Hugo Gernsback

Hugo Gernsback, geboren als Hugo Gernsbacher (* 16. August 1884 in Luxemburg (Stadt); † 19. August 1967 in New York City), war ein US-amerikanischer Radiotechniker,[1] Verleger und Science-Fiction-Autor.[2]
Leben
Gernsback (ursprünglich Gernsbacher) wurde im Stadtteil Bonneweg der luxemburgischen Hauptstadt geboren. Er studierte drei Jahre lang Mathematik und Elektrotechnik am Technikum in Bingen[3]:63 (heute Technische Hochschule Bingen). 1904 wanderte er in die USA aus.[3]:63 Er heiratete dreimal: Rose Harvey 1906, Dorothy Kantrowitz 1921, Mary Hancher 1951.
Technische Erfindungen und Visionen
1924 schlug Gernsback eine Methode zur Konservierung von Leichen vor, über die das Magazin Science and Invention berichtete. Die Körper der Toten sollten mittels Galvanisierung mit einer Metallschicht überzogen werden, um die Umrisse des Körpers, die Gesichtszüge und sogar die Haare der Nachwelt zu erhalten. Das Verfahren hatte er angeblich an einem größeren Fisch erfolgreich getestet: „Das Innere des Fisches wurde ausgenommen, dann wurde die Eingeweidehöhle mit Wachs gefüllt, der Fisch getrocknet und schließlich mit Graphit bestrichen, um ihn elektrisch leitend zu machen. Darauf wurde er in einem Bad verkupfert, und zwar derart, daß jede Schuppe und Flosse deutlich erhalten blieb. Keine Einzelheit ging verloren. Nachträglich wurde dann der Kupferfisch noch versilbert.“[4]
Ebenfalls 1924 hatte er die Idee, ferngesteuerte Flugzeuge mit Fernsehkameras auszurüsten.[5] 1925 erfand Hugo Gernsback eine neue Schaltung für Rundfunkempfänger, den Interflex.[6][7] Im gleichen Jahr prophezeite er in seinem Artikel „Radio im Jahre 1935“, dass zu diesem Zeitpunkt „Fernsehen und Hörempfang innig verbunden sein werden und trotzdem die Handhabung eines derartigen Apparates äußerst einfach sein wird. Auch mehr Stationen als jetzt wird man im selben Wellenbereich unterbringen können, ohne daß sie sich gegenseitig stören.“[8]
1925 gründete Gernsback den Rundfunksender WRNY. Als Abstimmhilfe strahlte der Sender vor Beginn des Programms sowie während der Pausen „einen eigenartigen flötenartigen Ton oder vielmehr drei deutlich zu unterscheidende Töne in rascher Aufeinanderfolge“ aus, welche das Staccaton-Abstimmsignal bildeten.[9] WRNY sendete auch als erster Rundfunksender der Welt ein Zeitsignal zur automatischen Übertragung der aktuellen Uhrzeit.[10]
Außerdem war er an der Ausstrahlung von Fernsehsendungen beteiligt. Aus dem Jahre 1925 stammt Gernsbacks Vorschlag eines „Radio-Polizisten“, um „bei Zusammenrottungen die Massen im Zaume zu halten, ohne ihnen, wie das beim Einsetzen der bewaffneten Macht der Fall sein kann, Schaden an Leib und Leben zuzufügen“.[11]
Hugo Gernsback hatte im Jahre 1927 die Idee, eine Funkverbindung für die Kommunikation zwischen zwei weit entfernten Punkten auf der Erde herzustellen, indem der Mond als passiver Reflektor verwendet wird.[12] Damit kann er als Erfinder der Erde-Mond-Erde-Verbindung gelten, die erst nach dem Zweiten Weltkrieg in den USA technisch realisiert wurde.
1927 schlug er ein „Radioklavier“ vor, bei dem die Töne durch Elektronenröhren erzeugt und damit frei von Obertönen sein sollten.[13] Damit ist Gernsback auch einer der Väter der Elektronischen Orgel.[14]
Bereits 1936 schwebten Gernsback Teleyglasses vor, die heute als Virtual-Reality-Headset verbreitet sind. Er hielt sie zunächst für nicht technisch umsetzbar. Erst Anfang der 1960er Jahre hielt er Television Eyeglasses für 3D-Film auf Grundlage miniaturisierter Braunscher Röhren für realisierbar.[3]:68
1945 hatte Hugo Gernsback die Vision, Rundfunkgeräte mit Radionuklidbatterien auszustatten, um sie jahrzehntelang ohne externe Stromversorgung betreiben zu können.[15]
1949 konstruierte Gernsback eine sehr wirksame Innenantenne für den Fernsehempfang.[16]
1951 hatte er die Idee für Heiratsvermittlung mit Hilfe eines Computers (Electronic Mating), was im Internet heute als Matching Realität ist.[3]:63
Im Jahr 1954 sah er Telemedizin voraus (von ihm Teledoctoring genannt), bei dem ein Patient mittels einer Kombination von Bildschirm und Kamera einen Arzt von zu Hause aus konsultieren konnte.[3]:63
Gernsback war auch ein Erfinder und erwarb 80 Patente. So erfand er eines der ersten elektronischen Musikinstrumente unter der Verwendung von Oszillatoren, das Staccatone.
