Im Rußland und in der Kuhweide bei Lindheim
Koordinaten: 50° 16′ 49″ N, 8° 58′ 58″ O
Das Naturschutzgebiet Im Rußland und in der Kuhweide bei Lindheim liegt auf dem Gebiet der Gemeinden Altenstadt und Limeshain im Wetteraukreis in Hessen.
Das ursprünglich etwa 220 ha große Gebiet, das im Jahr 1984 unter der Kennung 1440014 unter Naturschutz gestellt wurde, erstreckt sich südlich von Lindheim, einem Ortsteil der Gemeinde Altenstadt, und nördlich von Hainchen, einem Ortsteil der Gemeinde Limeshain. Durch das Gebiet hindurch verläuft die Landesstraße L 3191, am nordwestlichen Rand die B 521 und am westlichen Rand die A 45. Durch das Gebiet hindurch fließt der Seemenbach, der in die am nordwestlichen Rand fließende Nidder mündet.
Im Mai 2023 wurde eine neue Verordnung über das Naturschutzgebiet „Im Rußland und in der Kuhweide bei Lindheim“ vorgelegt und dabei auch die Gebietsgrenzen neu festgelegt. Das Naturschutzgebiet ist demnach 249,50 ha groß. Zweck der Unterschutzstellung ist es, die großen zusammenhängenden Grünlandflächen des mittleren Niddertals mit ihren naturnahen Auenbereichen als Lebensraum geschützter Tier- und Pflanzenarten zu erhalten, zu entwickeln und wiederherzustellen.[1]
Das Naturschutzgebiet ist zusätzlich Teilgebiet des FFH-Gebietes „Grünlandgebiete in der Wetterau“ sowie des „Vogelschutzgebietes Wetterau“. Das Gebiet zeichnet sich als Verbund großflächiger, wenig zerschnittener Landschaftsräume mit natürlicher Auendynamik aus. Es hat Bedeutung für viele feuchtgebundene FFH-Lebensraumtypen und -Arten, welche von einer vom Menschen geprägten halbnatürlichen Kulturlandschaft abhängen. Das Gebiet wird wesentlich durch einen Offenlandcharakter geprägt, in dem großflächig Grünland verschiedener Feuchtestufen je nach Standort die Basis bildet. Eine möglichst kleinflächige Nutzungsvielfalt z. B. durch Beweidung fördert den Lebensraum für die zahlreichen Arten. Naturnahe Teiche und Tümpel stellen diverse Lebensräume dar, die durch den Offenlandcharakter besonnt sind und somit vielen FFH relevanten Amphibien Lebensgrundlage bieten. Die Nidder, der Seemenbach und das extensiv genutzte Grünland sind strukturreiche und dynamische Lebensräume. Der vorherrschende Lebensraumtyp im Naturschutzgebiet sind Magere Flachland-Mähwiesen.[2]
Flora und Fauna
Bedeutung für Brut- und Rastvögel
Das Naturschutzgebiet ist ein bedeutendes Brutgebiet für gefährdete Vogelarten. Der Große Brachvogel findet hier eines seiner letzten Vorkommen in ganz Hessen.[3] Sehr stark profitiert von zahlreichen Naturschutzmaßnahmen in der jüngeren Vergangenheit, insbesondere der Anlage von Kleingewässern, haben beispielsweise die Bestände von Weißstorch und Graugans. Für den Wiesenpieper war das Naturschutzgebiet einst das bedeutendste Brutgebiet im Wetteraukreis, allerdings ist sein Brutbestand stark zurückgegangen.[4] Neben regelmäßigen Brutzeit-Nachweisen des Wachtelkönigs[5] fand im Naturschutzgebiet auch eine der letzten bestätigten erfolgreichen Bruten der Uferschnepfe in Hessen statt.[6] Weitere regelmäßige Brutvögel im Gebiet sind Schwarzkehlchen, Schafstelze, Feldschwirl und Eisvogel; Grauammer, Kiebitz und Wachtel treten unregelmäßig auf, während die Bestände von Bekassine und Rebhuhn mittlerweile erloschen sind. Braunkehlchen als ebenfalls typische Wiesenvogelart brüten nicht im Gebiet, sind aber regelmäßige Durchzügler.
Das Naturschutzgebiet ist regelmäßiges und bedeutendes Rastgebiet des Kranichs. Im Winterhalbjahr überschwemmte Wiesen dienen zahlreichen Wasservögel wie Löffelente, Krickente und Pfeifente als Rastgebiete. Watvogelarten wie Zwergschnepfe, Waldwasserläufer und Grünschenkel treten ebenfalls als Gäste auf.
Bedeutung für Amphibien
Im Zuge der Bestandszunahme in den Schwerpunktvorkommen im Wetteraukreis[7] in der Horloffniederung und entlang der Tallagen von Nidder und Nidda konnte der Laubfrosch aus eigener Kraft in den frühen 2000er Jahren das Naturschutzgebiet Im Rußland und in der Kuhweide bei Lindheim wiederbesiedeln, nachdem dort zahlreiche Kleingewässern angelegt wurden.
