Georg Wendler

Georg Wendler (* 1619 in Burglengenfeld; † 4. November 1688 in Regensburg) war ein deutscher Rechenmeister.
Er hatte einen älteren Bruder gleichen Namens[1] (* 1616/18 in Burglengenfeld; † 30. November 1688 in Regensburg), der in Regensburg (Bürgereid 11. Dezember 1655) als Visierer (Eichmeister für Fassmessung) tätig war.[2]
Leben und Werk
Wendlers Eltern waren der Taglöhner und Bürger Hans Wendler († 25. Mai 1644 in Regensburg) und seine Ehefrau Elisabeth († 29. Januar 1665 in Regensburg).[3] Er bekam seine Ausbildung in Arithmetik beim Nürnberger Rechenmeister Ulrich Hofmann (* 28. Mai 1610 in Nürnberg; † 22. September 1682 in Nürnberg) und in Geometrie beim Altdorfer Professor Abdias Treu. Am 30. September 1646 legte er in Nürnberg die Rechenmeisterprüfung ab und eröffnete 1647 eine Schreib- und Rechenschule in Regensburg.[4] Am 22. Mai 1655 heiratete er Eva Teuteberger und wurde am 30. Juli 1655 Bürger von Regensburg.[5]
Wendlers Rechenbuch Arithmetica practica erschien 1667 als explizites Nachfolgewerk der Arithmetica von Johann Kandler.[6] Am Anfang stehen dreizehn Grußadressen, die Wendler zu seinem Werk beglückwünschen. Danach beschrieb er in drei Teilen die Grundrechnungsarten, zahlreiche Themen aus dem kaufmännischen Rechnen und die damalige Algebra (Coss). Ans Ende stellte er ein ungelöstes aufwändiges Buchstaben-Zahlenrätsel mit vierzehn Teilen, von dem keine zeitgenössische Bearbeitung bekannt ist.[7]
Aus Wendlers Nachlass befinden sich zwei mächtige, reich illustrierte, handschriftliche Folio-Bände in München in der Bayerischen Staatsbibliothek. Beide sind wegen der behandelten Themen und der Ausführlichkeit ihrer Darstellung wertvolle mathematikhistorische Dokumente.
Den kleineren Band mit 372 Blättern nannte Wendler Memorialbuch.[8] Er enthält eine Vielfalt von Themen: die ersten sechs Bücher Euklids, übersetzt von Abdias Treu; den Oktant von Heinrich Hofmann (1576–1652), Professor in Jena; Trigonometrie und Vermessungswesen (u. a. mit dem Messtisch von Johannes Praetorius); den Messzirkel von Kaspar Uttenhofer in Nürnberg (incl. Ballistik); Sonnenuhren; Visieren (Fassmessung). Am Schluss sind autobiographische Angaben aus dem Jahr 1646 dokumentiert: Wendlers Prüfungsaufgaben[9] sowie sein Arbeits- und Prüfungszeugnis.[10]
Den zweiten umfangreicheren Band von 707 Blättern betitelte Wendler mit Analysis vel Resolutio.[11] Er bearbeitete darin meist im Druck erschienene Aufgaben von mehr als vierzig Rechenmeistern, u. a. Peter Apian, Nikolaus Beusser, Tobias Beutel, Franz Brasser, Johann Hemeling, Simon Jacob, Johann Kandler, Johannes Krafft, Arnold Möller, Anton Neudörffer, Peter Roth, Sebastian Kurtz, Christoph Rudolff, Michael Stifel, Caspar Schott und Caspar Thierfelder.[12] Zudem enthält diese Handschrift eine wertvolle, sonst nirgends dokumentierte Sammlung von 285 Aufgaben aus der geplanten, aber nie gedruckten Grossen Arithmetic des Nürnberger Rechenmeisters Anton Neudörffer (* 5. März 1571 in Nürnberg; † 28. April 1628 in Regensburg).[13]
Werke
- Arithmetica Practica; Das ist: Kunst oder Wissenschafft; recht ordentlich und künstlich nach der Zahl, Maß und Gewicht zu tractirn und zu rechnen durch die Regulam Detri, und Practicam, nach ietziger Zeit gangbaren Müntzen, schönen nützlichen Reguln, vorfallenden Fragen und üblichen Rechnungen auf das allerkürtzeste und leichteste zu solvirn und aufzulösen. Christoph Fischer, Regensburg 1667 (Online). 2. Auflage Johann Zacharias Seidel, Regensburg 1698.[14]
- Memorial oder Handbuch. [Nürnberg/Regensburg um 1645 bis um 1650], München, Bayerische Staatsbibliothek, Cgm 3788 (Online).
