film im Kulturministerium intern, dass fünf Filme ab sofort nicht mehr gezeigt werden dürften.[6]

Dieses waren:

  • Die Kommissarin von Alexander Askoldow, 1967 entstanden, gleich verboten, 1988 erstmals beim Moskauer Filmfestival gezeigt, dann auf der Berlinale mit dem Silbernen Bären ausgezeichnet, auf weiteren Festivals mit mehreren Preisen
  • Das Thema von Gleb Panfilow, 1979 entstanden, zuerst in einer stark zensierten Fassung gezeigt, 1988 in der vollständigen Fassung auf der Berlinale mit dem Goldenen Bären ausgezeichnet
  • ... und morgen war Krieg, von Juri Kara, 1987, mehrere internationale Preise, darunter in Mannheim
  • Der kalte Sommer des Jahres 53, von Alexander Proschkin, 1987, mehrere internationale Preise
  • Spiele für Schulkinder, von Leida Laius und Arvo Iho, 1986, mehrere internationale Preise, darunter UNESCO-Preis bei der Berlinale

Es gab Anweisungen an die Kinos, stattdessen andere Filme zu zeigen. Offizielle Bekanntmachungen in Zeitungen gab es nicht. Die Verbote gingen wohl auf Initiative von Margot Honecker und einige SED-Bezirkschefs zurück.[7]

Reaktionen

Die Reaktionen in der DDR waren sehr erregt, da am Tag zuvor bereits die sowjetische Zeitschrift Sputnik faktisch verboten worden war. Es gab einige kleinere Proteste, die aber kaum bekannt wurden, bis hin zu einer Aufforderung zum Film-Boykott in den Kinos.[8] Diese Verbote führten in weiten Teilen der Bevölkerung zu einer Verstärkung des Unmuts, da nun nicht mal mehr die Werke des sowjetischen Bruders gezeigt werden durften, die doch zu Zeiten, als sie langweilig waren, so hoch gelobt wurden. Auch bei vielen SED-Mitgliedern wuchs die Unzufriedenheit.

Wiederzulassung im November 1989

Am 3. November 1989, einen Tag vor der geplanten großen Demonstration auf dem Alexanderplatz, erklärte „Filmminister“ Horst Pehnert (Leiter der Hauptverwaltung Film im Ministerium für Kultur), dass alle fünf Filme wieder gezeigt werden können.[9] "Mit Beginn dieses Monats sind alle im vergangenen Herbst aus den Kinos der DDR genommenen sowjetischen Filme wieder dem Publikum zugänglich."

Literatur

  • Dietmar Hochmuth: Die Maßnahme. In taz vom 10. November 1990. S. 14 Text; mit Erinnerungen eines Insiders
  • Sowjet-Filme. In taz vom 18. Oktober 1990, S. 25 Text, mit einigen Hintergrundinformationen

Einzelnachweise

  1. Dietmar Hochmuth, Die Maßnahme. Zum zwanzigsten Mal. Das Festival des sowjetischen Films in Berlin (Ost), in taz vom 10. November 1990 Text, mit atmosphärischen Erinnerungen
  2. Filmspiegel, 21, S. 18–22; 24, S. 2: Kino DDR, Sonderheft II/1987, auch alle wichtigen Tages- und Wochenzeitungen (Sonntag, Wochenpost); vgl. Chronik 1987 DEFA-Stiftung, zum 29. Oktober bis 5, November
  3. Sabine Pannen, Wo ein Genosse ist, da ist die Partei. Der Zerfall der SED-Basis 1979–1989, Links, Berlin 2018, S. 250 (unten); mit kurzen Angaben
  4. Sowjet-Filme, in taz vom 18. Oktober 1990, S. 25 Text; mit einigen Details; auch Dietmar Hochmuth, Die Maßnahme, in taz vom 10. November 1990, S. 14 Text
  5. Filmspiegel, 21/1988, S. 18–21; 22/1988, S. 21–22; Kino DDR, Sonderheft II/1988; jeweils mit einigen neutralen Berichten von den Vorführungen; Neues Deutschland vom 28. Oktober 1988, S. 7; mit kurzem Eröffnungsbericht (nicht auf der Titelseite!), vgl. auch folgende Tage und andere Zeitungen und Zeitschriften
  6. DDR-Kulturkampf jetzt auch im Kino, in taz vom 22. November 1988, S. 1–2 Text
  7. Sowjet-Filme in taz vom 18. Oktober 1990, S. 25 Text; auch in Dietmar Hochmuth, Die Maßnahme, in taz vom 10. November 1990, S. 14 Text
  8. Glasnost und Perestroika Archiv Bürgerbewegung (unten); der Aufruf vom Friedenskreis Berlin-Weißensee wurde wenig bekannt.
  9. Neues Deutschland vom 3. November 1989, S. 6 Artikelanfang;