Hirota Kōki

Hirota Kōki

Hirota Kōki (jap. 広田 弘毅; * 14. Februar 1878; † 23. Dezember 1948 im Sugamo-Gefängnis) war ein japanischer Diplomat und Politiker. Vom 9. März 1936 bis zum 2. Februar 1937 amtierte er als 32. Premierminister von Japan. In drei weiteren Regierungen war er von 1933 bis 1936 sowie von 1937 bis 1938 Außenminister. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde er in den Tokioter Prozessen wegen Kriegsverbrechen angeklagt und zum Tode verurteilt.

Leben

Frühe diplomatische Laufbahn

Hirota Kōki wurde als Sohn eines Steinmetzes in der Präfektur Fukuoka geboren. Er schloss als Jurist sein Studium an der Tōkyō Teikoku Daigaku, der Kaiserlichen Universität Tokio ab. Er trat in das japanische Außenministerium ein, um dort Karriere als Diplomat zu machen. Von 1909 bis 1914 wirkte er als Sekretär in der japanischen Botschaft in London. 1914 wurde er nach Tokio zurückbeordert und zum Abteilungsleiter im Handelsbüro des Außenministeriums ernannt. 1919 entsandte man ihn als ersten Sekretär der japanischen Botschaft nach Washington. Ab 1921 arbeitete Hirota wieder im Außenministerium, zunächst in der neu eingerichteten Abteilung für Information, ab 1923 als Leiter des Büros für europäische und amerikanische Angelegenheiten. 1927 wurde er von Außenminister Shidehara Kijūrō zum Botschafter in den Niederlanden ernannt. Von 1930 bis 1932 war er japanischer Botschafter in der Sowjetunion. 1933 wurde er unter Premierminister Saitō Makoto erstmals Außenminister, kurz nachdem Japan aus dem Völkerbund ausgetreten war. Diesen Posten behielt er auch in der folgenden Regierung unter Okada Keisuke.

Hirota als Premierminister mit den Mitgliedern seines Kabinetts

Premierminister

Als Folge des Putschversuchs vom 26. Februar 1936 wurde Hirota Kōki durch die militaristische Fraktion in der japanischen Regierung zum Premierminister gemacht. An diesem Punkt begannen verschiedene Großmächte (insbesondere die Sowjetunion) die Ansichten der japanischen Regierung und insbesondere deren Forderungen nach nationaler Sicherheit in Zweifel zu ziehen. Hirotas Regierung unterzeichnete mit Billigung der Militärs den Antikomintern-Pakt mit dem Deutschen Reich. Zu seiner Amtszeit als Premierminister wuchs der Einfluss des japanischen Militärs auf die Politik des Landes weiter. Am 2. Februar 1937 wurde Hirota auf Veranlassung japanischer Militärs von Hayashi Senjūrō abgelöst; diesem folgte nach vier Monaten Konoe Fumimaro.

Hirota (vordere Reihe, 3. von links) als Außenminister im Kabinett von Konoe Fumimaro.

Außenminister im Kabinett Konoe

Im Kabinett von Konoe Fumimaro wurde Hirota erneut Außenminister. Die Verbrechen, die während seiner zweiten Amtszeit als Außenminister durch das japanische Militär im Zweiten Japanisch-Chinesischen Krieg verübt wurden, gehörten zu den Hauptgründen, weshalb Hirota Kōki später in den Tokioter Prozessen (1946–1948) angeklagt wurde. Ende des Jahres 1937 waren japanische Truppen in Nanjing einmarschiert und hatten das Massaker von Nanking verübt. Hirota war zwar nicht vom Beginn des Angriffs auf Nanjing in Kenntnis gesetzt worden, hatte aber durch das japanische Militär Informationen über die laufende Ermordung von insgesamt 300.000 Menschen in der Stadt erhalten. Nach Ende des Zweiten Weltkrieges warf man ihm vor, zu diesem Zeitpunkt nichts gegen die Verübung der Verbrechen unternommen zu haben. Aufgrund seiner Opposition gegen den Krieg wurde Hirota 1938 durch das Militär zum Rücktritt gezwungen.

Zweiter Weltkrieg

1945 wurde er noch einmal als Diplomat tätig, als er vergeblich versuchte, die Sowjetunion von einem Kriegseintritt gegen Japan abzubringen. Am 8. August 1945 erklärte die Sowjetunion Japan den Krieg und begann sofort mit der Operation Auguststurm, dem Einmarsch in Mandschukuo, der japanisch besetzten Mandschurei.

