Dorothy Pethick
Dorothy Pethick (* 1881 in Bristol, Somerset; † 1970 in Markyate, Hertfordshire) war eine englisch-britische Suffragette. Sie war eine jüngere Schwester der bekannteren Emmeline Pethick-Lawrence.
Leben
Pethick war die Tochter eines Henry Pethick, der aus Cornwall stammte.[1] Er war ein Geschäftsmann und Händler, der Eigentümer der Weston Gazette und Commissioner der Stadt Weston-super-Mare wurde.[2] Die Familie gehörte zu den Nonkonformisten.[3] Sie war eines von 13 Kindern, von denen fünf im Säuglingsalter starben. Ihre ältere Schwester war Emmeline Pethick-Lawrence.[2]
Pethick besuchte das Cheltenham Ladies’ College,[1] bevor sie am Women’s University Settlement in der Blackfriars Road in London Sozialarbeit studierte.[4] Anschließend arbeitete sie als Leiterin eines Mädchenclubs in Nottingham.[5]
Pethick trat 1906 der Women’s Social and Political Union (WSPU) bei. 1908 arbeitete sie mit Annie Kenney in Bristol zusammen und half Kenney bei der Organisation von Protesten gegen den Besuch von Winston Churchill.[6] Zusammen mit Kenney und Adela Pankhurst reiste Pethick nach North Somerset und sprach vor 200 Menschen auf den Salthouse Fields in Clevedon, wobei sie „a constant stream of good-humoured chaff and interruptions“ ertragen musste.[7] Am 21. Juni 1908, dem Women’s Sunday, war Pethick eine der Rednerinnen im Hyde Park.[8]
Von 1910 bis 1912 war Pethick bezahlte WSPU-Organisatorin in Leicester,[9] wo sie zusammen mit Dorothy Bowker ein WSPU-Büro eröffnete.[10] Pethick organisierte Open-Air-Versammlungen in ganz Leicestershire[11] und organisierte eine Rede von Emmeline Pankhurst in Leicester.[12] Sie koordinierte auch den Boykott der Suffragetten bei der Volkszählung 1911 in Leicester mit einer nächtlichen „Umgehungsparty“ im Suffragettenladen.[13] Sie unterstützte die Eröffnung einer WSPU-Zweigstelle in Market Harborough.[10]
Pethick wurde dreimal wegen militanten Engagements für das Frauenwahlrecht verhaftet.[14] Im Juni 1909 protestierte sie in einer WSPU-Delegation vor dem Unterhaus und wurde zusammen mit Ellen Crocker, ihrer Cousine,[15] und Jessie Lawes verhaftet.[3][6]
Im September 1909 waren die Suffragetten alarmiert, als sie erfuhren, dass die Regierung begonnen hatte, hungerstreikende Suffragetten im Gefängnis zwangszuernähren und die Suffragetten bereiteten Proteste anlässlich des Besuchs von Chancellor David Lloyd George in Newcastle upon Tyne vor.[16] Im Oktober 1909 reiste Pethick zusammen mit Kitty Marion nach Newcastle, um an dem teilzunehmen, was die Suffragetten-Zeitschrift Votes for Women später als The Battle of Newcastle bezeichnete.[17] Mit Christabel Pankhurst als Anführerin waren zwölf Frauen, darunter neben Pethick und Kitty Marion Constance Bulwer-Lytton, Annie Kenney, Emily Davison, Lily Asquith, Dorothy Shallard, Ellen Pitfield, Winifred Jones und Jane Esdon Brailsford.[18][19] Die zwölf Frauen bekamen unterschiedliche Aufgaben. Pethicks Aufgabe war, Steine gegen die Fenster des General Post Office zu werfen und dabei „Votes for Women!“ zu rufen.[18] Nachdem sie sich vergewissert hatte, dass sich niemand im Fenster befand, warf Pethick ihre Steine.[20] Pethick wurde wie alle zwölf Frauen verhaftet, aber da die von ihr geworfenen Steine keinen Schaden anrichteten, argumentierte sie vor Gericht, sie sei „nicht des Zerschlagens schuldig, sondern des Versuchs dazu. Meine Aktion wurde ausschließlich durch die Ungerechtigkeit der gegenwärtigen Regierung veranlasst, und wenn sie so weitermacht, werden wir noch Schlimmeres tun“.