Wirken als Autor und Herausgeber
Gernsback gab 1926 die Zeitschrift Amazing Stories heraus und hat damit das moderne Genre der Science-Fiction-Literatur begründet. Zudem begründete er den Begriff Science Fiction.[17] Deren wichtigster Illustrator wurde der gebürtige Wiener Frank R. Paul. Gernsback spielte auch bei der Begründung des Science Fiction Fandom eine Schlüsselrolle, indem er in seinen Zeitschriften die Adressen von Leserbriefschreibern veröffentlichte.
Gernsback schrieb auch selbst Science-Fiction, einschließlich des Romans Ralph 124C 41+, den er erstmals von April 1911 bis März 1912 in seinem Magazin Modern Electrics veröffentlichte. Der Titel des Romans lautet, auf Englisch gesprochen, „Ralph one two four c four one“, was man auch verstehen kann als „Ralph, one to foresee for one“. Das bedeutet auf Deutsch: „Ralph, einer der für uns in die Zukunft schaut“. Sein Werk wird allgemein aufgrund der Vielfalt seiner Ideen als lesenswert angesehen, weniger wegen seiner literarischen oder erzählerischen Qualität.
Ehrungen
Der Science-Fiction-Achievement-Preis, der jedes Jahr aufgrund der Abstimmung von Mitgliedern der World Science Fiction Society verliehen wird, wurde nach Gernsback Hugo benannt. 1970 wurde ein Mondkrater nach ihm benannt.[18] Gernsback wurde 1996 in die Science Fiction and Fantasy Hall of Fame aufgenommen.
Nach Hugo Gernsbach ist eine Straße im Luxemburger Geschäfts- und Bankenviertel Kirchberg-Plateau benannt, die Rue Hugo Gernsback (1855 Kirchberg-Plateau, Luxemburg). Auch die dortige Bushaltestelle trägt seinen Namen (Karte).
Trivia
- Im Videospiel Mass Effect 2 ist der Name eines abgestürzten Raumschiffes Hugo Gernsback.[19]
- Im 1967 produzierten französisch-italienischen Film Der Teufelsgarten von Yves Boisset mit Claudio Brook und Klaus Kinski heißt ein die Weltzerstörung anstrebender Wissenschaftler Hugo Gernsback.[20]
- Gernsback äußerte 1953 die Ansicht, in Zukunft werde die Sprache „knapper, gedrängter werden, mit weit weniger Wörtern auskommen […], darunter aber vielen neuen, wie permadollar (wertbeständiger Dollar), Geopolis (Name der Erdhauptstadt)“.[21]
- Gernsback sprach fließend Deutsch, Französisch, Englisch sowie Luxemburgisch.[3]:62
Werke
Romane
- The Scientific Adventures of Baron Münchausen (1915, 2006)
- Ralph 124C 41+: A Romance of the Year 2660 (1925)
- Ralph 124C 41+. Deutsch von Eugen Müller-Frantz. Heyne, München 1973 (Heyne-Bücher 3343).
- Ultimate World (1971, postum)
- Invasion 1996. Deutsch von Fritz Steinbeck. Heyne, München 1973 (Heyne-Bücher 3351).
Essaysammlungen
- Evolution of Modern Science Fiction (1952)
- Hugo Gernsback: A Man Well Ahead of His Time (2007, hrsg. von Larry Steckler)
- The Perversity of Things: Hugo Gernsback on Media, Tinkering, and Scientifiction (2016)
Zeitschriftenartikel
- Wie verfertige ich einen Radio-Tänzer? Eine Radiospielerei für Weihnachten. In: Österreichischer Radio-Amateur. Das gesamte Radiowesen in Wort und Bild, Jahrgang 1925, S. 309–311 (online bei ANNO).
- Die Interflex-Schaltung. In: Radiowelt. Illustrierte Wochenschrift für Jedermann, Heft 35/1925, S. 12–14 (online bei ANNO). (Mit Foto von Hugo Gernsback.)