Bedeutung für Insekten
Das Naturschutzgebiet beherbergt ein Vorkommen der gefährdeten Schmetterlings-Art Dunkler Wiesenknopf-Ameisenbläuling.[8] Diese Art bewohnt frische bis feuchte, offene, meist etwas verbrachte Standorte mit Vorkommen des Großen Wiesenknopfs und der Roten Knotenameise (Myrmica rubra). Sie pflegt eine enge Beziehung zum Großen Wiesenknopf, dessen Blüten als Nahrungsquelle, Schlaf- und Ruheplatz sowie zur Balz, Paarung und Eiablage dienen. Als Raupe frisst er zunächst an den Blüten des Großen Wiesenknopfs, lässt sich aber nach der dritten Häutung von der Pflanze fallen und von der Roten Knotenameise in ihr Nest tragen. Dort verbringt er die Zeit bis zu seiner Verwandlung zum Schmetterling im nächsten Sommer und ernährt sich währenddessen von Ameisenbrut.[9]
Bedeutung für Säugetiere
Im Bereich des Seemenbachs hat sich ein Vorkommen des Bibers etabliert.[10]
Botanische Bedeutung
Im Naturschutzgebiet kommen unter anderem Arten wie das Sumpf-Weidenröschen, Schmalblättriger Hornklee, Großer Wasserfenchel, Großer Merk, Sumpf-Sternmiere, Wasser-Greiskraut und das Breitblättrige Knabenkraut vor.[2]
Pflegemaßnahmen
Das Forstamt Nidda hat in Zusammenarbeit mit weiteren Behörden und Verbänden eine Vielzahl an Lebensraum verbessernden Maßnahmen durchgeführt, u. a. die Anlage, Pflege und Wiederherstellung einer Vielzahl von Kleingewässern[11] und die Mahdgutübertragung zur Wiederherstellung von Pfeifengraswiesen[12]. Zur Förderung des Wiesenpiepers wurden im Bereich der Gemeinde Limeshain gezielt Altgrasstreifen angelegt.[13]
Siehe auch
Weblinks
- Im Rußland und in der Kuhweide bei Lindheim in der World Database on Protected Areas (englisch)
Einzelnachweise
- ↑ Verordnung über das Naturschutzgebiet „Im Rußland und in der Kuhweide bei Lindheim“. In: Regierungspräsidium Darmstadt (Hrsg.): Staatsanzeiger für das Land Hessen. Nr. 21, 22. Mai 2023, S. 693–695.
- ↑ a b Regierungspräsidium Darmstadt - Obere Naturschutzbehörde (Hrsg.): Bewirtschaftungsplan für das FFH-Gebiet 5619-306 „Grünlandgebiete in der Wetterau“ Teilgebiet „Im Russland und Kuhweide Lindheim“ sowie die angrenzenden Flächen des Vogelschutzgebietes Wetterau 5519-401. 23. September 2013.
- ↑ Josef Tiefenbach, Frank Uwe Pfuhl: Naturschutzgebiet "Im Rußland und in der Kuhweide bei Lindheim". Hrsg.: Regierungspräsidium Darmstadt und Forstamt Nidda. 1. Auflage. Dezember 2008.
- ↑ Lars Wichmann, Gerd Bauschmann: Artenhilfskonzept für den Wiesenpieper (Anthus pratensis) in Hessen. Gutachten der Staatlichen Vogelschutzwarte für Hessen, Rheinland-Pfalz und das Saarland. Friedberg 12. April 2015, S. 48.
- ↑ Stefan Stübing, Matthias Hormann: Artenhilfskonzept für den Wachtelkönig (Crex crex) in Hessen. Gutachten im Auftrag der Staatlichen Vogelschutzwarte für Hessen, Rheinland-Pfalz und das Saarland. Bad Nauheim 8. Juli 2024, S. 13; 21.
- ↑ Matthias Korn, Josef Kreuziger, Axel Norgall, Hanns-Jürgen Roland, Stefan Stübing: Ornithologischer Jahresbericht für Hessen 2 (2000). In: Zeitschrift für Vogelkunde und Naturschutz - Vogel und Umwelt. Band 12, 2001, S. 155.
- ↑ B.T. Hill, R. Polivka: Artenhilfskonzept Laubfrosch (Hyla arborea) in Südhessen - Aktuelle Verbreitung und Maßnahmenvorschläge. Gutachten im Auftrag von Hessen_Forst FENA. Hrsg.: Bioplan Marburg. Marburg 2009, S. 18.
- ↑ Arbeitsgemeinschaft Maculinea: Büro für ökologische Gutachten Benno v. Blanckenhagen, Planungsbüro Wenzel und Andreas C. Lange: Gutachten zum Landesstichprobenmonitoring 2020 des Dunklen und Hellen Wiesenknopf-Ameisenbläulings (Maculinea nausithous und Maculinea teleius; Arten der Anhänge II und IV der FFH-Richtlinie) in den Naturräumlichen Haupteinheiten D39, D40, D41, D53 und D55 in Hessen. 25. Januar 2021, S. 53–54.
- ↑ Wiesenknopf-Ameisenbläuling | Steckbrief. Abgerufen am 23. Mai 2025.
- ↑ Der Biber als unkomplizierter Verwalter. 4. Februar 2015, abgerufen am 23. Mai 2025.
- ↑ Der Kreisausschuss des Wetteraukreises (Hrsg.): Naturschutzbericht 2010/2011 für den Wetteraukreis. Friedberg März 2012, S. 59.
- ↑ Der Kreisausschuss des Wetteraukreises (Hrsg.): Naturschutzbericht 2012/2013 für den Wetteraukreis. Friedberg Januar 2014, S. 44.
- ↑ Der Kreisausschuss des Wetteraukreises (Hrsg.): Naturschutzjahresbericht 2004/2005 für den Wetteraukreis. Friedberg Februar 2006, S. 50.