Prozess und Hinrichtung

Hirota Kōki bei der Verkündung seines Todesurteils

Am 2. Dezember 1945 erließ General Douglas MacArthur als Supreme Commander for the Allied Powers den Befehl, 59 Personen, darunter Hirota, als mutmaßliche Kriegsverbrecher festzusetzen.[1] Am 15. Januar 1946 wurde Hirota ins Sugamo-Gefängnis überstellt, wo er in den nächsten sechs Wochen vom International Prosecutorial Service unter der Leitung von Joseph B. Keenan verhört wurde. Hirota zeigte sich bei den Verhören kooperativ und bekannte sich zu seiner Verantwortung für die während seiner Amtszeiten als Außen- und Premierminister geschehenen Ereignisse.[2]

Während der Verhöre belastete sich Hirota unwissentlich schwer, indem er sich zu einer ihm vorgehaltenen Rede bekannte, die am 5. September 1937 im japanischen Parlament gehalten worden war. In dieser Rede hieß es: „Die einzige verbleibende Option für das Kaiserreich ist es, so schnell wie möglich der chinesischen Armee einen überwältigenden Schlag zu versetzen, der ihren Willen zu kämpfen bricht.“ Tatsächlich war diese Rede nicht von Hirota, sondern von Premierminister Konoe Fumimaro gehalten worden.[3]

Aufgrund seiner Aussagen wurde Hirota als Kriegsverbrecher der Klasse A eingestuft und zusammen mit 27 weiteren Personen am 29. April 1946 vor dem Internationalen Militärgerichtshof für den Fernen Osten angeklagt. Laut Bert Röling, dem niederländischen Richter, sei die Anklage gegen Hirota auf Anfrage Chinas erhoben worden, das ihn wegen des Massakers von Nanking zur Verantwortung ziehen wollte.[4]

Hirota musste sich in 48 der 55 Anklagepunkte verantworten. Wie alle anderen Angeklagten plädierte er auf „nicht schuldig“. Hirota selbst war nicht davon überzeugt, unschuldig zu sein, und hatte von seinem Verteidiger Hanai Tadashi zu diesem Plädoyer überredet werden müssen. Anschließend äußerte Hirota in den zweieinhalb Jahren bis zum Ende des Prozesses kein Wort mehr und verweigerte eine Zeugenaussage in eigener Sache.[5]

Die Strategie der Verteidiger Hirotas bestand darin, die Schuld für die ihm angelasteten Verbrechen auf das Militär zu schieben. In einem Fall verbot Hirota den Verteidigern jedoch, Dokumente aus seiner Zeit als Premierminister zu seiner Entlastung zu verwenden, da diese den damaligen Befehlshaber der Kwantung-Armee, Itagaki Seishirō, hätten belasten können.[6]

Bei der Anhörung der von Hirotas Verteidigung aufgestellten Entlastungszeugen gelang es dem britischen Ankläger Arthur Comyns Carr mehrfach, diese zu Aussagen zu bewegen, die sich für Hirota nachteilig auswirkten.[7]

Am Ende des Prozesses kam die Mehrheit der Richter in ihrem Urteil zu dem Schluss, dass Hirota, „offensichtlich ein sehr fähiger Mann und ein kraftvoller Führer, teils Urheber, teils Unterstützer der aggressiven Pläne war, die vom Militär und den verschiedenen Regierungen angenommen und ausgeführt wurden.“[8] Der Einwand der Verteidigung, Hirota sei stets um eine diplomatische Lösung der Probleme bemüht gewesen, wurde zurückgewiesen, da er dabei nie daran gedacht habe, japanische Eroberungen oder zu erwartende Eroberungen preiszugeben. Im Zusammenhang mit dem Massaker von Nanking bescheinigten die Richter Hirota „verbrecherische Nachlässigkeit“. Zwar sei erwiesen, dass er nach Eintreffen erster Berichte über die Kriegsverbrechen der Armee bei Heeresminister Sugiyama Hajime Einspruch eingelegt habe, doch habe er es in der Folge unterlassen, diese im Kabinett zur Sprache zu bringen und sofortige Gegenmaßnahmen zu fordern. Als trotz der Zusage des Heeresministeriums, die Ausschreitungen einzudämmen, weitere Berichte über japanische Kriegsverbrechen eintrafen, habe Hirota keine Initiative mehr ergriffen.[9]