[6][21] Sie wurde wegen „vorsätzlicher und böswilliger“ Sachbeschädigung angeklagt und zu 14 Tagen Haft mit Zwangsarbeit im Gefängnis von Newcastle verurteilt.[18] Sie trat in den Hungerstreik und wurde nach drei Tagen ins Gefängniskrankenhaus gebracht, wo sie von den Ärzten mit einem dreiviertel Liter Milch und Ei über eine Nasensonde zwangsernährt wurde. Pethick schlug nach dem Personal, so dass eine deren Nasen blutete. Sie wurde zweimal täglich zwangsernährt, und ihre Nasenlöcher entzündeten sich so sehr, dass der Schlauch mit Glyzerin geschmiert werden musste.[22]
Constance Bulwer-Lytton erinnerte sich daran, dass Pethick zur Anführerin der Inhaftierten ernannt wurde.[6] Sie schrieb über sie in ihren Memoiren:
„[Pethick] was our head and spoke for us. Her face had all the beauty that freshness, youth and grace could give it, and with it all for her age—she was twenty-seven—there was a wonderful strength to it. She spoke civilly to the Governor, but in a very determined way.“
„[Pethick] war unser Kopf und sprach für uns. Ihr Gesicht hatte all die Schönheit, die Frische, Jugend und Anmut ihm verleihen konnten, und unabhängig von ihrem Alter – sie war siebenundzwanzig – hatte es eine wunderbare Stärke. Sie sprach höflich mit dem Gefängnisdirektor, aber sehr entschlossen.“
Pethick und Winifred Jones wurden zur gleichen Zeit aus dem Gefängnis entlassen und zur Genesung in ein Pflegeheim in Rye Hill gebracht. Nach ihrer Genesung beschwerte sich Pethick beim Regierungsinspektor, dass die Ärzte sie grob behandelt hätten.[22] Sie schrieb über ihre Erlebnisse für Votes for Women, wo sie sich darüber beklagte, dass sie sich „wie ein Stück Vieh behandelt“ gefühlt hatte.[24] Sie beschrieb, wie die Nasensonde, mit der die Frauen zwangsernährt wurden, „zwischen den Fütterungen nicht desinfiziert wurde, wobei die Sonde und der Krug mit der Flüssigkeit in der Nähe eines Fensters auf einem offenen Tablett abgestellt wurden“.[25] Sie schrieb auch Briefe an andere lokale und überregionale Zeitungen, um in der breiteren Presse auf das aufmerksam zu machen, was den Gefangenen angetan wurde.[26] Später sagte sie, dass sie während ihrer Inhaftierung „immer das Gefühl hatte, dass Menschen wie Garibaldi, Mazzini und Jeanne d’Arc bei mir waren“.[21]
Am 18. November 1910 war Pethick am sogenannten „Schwarzen Freitag“ in London und wurde erneut verhaftet. Sie wurde freigelassen, nachdem ihre Geldstrafe ohne ihre Zustimmung bezahlt worden war.[21]
Sie wurde von der WSPU wie andere inhaftierte Suffragetten mit einer sogenannten „Hungerstreikmedaille“ For Valour ausgezeichnet[1] und sie ist in der sogenannten Roll of Honour of Suffragette Prisoners der Suffragette Fellowship aufgeführt.[27]

Pethick erholte sich mehrmals in Eagle House, dem Haus der Familie von Mary Blathwayt. Emily Blathwayt beschrieb Pethick als „eine gebildete Dame“.[28] Wie viele andere Suffragetten pflanzte sie im Garten des Hauses (nach Pethicks Freundin Annie Kenney Annie's Arboretum benannt) in Gedenken an ihre Inhaftierungen einen Baum. In ihrem Fall war das am 15. Februar 1911 eine Spanische Tanne.[29]
Pethick gehörte zu den Frauen, die Annie Kenneys Schwester Jenny Kenney pflegten, nachdem diese nach einer fehlerhaft verlaufenden Operation gesundheitlich schwer beeinträchtigt war.[30]