- Der rückgekoppelte Interflex-Empfänger. In: Österreichischer Radio-Amateur. Das gesamte Radiowesen in Wort und Bild, Jahrgang 1926, S. 26–32 (online bei ANNO).
- „Drahtloses“ Tanzen bei Radiomusik. In: Österreichischer Radio-Amateur. Das gesamte Radiowesen in Wort und Bild, Jahrgang 1926, S. 162–164 (online bei ANNO).
- Das Detektorium. In: Österreichischer Radio-Amateur. Das gesamte Radiowesen in Wort und Bild, Jahrgang 1926, S. 565–566 (online bei ANNO).
- Ist ein drahtloser Verkehr mit den Planeten möglich?. In: Österreichischer Radio-Amateur. Das gesamte Radiowesen in Wort und Bild, Jahrgang 1927, S. 225–229 (online bei ANNO).
- Der »Zeitautomat«. In: Radiowelt. Illustrierte Wochenschrift für Jedermann, Heft 22/1927, S. 9 (online bei ANNO).
- Der „Peridyne“-Fünfröhrenempfänger. In: Österreichischer Radio-Amateur. Das gesamte Radiowesen in Wort und Bild, Jahrgang 1928, S. 109–115 (online bei ANNO).
Literatur
- Biografien
- Luc Henzig (Hrsg.): Hugo Gernsback, an amazing story: 1884 Luxembourg–1967 New York. Centre National de Littérature 27 octobre 2010-18 mars 2011. Ausstellungskatalog. Centre National de Littérature, Mersch 2010, ISBN 978-2-919903-21-4.
- Franz Pichler: Hugo Gernsback und seine technischen Magazine: von „Science Facts“ zu „Science Fiction“ und „Cold Facts“: Zum Leben und zum Werk eines ungewöhnlichen Luxemburgers in den USA. Trauner, Linz 2013, ISBN 3-99033-164-7.
- Harald Sack: The Man Who Invented Science Fiction–Hugo Gernsback. 2019. (scihi.org/science-fiction-hugo-gernsback, abgerufen am 12. Februar 2024)
- Gary Westfahl: Hugo Gernsback and the Century of Science Fiction. McFarland, Jefferson, North Carolina 2007 (Critical explorations in science fiction and fantasy; 5), ISBN 0-7864-3079-6).
- Artikel
- Hans Joachim Alpers, Werner Fuchs, Ronald M. Hahn: Reclams Science-fiction-Führer. Reclam, Stuttgart 1982, ISBN 3-15-010312-6, S. 170 f.
- Hans Joachim Alpers, Werner Fuchs, Ronald M. Hahn, Wolfgang Jeschke: Lexikon der Science Fiction Literatur. Heyne, München 1991, ISBN 3-453-02453-2, S. 475–477.
- Mike Ashley, Robert A. W. Lowndes: The Gernsback Days: A Study in the Evolution of Modern Science Fiction from 1911 to 1936. Wildside Press, Holicong, Pennsylvania 2004.
- Peter von Bechen: Hugo Gernsback – Der Mann, der die Zukunft erfand. In: Funkgeschichte Heft 208 (2013), S. 40–49.
- Frederic Krome: „Will the Germans Bombard New York?“ Hugo Gernsback and the Future War Tale. In: The Journal of Military History, Bd. 86 (2022), Nr. 1, S. 54–76.
- Richard A. Lupoff: Gernsback, Hugo. In: Noelle Watson, Paul E. Schellinger: Twentieth-Century Science-Fiction Writers. St. James Press, Chicago 1991, ISBN 1-55862-111-3, S. 310–312.
- George Mann: The Mammoth Encyclopedia of Science Fiction. Robinson, London 2001, ISBN 1-84119-177-9, S. 146 f.
- Sam Moskowitz: Hugo Gernsback: ‚Father of Science Fiction‘. In: (ders.): Explorers of the Infinite: Shapers of Science Fiction. World Publishing, Cleveland, Ohio 1963.
- Donald H. Tuck: The Encyclopedia of Science Fiction and Fantasy through 1968. Advent, Chicago 1974, ISBN 0-911682-20-1, S. 184 f.
- Gary Westfahl: Gernsback, Hugo. In: John Clute, Peter Nicholls: The Encyclopedia of Science Fiction. 3. Auflage (Online-Ausgabe), Version vom 4. April 2017.
- Barnum of the Space Age. The Amazing Hugo Gernsback, Prophet of Science. In: Life. Band 55, Nr. 4, 26. Juli 1963, S. 62–68 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche [abgerufen am 8. Juli 2025]). (Mit Fotos u. a. von Hugo Gernsback.)
