Liste der Gebärdensprachen

Darstellung von ver­schie­denen Gebärden, hier in Ameri­kanischer Gebärden­sprache (ASL) auf einem Wand­fries an einer US-amerika­nischen Gehör­losen­schule

Die Liste der Gebärdensprachen führt die in den Ländern oder Sprachräumen der Erde zumeist verbreiteten Gebärdensprachen auf, die in Gebärdensprachfamilien sowie als Auswahl der bekanntesten heutigen Gebärdensprachen, als historische Gebärdensprachen und als zugehörige Plansprachen oder Pidgin-Sprachen angegeben sind. Die Liste erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit und berücksichtigt auch keine regionalen Gebärdensprachdialekte.

Gebärdensprachen sind die natürlichen Sprachen der Gehörlosen.

Entstehung von Gebärdensprachen

Heute gibt es weltweit etwa 300 Gebärdensprachen.[1] Die genaue Zahl ist nicht bekannt; neue Gebärdensprachen entstehen häufig durch Kreolisierung und Neuentwicklung (und gelegentlich durch Sprachplanung). In einigen Ländern, wie Sri Lanka und Tansania, hat jede Gehörlosenschule möglicherweise eine eigene Sprache, die nur ihre Schüler beherrschen; andererseits gibt es in einigen Ländern[2] gemeinsame Gebärdensprachen, wenn auch manchmal unter unterschiedlichen Namen (in Kroatien und Serbien sowie in Indien und Pakistan[3]). Gebärdensprachen von und für Gehörlose entstehen auch außerhalb von Bildungseinrichtungen, insbesondere in Dorfgemeinschaften[4] mit einem hohen Anteil angeborener Gehörlosigkeit, aber es gibt auch bedeutende Gebärdensprachen, die für Hörende entwickelt wurden, wie die von den australischen Ureinwohnern verwendeten Sprachtabusprachen. Wissenschaftler führen Feldstudien durch, um die Gebärdensprachen der Welt zu identifizieren.

Es wird in drei Abschnitte unterteilt:

  • Gebärdensprachen für Gehörlose (heutige Gebärdensprachen): werden von der Gehörlosengemeinschaften auf der ganzen Welt bevorzugt verwendet; dazu gehören die Dorfgebärdensprachen (auch von der hörenden Gemeinschaft verwendet) sowie die Stadtgebärdensprachen,
  • Plan(gebärden)sprachen (Hilfsgebärdensprachen, historische Gebärden, Pidgin-Sprachen): keine Muttersprachen/Erstsprachen von Gehörlosen, sondern Zeichensysteme unterschiedlicher Komplexität, die neben gesprochenen Sprachen verwendet; ohne einfache Gesten, da sie keine Sprache darstellen,
  • Gebärdenmodi gesprochener Sprachen (manuell kodierte Sprachen/Kontaktgebärden): fungieren als Brücken zwischen Gebärdensprachen und gesprochenen Sprachen.

Jeder Mensch hat, laut Reuschert, die Anlagen dafür eine Art natürliche Gebärdensprache zu verwenden. Im deutschsprachigen Raum spricht man von Zeichensprachen, wenn vorwiegend Hörende ohne viele gesprochene Worte gestikulieren. Gebärdensprachen entstehen immer dann, wenn gehörlose Person über einen längeren Zeitraum hinweg in relativ konstanten sozialen Beziehungen miteinander leben und regelmäßig gebärdensprachlich interagieren. In der Regel bestehen diese Gemeinschaften vorwiegend aus Gehörlosen, aber auch Hörende können natürlich in entsprechenden sozialen Gemeinschaften integriert sein. Das englische Wort sign language kann, je nach Kontext, mit Zeichensprache sowie mit Gebärdensprache übersetzt werden. Die natürlichen Gebärdensprachen entsprechen einer Art pantomimischen Ursprungs und werden auch als Hausgebärden bezeichnet. Im regelmäßigen sozialen Miteinander gehörloser Personen entstehen konventionelle Gebärdensprachen (umgangssprachliche Gebärden/Zeichen). Die künstlichen Gebärdensprachen (z. B. die methodischen Zeichen) sind meistens als Plansprachen hörender Menschen zu verstehen.[5]

Gebärdensprachfamilien

Klassifikation der Gebärdensprachfamilien gemäß Henri Wittmann:[6]

Die Existenz der Lyoner Gebärdensprache (als Ursprung der Belgischen Gebärdensprache) wird angezweifelt. Wegen fehlender Beweise wurde der Sprachcode (lsg) 2017 eingestellt.[7]

Die Website Glottolog bestätigt diese Einteilung weitestgehend.[8][9] Durch die ständige Weiterentwicklung der Website haben sich auch einige weitere Gebärdensprachfamilien etabliert. In der ersten Stufe wird in Plansprachen bzw. historische Gebärdensprachen (übersetzt als Hilfszeichensysteme bei Glottolog bezeichnet), heutige Gebärdensprachen (L1-Gebärdensprachen) und Pidgin-Sprachen eingeteilt. Viele Gebärdensprachen konnten aber auch noch nicht zu Sprachfamilien zugeordnet werden. Für die Gebärdensprachen wurden bisher folgende neue Ober-Gebärdensprachfamilien etabliert:

Heutige Gebärdensprachen

Hier sind einige Gebärdensprachen aufgeführt, wie sie offiziell genannt und wie sie abgekürzt werden. Diese werden so in Fingeralphabet wiedergegeben. Es gibt zahlreiche weitere Gebärdensprachen, deren offizielle Bezeichnung in deren Landessprache nicht bekannt ist.

