Dorfkirche Mariendorf (Berlin)

Dorfkirche von Mariendorf bei Berlin
Dorfkirche Mariendorf, 1984 Ansicht vom Mariendorfer Damm

Dorfkirche Mariendorf, 1984
Ansicht vom Mariendorfer Damm

Daten
Ort Berlin, Berlin-Mariendorf, Alt-Mariendorf 37
Bauherrin Kirchengemeinde des früheren Dorfes
Baustil Romanik, Frühbarock
Bauzeit 13. Jahrhundert
Koordinaten 52° 26′ 22″ N, 13° 23′ 13,4″ O
Besonderheiten
mehrfache Umbauten und Sanierungen

Die Dorfkirche Mariendorf ist das älteste Gotteshaus der evangelischen Kirchengemeinde des Ortsteils und – wegen ihres Grundrisses als vierteilige Apsiskirche und der sorgfältigen Quaderung der Feldsteine – eine der ältesten Dorfkirchen im Berliner Stadtgebiet. Sie stammt aus dem zweiten Viertel des 13. Jahrhunderts und wurde häufig um- bzw. ausgebaut.

Die Kirchengemeinde gehört zum Kirchenkreis Tempelhof-Schöneberg der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz.

Lage

Das denkmalgeschützte Kirchengebäude steht auf der Südseite der Dorfstraße, genauer an der Ecke Mariendorfer Damm/Alt-Mariendorf, am Dorfanger von Mariendorf. Es ist streng geostet.

Geschichte

Bau der Dorfkirche

Der Baubeginn der Mariendorfer Kirche wird im zweiten Viertel des 13. Jahrhunderts vermutet. Das Kirchengebäude in der Ortsmitte des um 1230 angelegten breiten Straßendorfs ersetzte einen nur kurzzeitig genutzten hölzernen Vorgängerbau etwa in den Formen des Chorraumes mit Apsis. Der neben diesem Kirchlein angelegte Kirchfriedhof wurde 1952 bei Renovierungsarbeiten aufgefunden und half bei der Datierung.

Wie die Nachbardörfer Marienfelde und Tempelhof organisierten die Tempelritter die deutsche Besiedlung Mariendorfs im frühen 13. Jahrhundert, ausgehend vom Komturhof Tempelhof. Unter ihrer Herrschaft entstand auch die Feldsteinkirche als vollständige Anlage mit schiffsbreitem Westturm, einschiffigem Langhaus, Chor und Apsis (vierteilige Apsiskirche).[1] Der Westquerturm ist – wie in zahlreichen anderen Vergleichsfällen dieses Grundrisstyps in der Mark Brandenburg – nicht mit Feldsteinquadern vollendet worden (statische Senkungsprobleme, Kostenfragen), sondern erst nach dem Mittelalter. Der Feldsteinunterbau endet auf halber Höhe zwischen Traufe und First des Langhauses.[2]

Die Fenster und das ursprüngliche Portal auf der Nordseite hatten Rundbögen, die vermutlich im 18. Jahrhundert überformt worden sind.

Weitere Baugeschichte

Am Ende des 16. Jahrhunderts wurde der Feldsteinsockel des breiten Turms durch hölzerne Obergeschosse mit quadratischem Grundriss ergänzt, so dass der verbretterte Turm oberhalb des Langhausdaches eingezogen wirkt. Außerdem erhielt die Nordseite des Chores einen Sakristei-Anbau. In den Jahren 1565–1568 wurden neue Dachwerke angelegt und die Balkendecke im Chorbereich durch ein Kreuzgratgewölbe ersetzt. Das Langhaus bekam ein Stichkappengewölbe über drei Rundstützen, die den Raum zweischiffig teilen. Die drei Säulen in der Mitte des Raumes beeinträchtigen die Sicht auf den Altar.

Seit 1737 trägt die Kirche einen charakteristischen hölzernen barocken Turmaufbau, abgeschlossen von einem Kupferhelm und Wetterfahne.

