Ein gaußscher Wahrscheinlichkeitsraum ist in der Stochastik und insbesondere im Malliavin-Kalkül ein Wahrscheinlichkeitsraum zusammen mit einem Hilbert-Raum zentrierter, reeller gaußscher Zufallsvariablen, welcher gaußscher Hilbert-Raum (oder gaußscher Raum) genannt wird. Wichtige Beispiele gaußscher Wahrscheinlichkeitsräume sind die abstrakten Wiener-Räume.
Die Terminologie ist in der Literatur nicht immer einheitlich, generell versteht man unter dem Begriff gaußscher Raum einen abgeschlossenen Unterraum des L2-Raumes, dessen Elemente zentrierte Gauß-Variablen sind. Manche Autoren bezeichnen aber auch allgemein Räume mit einem gaußschen Maß als gaußsche Räume. Wir folgen der Monographie ([1]) von Paul Malliavin.
Gaußscher Wahrscheinlichkeitsraum
Ein gaußscher Wahrscheinlichkeitsraum
besteht aus
- einem (vollständigen) Wahrscheinlichkeitsraum
,
- einem abgeschlossenen Unterraum
, so dass alle
zentrierte Gauß-Variablen sind, d. h. es gilt
. Die σ-Algebra der Elemente in
notieren wir mit
.
- einer σ-Algebra
der transversalen Zufallvariablen, welche durch die Beziehung

- definiert wird.[2]
Irreduzibilität
Ein gaußscher Wahrscheinlichkeitsraum heißt irreduzibel, wenn
gilt. Irreduzible gaußsche Wahrscheinlichkeitsräume werden mit
notiert. Der Begriff der nicht-irreduziblen gaußschen Wahrscheinlichkeitsräume wird aus zwei Gründen definiert:
- Um auf Unterräumen arbeiten zu können.
- Um den Wahrscheinlichkeitsraum
erweitern zu können.
Ansonsten wählt man in der Regel einen irreduziblen gaußschen Wahrscheinlichkeitsraum.[2]
Unterräume
Ein Unterraum
eines gaußschen Wahrscheinlichkeitsraumes
besteht aus
- einem abgeschlossenen Unterraum
von
,
- einer Teil-σ-Algebra
der transversalen Zufallvariablen, so dass
und
unabhängig sind und eine neue Produkt-σ-Algebra
bilden. Des Weiteren soll gelten
.[2]
Beispiel:
Sei
gaußscher Wahrscheinlichkeitsraum mit abgeschlossenem
. Sei nun
das orthogonale Komplement von
in
. Orthogonalität impliziert Unabhängigkeit zwischen
und
, also ist
unabhängig von
. Definiere nun
durch
.
Bemerkung
Bemerke, für
gilt
.
Fundamentalalgebra
Zu einem gaußschen Wahrscheinlichkeitsraum
definieren wir die Algebra der zylindrischen Zufallsvariablen der Form

wobei
ein Polynom in
Variablen ist und nennen
die Fundamentalalgebra. Es gilt
für
.
Für einen irreduziblen gaußschen Wahrscheinlichkeitsraum
gilt, dass
eine dichte Menge in
für alle
ist.[3]
Numerisches Modell und Segal-Modell
Ein irreduzibler gaußscher Wahrscheinlichkeitsraum
mit einer gewählten Basis für
nennt man numerisches Modell. Zwei numerische Modelle sind isomorph, wenn ihre gaußschen Räume die gleiche Dimension haben.[4]
Gegeben ist ein separabler Hilbert-Raum
, dann existiert immer ein kanonischer irreduzibler gaußscher Wahrscheinlichkeitsraum
namens Segal-Modell mit
als gaußscher Raum. In diesem Fall notiert man die zu
assoziierte gaußsche Zufallsvariable als
und schreibt entsprechend den gaußschen Raum als
, das heißt
. Diese Notation ist analog zu dem isonormalen Gauß-Prozess.[5]
Beispiele
- Sei
der klassische Wiener-Raum,
die σ-Algebra der Koordinaten-Abbildungen
(oder äquivalent die borelsche σ-Algebra von
) und
das Wiener-Maß. Weiter sei
und
die Familie der Wiener-Integrale definiert durch

- Dann ist
ein irreduzibler gaußscher Wahrscheinlichkeitsraum.[6]
- Sei
ein abstrakter Wiener-Raum, d. h.
ist ein separabler Banach-Raum und
separabler Hilbert-Raum, der stetig und dicht in
eingebettet ist,
ein zentriertes gaußsches Maß und
. Dann ist
ein irreduzibler gaußscher Wahrscheinlichkeitsraum.[6]
Einzelnachweise
- ↑ Paul Malliavin: Stochastic analysis. Hrsg.: Springer. Berlin, Heidelberg 1997, ISBN 3-540-57024-1, doi:10.1007/978-3-642-15074-6.
- ↑ a b c Paul Malliavin: Stochastic analysis. Hrsg.: Springer Berlin, Heidelberg. 1997, ISBN 3-540-57024-1, S. 4–5, doi:10.1007/978-3-642-15074-6.
- ↑ Paul Malliavin: Stochastic analysis. Hrsg.: Springer Berlin, Heidelberg. 1997, ISBN 3-540-57024-1, S. 13–14, doi:10.1007/978-3-642-15074-6.
- ↑ Paul Malliavin: Stochastic analysis. Hrsg.: Springer Berlin, Heidelberg. 1997, ISBN 3-540-57024-1, S. 14, doi:10.1007/978-3-642-15074-6.
- ↑ Paul Malliavin: Stochastic analysis. Hrsg.: Springer Berlin, Heidelberg. 1997, ISBN 3-540-57024-1, S. 16, doi:10.1007/978-3-642-15074-6.
- ↑ a b Zhi-yuan Huang und Jia-an Yan: Introduction to Infinite Dimensional Stochastic Analysis. Hrsg.: Springer Netherlands. Niederlande 2000, S. 60.