Deutschsprachiger Raum

Europa

Die Gebärde für „Freund“ in vier verschiedenen Gebärdensprachen, von links:
* Britische Gebärdensprache = British Sign Language (BSL)
* Spanische Gebärdensprache = Lengua de Signos Española (LSE)
* Französische Gebärdensprache = Langue des Signes Française (LSF)
* Katalanische Gebärdensprache = Llengua de Signes Catalana (LSC)

alphabetisch nach den Eigennamen in der jeweiligen Lautsprache geordnet:

Übersee

alphabetisch nach den Eigennamen in der jeweiligen Lautsprache, Umschrift oder englischen wissenschaftlichen Bezeichnung geordnet:

Historische Gebärdensprachen

Plansprachen und Pidgin-Sprachen unter den Gebärdensprachen

Plan(gebärden)sprachen

natürliche/künstliche Gebärdensprachen, nicht überwiegend von tauben/gehörlosen Menschen benutzt:

  • Babygebärden – Gebärden für hörende Babys und Kleinkinder
  • Hausgebärde – gestisches Kommunikationssystem welches spontan von gehörlosen Kindern im häuslichen oder heimatlichen Umfeld erfunden wird, denen sprachliche Mittel fehlen
  • Gestuno † - Plansprache aus ausgewählten Gebärden mit dem Namen aus einer Zusammensetzung aus Geste und UNO
  • Makaton[10] – für Kinder und Erwachsene mit Lernschwächen in Großbritannien
  • Signuno – LBG auf Basis von Esperanto und Gestuno (im Projektstadium)

Gebärdenmodi gesprochener Sprachen

Sprachform von gesprochenen Sprachen als Zeichensprachen:

Pidgin-Sprachen

Sprachen von Gehörlosen, die sich aus nationalen Gebärdensprachen entwickeln:

  • Eurosigns – Bemühungen zur Schaffung einer europäischen Gebärdensprache
  • International Sign – Bemühungen zur Schaffung einer internationalen Gebärdensprache

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. Stephen Parkhurst, Dianne Parkhurst: Introduction to Sign Language survey. In: Notes on Sociolinguistics. 3. Jahrgang, 1998, S. 215–42 (englisch)..
  2. Russell R Aldersson, Lisa J McEntee-Atalianis: A Lexical Comparison of Icelandic Sign Language and Danish Sign Language (= Studies in Applied Linguistics. Nr. 2). Birkbeck, 2007 (englisch, bbk.ac.uk [abgerufen am 10. September 2012])..
  3. James Woodward: The relationship of sign language varieties in India, Pakistan, and Nepal. In: Sign Language Studies. 78. Jahrgang, 1991, S. 15–22 (englisch)..
  4. Julia Ciupek-Reed: Participatory methods in sociolinguistic sign language survey: A case study in El Salvador. University of North Dakota, 2012 (englisch, arts-sciences.und.edu (Memento des Originals vom 26. März 2014 im Internet Archive) [abgerufen am 10. September 2012])..
  5. Unsichtbare Geschichte(n) sichtbar machen: Gehörlose und schwerhörige Menschen im deutschsprachigen Raum vom 19. Jahrhundert bis in die Gegenwart (= Disability History. Nr. 10). 1. Auflage. Campus, Frankfurt/Main 2024, ISBN 978-3-593-51774-2, S. 60–66.
  6. Wittmann, Henri 1991, Classification linguistique des langues signées non vocalement, in Revue québécoise de linguistique théorique et appliquée, Vol. 10, Nr. 1, Seiten 215–288, Online (PDF; 180 kB), abgerufen am 10. Juli 2013
  7. J. Albert Bickford: Request Number 2017-013 for Change to ISO 639-3 Language Code. SIL International, 9. März 2017, abgerufen am 6. Januar 2019 (englisch).
  8. Glottolog 5.0 - Sign Language. Abgerufen am 25. Mai 2024.
  9. Glottolog 5.0 -. Abgerufen am 1. Juni 2024.
  10. Home. Abgerufen am 27. Mai 2024 (englisch).
  11. Glottolog 5.0 - Baraninsky Armenian Sign Language. Abgerufen am 25. Mai 2024.