Als ihre Schwester Emmeline und ihr Schwager Frederick Pethick-Lawrence, 1912 aus der WSPU ausgeschlossen worden waren, trat Pethick aus Protest gegen diese Behandlung von ihrer bezahlten Organisierungsfunktion zurück.[21]
1914 hielt Pethick Vorträge über das Frauenwahlrecht in Nordamerika.[21][31] Als sie in Vancouver sprach, waren die Karten für ihre Rede so schnell ausverkauft, dass viele Suffragetten vor Ort keine Karten mehr bekommen konnten, um sie zu hören.[32] In New York City erklärte sie vor der Equal Franchise Society, dass die Suffragetten bereit seien, für ihre Sache zu sterben,[28] und wurde sie in der New York Times zitiert, dass die Zwangsernährung eine „exquisite torture“' sei.[3] Sie sprach auch in Louisville,,[33] Chicago und Toronto.[34]
Bei Ausbruch des Ersten Weltkriegs trat Pethick der Women's Police Force bei. 1916 schloss sie sich den United Suffragists an. Später fungierte sie als ehrenamtliche Schatzmeisterin der British Dominions Women’s Suffrage Union.[21]
Nach ihrer Kampagnentätigkeit arbeitete sie viele Jahre an der Rudolf-Steiner-Schule in Hampstead, London.[6] Pethick starb 1970 in Markyate, Hertfordshire.[14][28]
Einzelnachweise
- ↑ a b c Elizabeth Crawford: The Women's Suffrage Movement: A Reference Guide, 1866–1928. Routledge, London 2003, ISBN 1-135-43401-8, S. 534.
- ↑ a b Brian Harrison: Lawrence, Emmeline Pethick-, Lady Pethick-Lawrence (1867–1954). In: H. C. G. Matthew und Brian Harrison (Hrsg.): Oxford Dictionary of National Biography. Oxford 6. Januar 2011, doi:10.1093/ref:odnb/37846.
- ↑ a b c Kathryn Atherton: Suffragette Planners and Plotters: The Pankhurst, Pethick-Lawrence Story. Pen & Sword, Barnsley 2019, ISBN 978-1-5267-2297-3, Kap. 2 (google.com).
- ↑ Krista Cowman: Women of the Right Spirit: Paid Organisers of the Women's Social and Political Union (WSPU) 1904–1918. Manchester University Press, Manchester 2007, ISBN 978-0-7190-7002-0, S. 17.
- ↑ June Hannam und Katherine Holden: Suffrage and Women's Writing. Routledge, London 2020, ISBN 978-1-00-067284-8, S. 42 (google.de).
- ↑ a b c d e Document: Dorothy Pethick. In: SUFL36. Hampstead Garden Suburb Virtual Museum, abgerufen am 13. Juni 2025.
- ↑ Sarah Robinson: When the militant suffragettes visited North Somerset … and burned a historic church. North Somerset Times, 8. Februar 2018, abgerufen am 13. Juni 2025.
- ↑ Women’s Sunday. Google Arts & Culture, 21. Juni 1908, abgerufen am 13. Juni 2025.
- ↑ Jennifer Godfrey: Secret Missions of the Suffragettes: Glassbreakers and Safe Houses. Pen & Sword History, Barnsley 2024, ISBN 978-1-399-01399-4 (google.de).
- ↑ a b Elizabeth Crawford: The Women's Suffrage Movement in Britain and Ireland: A Regional Survey. Routledge, London 2013, ISBN 978-1-136-01062-0, S. 68 (google.com).
- ↑ Michael Wood: The Story of England. Penguin Publishing Group, London 2012, ISBN 978-0-670-91904-8, S. 382.
- ↑ Mike Shuker: Suffragettes in Loughborough. Charnwood Arts, 24. April 2019, archiviert vom am 14. November 2020; abgerufen am 14. Juni 2024.
- ↑ Elizabeth Crawford: Suffrage Stories: The 1911 Census: The Leicester Suffragettes’ Mass Evasion. In: Woman and her Sphere. Privater Blog, 29. November 2013, abgerufen am 14. Juni 2025.
- ↑ a b Miss Dorothy Pethick. In: Database. Women’s Suffrage Resources, abgerufen am 14. Juni 2025.