Hirota wurde schließlich in folgenden Anklagepunkten schuldig gesprochen:

1.) Beteiligung als Führer, Organisatoren, Anstifter oder Komplizen an der Planung oder Ausführung eines gemeinsamen Plans oder einer Verschwörung zum Führen von Angriffskriegen und eines Kriegs oder Kriegen, die internationales Recht verletzten

27.) Führen eines unprovozierten Krieges gegen China

55.) Vorsätzliche und rücksichtslose Vernachlässigung der Pflicht, angemessene Schritte zur Prävention von Gräueltaten einzuleiten

Am 12. November 1948 wurde Hirota zum Tode durch Erhängen verurteilt.

Hirota war der einzige Zivilist, über den vom Internationalen Militärgerichtshof für den Fernen Osten die Todesstrafe verhängt wurde. Während die elf Richter im Falle der sechs ebenfalls zum Tode verurteilten Generäle sich jeweils mit einer Mehrheit von 7 zu 4 für die Höchststrafe aussprachen, kam Hirotas Urteil lediglich mit der knappen Mehrheit von einer Stimme zustande.[10] Das Richterkollegium gelangte in seinem Fall zu stark voneinander abweichenden Entscheidungen: Für die Todesstrafe stimmten die Richter aus den USA, Großbritannien, China, Kanada, Neuseeland und den Philippinen. Während Henri Bernard (Frankreich) und Radhabinod Pal (Indien) aus verschiedenen Gründen die Rechtmäßigkeit des Tribunals anzweifelten und allgemein gegen eine Verurteilung der Angeklagten stimmten, sprachen sich Iwan Michejewitsch Sarjanow (Sowjetunion) und der Vorsitzende William F. Webb (Australien) dafür aus, Hirota zu einer Haftstrafe zu verurteilen. Bert Röling (Niederlande), der im Falle der sechs Generäle für die Todesstrafe gestimmt und diese auch für drei weitere Offiziere gefordert hatte, befasste sich in seinem abweichenden Sondervotum intensiv mit Hirota und gelangte zu der Ansicht, dass dieser freizusprechen sei: „Die Schritte, die Hirota unternahm, so schicksalhaft sie sich auch auf die Zukunft Japans und der Welt ausgewirkt haben, fallen nicht in den Bereich konkreter Planungen von Angriffskriegen.“[11]

In Bezug auf das Massaker von Nanking argumentierte Röling, dass dem Gericht niemals ein konkreter Zeitpunkt mitgeteilt werden konnte, wann Hirota erfahren hatte, dass sein Einspruch bei Sugiyama folgenlos geblieben sei. Er könne somit nicht in Verbindung mit den Ereignissen in Nanking verurteilt werden.[12]

Unmittelbar nach der Verurteilung riefen Anhänger Hirotas eine Petition ins Leben, um eine Reduktion des Strafmaßes zu erwirken. Insgesamt kamen 29.985 Unterschriften zustande.[13] Auch namhafte Politiker wie Shidehara Kijūrō and Matsudaira Tsuneo setzten sich für sein Leben ein. Dem steht Hirotas Warnung an seinen Sohn Masao gegenüber, sich nicht für eine mildere Bestrafung einzusetzen.[14]

In einem letzten Versuch, die Hinrichtung zu verhindern, appellierten Hirotas Anwälte gemeinsam mit dem ebenfalls zum Tode verurteilten General Doihara Kenji an den Obersten Gerichtshof der Vereinigten Staaten. In ihrer Eingabe bestritten sie die Rechtmäßigkeit der Einrichtung des Internationalen Militärgerichtshofs für den Fernen Osten durch General Douglas MacArthur, da dieser dabei nicht nach den in den USA üblichen Regeln vorgegangen sei und dadurch die US-Verfassung verletzt habe.[15] Die Klage wurde vom Obersten Gerichtshof der USA am 20. Dezember 1948 mit der Begründung abgewiesen, dass die Kläger nicht als unter der Kontrolle der Vereinigten Staaten stehend angesehen werden können. Sie seien nicht durch die US-Verfassung geschützt und unterlägen daher nicht der Gerichtsbarkeit der Vereinigten Staaten, da der Internationale Militärgerichtshof für den Fernen Osten als eine Institution der „Alliierten Streitkräfte“ eingerichtet wurde.