Kirche und Friedhofsteil, 1898

Der Patron, der Rat der Stadt Cölln, spendete 1626 einen wertvollen Schnitzaltar, der fast die gesamte Apsis ausfüllte. Im Zweiten Weltkrieg wurde dieser Altar ausgelagert und ist seitdem verschollen.[3]

Als im Zusammenhang mit Napoleons Russlandfeldzug russische Truppen das Kirchengebäude mit Kanonen beschossen, erlitt das Haus Zerstörungen, die aber ausgebessert werden konnten.[4]

Nach dem Zweiten Weltkrieg

Die Luftangriffe im Zweiten Weltkrieg hat die Mariendorfer Kirche halbwegs unbeschadet überstanden: Die Fenster wurden jedoch zerstört und die Dacheindeckung beschädigt. Außerdem bestand ein erheblicher Sanierungsbedarf, weil massive Feuchteschäden auftraten. So kam es ab 1952 zu umfassenden Sanierungsarbeiten. Bei der Aufnahme des Fußbodens und beim Freilegen der Fundamente wurde deutlich, dass die Kirche auf einem ehemaligen Begräbnisplatz steht. Außerdem entdeckten die Arbeiter in der Kirchengruft unter dem Chorraum den Sarg der (nicht adligen) Frau von Rosay aus dem Jahr 1781. Im Rahmen dieser Arbeiten wurden der Haupteingang der Kirche an die Westseite des Turms verlegt und eine Verbindung zwischen Turm und Langhaus hergestellt.

Sechs kleinere Tafelbilder, gemalt zwischen 1600 und 1646, ursprünglich an der Emporenbrüstung der Heilig-Geist-Kapelle in Berlin-Mitte, kamen in die Kirche.[4]

Die im 19. Jahrhundert eingebaute Nordempore wurde bei den Restaurierungsarbeiten entfernt.[5]

Im September 1957 konnte die komplette Sanierung des Gotteshauses abgeschlossen werden.[3]

Im Jahr 1970 wurde im Turm ein Glockenspiel aus der Gießerei Edelbrock mit 16 bronzenen Glocken eingebaut. Mehrmals täglich, etwa drei Minuten vor der vollen Stunde, erklingt ein geistliches Lied. Seine Wirkung bleibt durch den Verkehrslärm der umgebenden Straßen auf den engen Bereich um die Kirche beschränkt.

Architektur

Turm und Hauptschiff

Über einem rechteckigen Unterbau erhebt sich ein achteckiger Turmaufsatz, der von einer kupferbedeckten Schweifhaube abgeschlossen wird. Die Dachkonstruktion und die Wetterfahne sind mit „1737“ datiert, sie wurden in den Jahren 2000/2002 gleichzeitig mit der Turmrestaurierung saniert.[1] Im Turmaufsatz befinden sich die Glockenstube und ein Uhrwerk für eine Turmuhr.

Der Turm ist etwa fünfzehn Meter hoch.[6] Die Wetterfahne wird durch einen Bären symbolisiert, der darauf verweist, dass das Kirchenpatronat seit dem Jahr 1435 bei der Stadt Berlin lag.[4]

Der Chor befindet sich in einer Halbrundapsis, die mit einem halbrunden steilen und mit roten Biberschwänzen bedeckten Dach abschließt.

Bei den Erweiterungs- und Renovierungsarbeiten Mitte der 1950er Jahre wurde das ursprünglich romanische Nordportal zugemauert und das spitzbogige Westportal umgewandelt in ein rundbogiges Stufenportal.[1]

Die Kirche ist rund 28 Meter lang (mit Apsis) und zwölf Meter breit (ohne Sakristei).

Sakristei

An der nordöstlichen Wand des Hauptschiffes wurde um das Jahr 1500 eine Sakristei angebaut.[7] Obwohl diese eher für eine katholische Kirche bedeutsam ist, wird sie nach der Reformation weiter für Gottesdienstvorbereitungen genutzt und wurde im 18. Jahrhundert baulich erweitert.[1]

Glocken

In der Glockenstube befinden sich zwei Bronzeglocken, eine große und eine kleine. Die kleine wurde im Jahr 1480 gegossen und in den beiden Weltkriegen nicht als Metallspende des deutschen Volkes requiriert. Sie dient als Läute- und Gebetsglocke und trägt auf dem Glockenmantel die Inschrift „REX GLORIAE CREVENI CUM PACE ANNO MCCCCLXXX“ (König der Herrlichkeit Christe Komm in Frieden, anno 1480). Die Glocke verfügt über den Schlagton b′. Eine größere Glocke aus der Berliner Gießerei Wilhelm Bachmann mit dem Schlagton f musste jedoch zu Kriegszwecken abgeliefert werden und wurde erst später durch eine Glocke des Gießers Gustav Collier aus Zehlendorf aus dem Jahr 1800 ersetzt, sie läutet mit dem Ton des.[8]

Ausstattung

Aus der ursprünglichen Ausstattung des 13. Jahrhunderts sind nur ganz wenige Stücke erhalten.[4]