- ↑ Kathy Atherton: A reliable chronicler? Emmeline Pethick-Lawrence and the Pankhurst/Pethick-Lawrence split of 1912. In: Christopher Wiley und Lucy Ella Rose (Hrsg.): Women’s Suffrage in Word, Image, Music, Stage and Screen, The Making of a Movement. Taylor & Francis, London 2021, ISBN 978-1-03-202492-9, Kap. 3.
- ↑ Jane Marcus: Suffrage and the Pankhursts. Routledge, London 2013, ISBN 978-1-135-03397-2, S. 309 f. (google.com).
- ↑ Tony Henderson: The Battle of Newcastle: How women took to city streets to fight for the vote in 1909. Chronicle Live, 13. März 2018, abgerufen am 14. Juni 2025.
- ↑ a b c Diane Atkinson: Rise Up, Women!: The Remarkable Lives of the Suffragettes. Bloomsbury, London 2018, ISBN 978-1-4088-4404-5, S. 171–175.
- ↑ John Simkin: Christabel Pankhurst. In: Women’s Suffrage. Spartacus Educational, Februar 2023, abgerufen am 17. Mai 2025.
- ↑ Antonia Raeburn: The Militant Suffragettes. Michael Joseph Ltd, London 1973, ISBN 978-0-7181-1020-8, S. 119–123.
- ↑ a b c d e f Dorothy Pethick. In: Annie’s Arboretum. Suffragette Stories, abgerufen am 14. Juni 2025.
- ↑ a b Megan Adams: Suffragettes in Newcastle Gaol. In: Blog. Newcastle Gaol, abgerufen am 14. Juni 2025.
- ↑ Constance Lytton und Jane Warton: Prisons and Prisoners, Some personal Experiences. In: A Celebration of Women Writers. William Heinemann, London 1914, XI (upenn.edu).
- ↑ Ian Miller: A Modern History of the Stomach: Gastric Illness, Medicine and British Society, 1800–1950. Routledge, London 2015, ISBN 978-1-317-32248-1, S. 74 (google.de).
- ↑ Jayne Mooney: The Theoretical Foundations of Criminology: Place, Time and Context. Routledge, London 2019, ISBN 978-1-00-075119-2, S. 240 f. (google.de).
- ↑ Caroline J. Howlett: Writing on the Body? Representation and Resistance in British Suffragette Accounts of Forcible Feeding. In: Thomas C. Foster, Carol Siegel und Ellen E. Berry (Hrsg.): Genders 23: Bodies of Writing, Bodies in Performance. NYU Press, New York City 1996, ISBN 978-0-8147-2647-1, S. 19 f. (google.de).
- ↑ Suffragette Fellowship: Roll of Honour of Suffragette Prisoners 1905-1914. In: London University: London School of Economics, The Women's Library, Papers of Annie Lacon. The National Archives, 1950, abgerufen am 4. Dezember 2024.
- ↑ a b c Lucienne Boyce: Spotlight on… Dorothy Pethick (1881-1970). Privater Blog, 23. Juni 2015, abgerufen am 14. Juni 2025.
- ↑ Cynthia Imogen Hammond: Architects, Angels, Activists and the City of Bath, 1765–1965: Engaging with Women's Spatial Interventions in Buildings and Landscape. Taylor & Francis, London 2017, ISBN 978-1-351-57612-3, S. 198 f.
- ↑ Lyndsey Jenkins: Sisters and Sisterhood: The Kenney Family, Class, and Suffrage, 1890–965. Oxford University Press, Oxford 2021, ISBN 978-0-19-266513-3 (google.de).
- ↑ Tarah Brookfield: Our Voices Must Be Heard: Women and the Vote in Ontario. University of British Columbia Press, Vancouver 2018, ISBN 978-0-7748-6022-2, S. 149 (google.de).
- ↑ Lara Campbell: A Great Revolutionary Wave: Women and the Vote in British Columbia. University of British Columbia Press, Vancouver 2020, ISBN 978-0-7748-6325-4, S. 175 (google.de).
- ↑ June Purvis: Emmeline Pankhurst: A Biography. Routledge, London 2003, ISBN 978-1-134-34192-4, S. 171 (google.de).
- ↑ Ross Davies: Three Brilliant Careers: Nell Malone, Miles Franklin, Kath Ussher. Boolarong Press, Brisbane 2015, ISBN 978-1-925046-82-3, S. 20 (google.de).