- Analysis vel Resolutio, das ist Aufflösung viler schöner Kunstreicher Algebraischer oder Cossischer Polygonal: Pyrgoidalischer Pyramidalischer Columnar: auch Congruens: Geomet: und Arithmetischen Rechnungen Fragen und aufgaben, der allerberühmtisten Kunstreichisten Rechenmeister, in Teutschland. Franckreich. Holland, Engelland, Niderland, Spanien, Italien, Schweden, Dennemarck, und andern Orten, so zu ende Ihrer Rechenbücher in Reimen und andern aufgaben zum theil ohne Facit gesetzt, denen hierin gedachten Autoribus zu sondern gefallen und der Kunst zu ehren aufgelöst und hiereingesch[rieben]. [Nürnberg/Regensburg um 1645 bis um 1663], München, Bayerische Staatsbibliothek, Cgm 3789 (Online).
Literatur
- Menso Folkerts: Die Ausbildung von Rechenmeistern, dargestellt an ausgewählten Beispielen. In: Jürgen Kiefer, Karin Reich (Hg.): Gemeinnützige Mathematik. Adam Ries und seine Folgen (= Acta Academiae Scientiarum 8). Erfurter Akademie Verlag, Erfurt 2003, ISBN 978-3-932295-56-0, S. 89–129.
- Menso Folkerts, Karin Reich: Rechenmeister. In: Menso Folkerts, Eberhard Knobloch, Karin Reich (Hg.): Maß, Zahl und Gewicht. Mathematik als Schlüssel zu Weltverständnis und Weltbeherrschung. Harrassowitz, Weinheim 2001, S. 188–215.
- Rudolf Haller, Alfred Holl (Hg.), Yvonne Stry, Alexander Groß: Anton Neudörffer (Nürnberg 1571-1628 Regensburg) und seine „Grosse Arithmetic“ (= Regensburger Studien zur Literatur und Kultur des Mittelalters, Bd. 5). Lit-Verlag, Berlin/Münster 2020, ISBN 978-3-643-14770-7.
- Martin Hellmann, Alfred Holl: Die Wortrechnungsrätsel aus der Rechenmeisterprüfung des Regensburger Rechenmeisters Georg Wendler am 30.06.1646 in Nürnberg. In: Verhandlungen des Historischen Vereins für Oberpfalz und Regensburg (VHVO) 164 (2024), S. 167–183 (Online).
- Alfred Holl: Georg Wendler, Bearbeiter der „Grossen Arithmetic“. In: Rudolf Haller, Alfred Holl (Hg.) et al.: Anton Neudörffer und seine Grosse Arithmetic. 2020, Bd. 1, S. 75–96.
- Alfred Holl, Yvonne Stry: Das 14-teilige Wortrechnungsrätsel des Regensburger Rechenmeisters Georg Wendler von 1667. In: Verhandlungen des Historischen Vereins für Oberpfalz und Regensburg (VHVO) 163 (2023), S. 243–264 (Online).
- Yvonne Stry: Kandlers Zahlenrätsel und Wendlers Lösung. In: Edith Feistner, Alfred Holl (Hg.): Erzählen und Rechnen in der frühen Neuzeit. Interdisziplinäre Blicke auf Regensburger Rechenbücher (= Regensburger Studien zur Literatur und Kultur des Mittelalters, Bd. 1). Lit-Verlag, Berlin/Münster 2016, ISBN 978-3-643-13172-0, S. 375–396.