Am 23. Dezember 1948 wurden Hirota und die übrigen zum Tode Verurteilten kurz nach Mitternacht im Sugamo-Gefängnis hingerichtet.[16]

Rezeption

Die Entscheidung des US Supreme Court, Hirotas Klage abzuweisen, wurde später als Präzedenzfall Hirota v. MacArthur in weiteren Fällen herangezogen, in denen Personen, die vom US-Militär im Ausland festgehalten wurden, sich vergeblich auf Rechtsschutz durch die Vereinigten Staaten beriefen.   

Das Todesurteil gegen Hirota wurde oft als zu hart kritisiert, da man ihn als machtlos innerhalb der durch das Militär bestimmten Regierung ansah.[17] Selbst der Chefankläger des Internationalen Militärgerichtshofs, Joseph B. Keenan, war der Ansicht, dass Hirota höchstens zu lebenslanger Haft hätte verurteilt werden sollen.[18] Noch heute wird Hirotas Name erwähnt, wenn in Japan die Tokioter Prozesse als "Siegerjustiz" debattiert werden.[19] Generell wird er oft als ein Minister dargestellt, der dem Krieg kritisch gegenüberstand, aber dem Druck des Militärs nicht widerstehen konnte. Er ist auch die Hauptfigur des Romans und Dramas "Rakujitsu moyu" ("The Setting Sun Burns") von Shiroyama Saburō.[20][21]

Literatur

  • Saburo Shiroyama: War Criminal. The Life and Death of Hirota Koki. Kodansha International 1977, ISBN 0-87011-368-2.
  • Ryuji Hattori: War and Diplomacy in Modern Japan. Prime Minister Kōki Hirota and His Times. Springer 2025, ISBN 978-981-96-5309-6.
  • S. Noma (Hrsg.): Hirota Kōki. In: Japan. An Illustrated Encyclopedia. Kodansha, 1993, ISBN 4-06-205938-X, S. 541-
  • Hunter, Janet: Hirota Kōki. In: Concise Dictionary of Modern Japanese History. Kodansha International, 1984. ISBN 4-7700-1193-8.
Commons: Hirota Kōki – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Hattori, S. 159.
  2. Hattori, S. 162.
  3. Hattori, S. 162.
  4. Hattori, S. 163.
  5. Hattori, S. 164.
  6. Hattori, S. 170.
  7. Hattori, S. 169–172.
  8. INTERNATIONAL MILITARY TRIBUNAL FOR THE FAR EAST. Judgment of 4 November 1948. In: ICC Legal Tools Database. S. 49,789, abgerufen am 29. August 2025 (englisch): „Thus during his tenure of office HIROTA, apparently a very able man and a forceful leader, was at times the originator and at other times a supporter of the aggressive plans adopted and executed by the military and the various Cabinets.“
  9. INTERNATIONAL MILITARY TRIBUNAL FOR THE FAR EAST. Judgment of 4 November 1948. In: ICC Legal Tools Database. S. 49,791, abgerufen am 29. August 2025 (englisch).
  10. Hattori, S. 179.
  11. Bert Röling: Opinion of Mr. Justice Roling, Member for the Netherlands. In: ICC Legal Tools Database. S. 195, abgerufen am 29. August 2025 (englisch).
  12. Bert Röling: Opinion of Mr. Justice Roling, Member for the Netherlands. In: ICC Legal Tools Database. S. 220, abgerufen am 29. August 2025 (englisch).
  13. 戦争責任・戦後責任: 日本とドイツはどう違うか 粟屋憲太郎 朝日新聞出版, 1994 - 272 ページ
  14. Hattori, S. 180.
  15. Shiroyama, S. 293–295.
  16. Hattori, S. 182.
  17. Siehe Hunter: Hirota Kōki.
  18. Shiroyama, S. 289.
  19. 戦争責任・戦後責任: 日本とドイツはどう違うか 粟屋憲太郎 朝日新聞出版, 1994 - p272
  20. テレビ朝日開局50周年記念ドラマスペシャル「落日燃ゆ」
  21. 【書評】軍部と闘った悲劇の宰相:城山三郎著『落日燃ゆ』