Filme
- Tune Into The Future; ein Dokumentarfilm von Eric Schockmel von 2020 über das Leben von Hugo Gernsback[22]
Weblinks
- Literatur von und über Hugo Gernsback im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Hugo Gernsback in der Internet Speculative Fiction Database (englisch)
- Hugo Gernsback in der Science Fiction Awards+ Database
- Werke von Hugo Gernsback bei Open Library
- Hugo Gernsback in Fantastic Fiction (englisch)
Einzelnachweise
- ↑ Das Staccatone, ein neues Instrument für Sendeintervalle. In: Radiowelt / Radiowelt. Illustrierte Wochenschrift für Jedermann, Heft 9/1927, S. 8 (online bei ANNO).
- ↑ Georg Patzer: Vater der Science-Fiction. Erfinder, Unternehmer, Autor: Karlsruhe erinnert an Hugo Gernsback. In: Jüdische Allgemeine. 22. Juli 2013, abgerufen am 23. August 2021.
- ↑ a b c d e f Barnum of the Space Age. The Amazing Hugo Gernsback, Prophet of Science. In: Life. Band 55, Nr. 4, 26. Juli 1963
- ↑ Unsterblichkeit um 1200 Mark. Die Mumien des 20. Jahrhunderts. In: Neues Wiener Journal, 30. August 1924, S. 5 (online bei ANNO).
- ↑ Neue Wunder der Technik. Drahtloses Fernsehen. In: Neues Wiener Tagblatt. Demokratisches Organ, 14. Dezember 1924, S. 28 (online bei ANNO).
- ↑ Der „Interflex“. Eine neue amerikanische Empfangsschaltung. In: Illustrierte Technik für jedermann, Heft 11/1925, S. 166 (online bei ANNO). (Mit Schaltbild und Abbildung eines realisierten Empfänger-Chassis.)
- ↑ Der „Interflex“. Eine neue amerikanische Empfangsschaltung. In: Illustrierte Technik für jedermann, Heft 11/1925, S. 174 (online bei ANNO). (Fortsetzung.)
- ↑ Zeitschriftenschau von „Radio-Wien“. In: Radio Wien, 20. September 1925, S. 9 (online bei ANNO).
- ↑ Alfred Gradenwitz: Das Staccaton. In: Illustrierte Technik für jedermann, Heft 11/1925, S. 407 (online bei ANNO).
- ↑ Der »Zeitautomat«. In: Radiowelt. Illustrierte Wochenschrift für Jedermann, Heft 22/1927, S. 9 (online bei ANNO).
- ↑ Der Radio-Polizist (Bildunterschrift). In: Illustrierte Technik für jedermann, Heft 7/1925, S. 108 (online bei ANNO). (Mit Abbildungen.)
- ↑ Ist ein drahtloser Verkehr mit den Planeten möglich?. In: Österreichischer Radio-Amateur. Das gesamte Radiowesen in Wort und Bild, Jahrgang 1927, S. 228 (online bei ANNO). (Mit Abbildung.)
- ↑ Das Radioklavier. In: Das Kleine Blatt, 23. August 1927, S. 10 (online bei ANNO).
- ↑ Das Radioklavier. In: Das Kleine Blatt, 23. August 1927, S. 10 (online bei ANNO).
- ↑ Kurt Karl Doberer: Zwanzig-Jahr-Radio. In: Radio Wien, 3. Juli 1954, S. 25 (online bei ANNO).
- ↑ Eine Innenantenne für Fernsehempfang. In: Österreichischer Radio-Amateur. Das gesamte Radiowesen in Wort und Bild / Österreichischer Radio-Amateur. Radiotechnische Monatsschrift / Österreichischer Radio-Amateur. Monatsschrift für Radio Tonfilm Fernsehen / Österreichischer Radio-Amateur. Monatsschrift für Radio Tonfilm und Fernsehen / Österreichischer Radio-Amateur. Zeitschrift für Hochfrequenztechnik, Heft 11/1949, S. 667 (online bei ANNO).
- ↑ Die Migration lässt Luxemburg florieren. In: luxembourg.public.lu, abgerufen am 26. Januar 2024.
- ↑ Hugo Gernsback im Gazetteer of Planetary Nomenclature der IAU (WGPSN) / USGS
- ↑ MSV Hugo Gernsback. In: Mass Effect Wikia. 9. Juni 2019, abgerufen am 23. August 2021.
- ↑ Ronald M. Hahn, Volker Jansen: Lexikon des Science Fiction-Films. Heyne, München 1997, ISBN 3-453-11860-X, S. 894.
- ↑ Zukunftssprache?. In: Arbeiter-Zeitung, 27. September 1953, S. 9 (online bei ANNO).
- ↑ Review: Tune into the Future. 17. März 2020, abgerufen am 20. Februar 2025 (englisch).