Einzelnachweise/Anmerkungen
- ↑ Georg Paulus: Drei Söhnlein namens Johannes. Zum Phänomen der Namensgleichheit von Geschwistern. In: Blätter des Bayerischen Landesvereins für Familienkunde 68(2005), S. 1–10
- ↑ Alfred Holl: Georg Wendler. 2020, S. 75–76.
- ↑ Alfred Holl: Georg Wendler. 2020, S. 75.
- ↑ Alfred Holl: Georg Wendler. 2020, S. 77–78.
- ↑ Alfred Holl: Georg Wendler. 2020, S. 79–80.
- ↑ Alfred Holl: Georg Wendler. 2020, S. 80–82.
- ↑ Lösung in Alfred Holl, Yvonne Stry: Das 14-teilige Wortrechnungsrätsel. 2020.
- ↑ Alfred Holl: Georg Wendler. 2020, S. 82–84, 90–96.
- ↑ Vollständig ediert in Menso Folkerts: Die Ausbildung von Rechenmeistern. 2003, S. 106–125. Die Lösungen zu den beiden dortigen Buchstaben-Zahlenrätseln sind ausgeführt in Martin Hellmann, Alfred Holl: Die Wortrechnungsrätsel aus der Rechenmeisterprüfung des Regensburger Rechenmeisters Georg Wendler. 2024.
- ↑ Ediert in Menso Folkerts, Karin Reich: Rechenmeister. 2001, S. 214–215.
- ↑ Alfred Holl: Georg Wendler. 2020, S. 84–89.
- ↑ Fast alle diese Personen sind bibliographisch nachweisbar (Alfred Holl: Georg Wendler. 2020, S. 85–89). Die einzige Ausnahme bildet ein Michael Winterholler, den Wendler als „Vornehmbsten Schreib- und Rechenmeister der Gulden Schreibfeder zu Wien“ bezeichnete (Cgm 3788, fol. 393r). Dabei handelt es sich vermutlich um den Namen von dessen Schule. Von Winterholler ist in den einschlägigen Bibliothekskatalogen keine Veröffentlichung zu finden. Wie Wendler dessen sechs Aufgaben zur Regula falsi (Cgm 3788, fol. 393r–399v) erhielt, ist nicht bekannt. Kirchenbücher von St. Stephan in Wien (siehe Matricula Online; Wien/Niederösterreich (Osten): Rk. Erzdiözese Wien; Dom- und Metropolitanpfarre St. Stephan) geben wenigstens einen gewissen biographischen Aufschluss. Der Familienname tritt dort in unterschiedlichen Schreibweisen auf: Wintterholler, Winderholer, Winderholler, Winterhaler, Windterholler. Nach der Altersangabe beim Todeseintrag wurde Michael Winterholler 1612 geboren. Bei seiner ersten Eheschließung am 21.11.1638 wurde er „Burger vnd Schuelmaister in vntern Werth“ [sc. Werd] genannt. In die Jahre 1640–1647 fielen sechs Kindstaufen. Bei der zweiten Eheschließung am 26.01.1648 erschien er als „Bürger vnd Rechenmaister zur Gülden schreibfeder“. (Das ist die einzige Stelle in den Kirchenbüchern von St. Stephan, wo diese Schulbezeichnung auftritt.) In den Jahren 1649–1654 folgten weitere drei Kindstaufen. Beim Tod seiner Tochter Katharina am 16.02.1651 war Winterholler „Bürger vnd schuelhalter in Waghauß“. Der „Burger vnd Schuellmaister“ Winterholler starb am 02.01.1673 im Wiener „Cremergäßl“ [sc. Kramergasse] „an tampff alt 60 Jahr“.
- ↑ Ediert in Rudolf Haller, Alfred Holl (Hg.) et al.: Anton Neudörffer und seine Grosse Arithmetic. 2020, Bd. 2.
- ↑ Jochen Hoock, Pierre Jeannin: Ars Mercatoria, Bd. 2, 1600-1700. Schöningh, Paderborn 1993, S. 561–562.