Altar, Chorschmuck, Kanzel und Taufe

Altarkreuz mit Abguss des Werden-Helmstedter Kreuzes

Zur ersten dokumentierten Ausstattung gehörte der oben bereits erwähnte geschnitzte Altar im Renaissance-Stil. Dieser ging im Zweiten Weltkrieg verloren und die Gemeinde erhielt an dessen Stelle ein Altarkreuz mit dem Nachguss des Werdener Bronzekruzifixes von 1602. Die rechte (also nördliche) Chorwand wird von einem schildförmig gewölbten Tafelbild mit der Darstellung der Kreuzigung geschmückt. Außerdem befinden sich im Kirchenraum sechs Tafeln eines Bibelzyklus’ aus der Heilig-Geist-Kapelle von Berlin, die zwischen 1577 und 1646 gefertigt worden sind: Abraham und die drei Engel, Elias mit dem Feuerwagen, Fußwaschung der Sünderin, Enthauptung Johannes des Täufers .[4][9]

In der Chorapsis befinden sich drei mehrfach umgebaute Fenster, die zuerst elf kleine farbige gestiftete Rundscheiben mit den Wappen von Bürgermeistern, Kämmerern und Ratsherren der Städte Alt-Berlin und Alt-Kölln enthielten. Am Ende des Zweiten Weltkriegs gingen die Scheiben zu Bruch. Die drei heutigen Buntglasfenster stammen aus dem Jahr 1956, entworfen von Hermann Kirchberger. Sie zeigen die Symbole der vier Evangelisten (Mensch, Löwe, Stier und Adler) sowie die Marterwerkzeuge Christi.[4]

An der Mauer zwischen Turmfuß und Hauptschiff ist ein einzelnes rundes Originalfenster erhalten, weil die Verbindungsstelle jahrelang zugemauert war.[4]

Die Kanzel aus dem Jahr 1714 musste wegen Zerstörung des Holzes im 20. Jahrhundert erneuert werden.[7] Zu ihr führt an der Seite des Chorraumes ein hölzernes Treppchen hinauf.

Chorraum, Taufe, Apsis und Altar

Das ursprüngliche Taufbecken aus der Renaissancezeit wurde aus Sandstein (ebenfalls) neu gearbeitet.[8]

Hauptschiff

Das gesamte Kirchenschiff wurde im Jahr 1925 durch den Kirchenmaler Robert Sandfort im Stil der Neorenaissance neu ausgemalt und mit Bibelsprüchen verziert.[7][10]

Gestühl, Beleuchtung, Empore

Die hölzernen zu je fünft in 20 Reihen aufgereihten Stühle beiderseits des Mittelganges bieten Platz für etwa 200 Besucher. Sie ersetzten die historischen Holzbänke.[11]

Im Kirchenvorraum und Altarraum hängt je eine zwölfarmiger Kronleuchter mit einer Kette von der Decke, im Kirchenraum gibt es mehrere flämische Wandarmleuchter.[12]

Auf der Westempore des Kirchenraums steht die Orgel und nimmt die südliche Hälfte im Gewölbebogen ein. Ihr Prospekt wölbt sich über die Balustrade. Ein farbiges Fenster erhellt diesen Raum. Auf der rechten Emporenseite sind Klappsitze für weitere Besucher installiert.[10]

Orgel

Im Jahr 1846 ist eine erste Orgel der Kirche dokumentiert, die ihren Platz im Chorraum hatte. Sie stammte aus der Werkstatt des Potsdamer Orgelbaumeisters Gottlieb Heise. Das Instrument wurde 1892 durch eines der Firma Gebr. Dinse ersetzt, das auf der neu eingebauten Empore platziert wurde. Im Jahr 1909 erfuhr es eine Erweiterung durch den Orgelbauer Barnim Grüneberg. Die aktuelle Orgel ist ein vollkommener Neubau der Firma Karl Schuke, die 1957 mit einer Weihe in Betrieb genommen wurde.[4][7] Den letzten Umbau nahm die Firma Schuke 1968 vor, wobei eine Dispositionsänderung erfolgte. Das Instrument verfügt nun über 2 Manuale, 27 Ranks und 18 Register und weist folgende Disposition auf:[11]

I. Rückpositiv C–g |
1. Koppelflöte 8′
2. Principal 8′
3. Rohrflöte 4′
4. Waldflöte 2′
5. Sesquialtera 113
6. Mixtur IV-VI
7. + Tremulant
II. Hauptwerk C–g
08. Gedackt 8′
09. Violflöte 4′
10. Prinzipal 2′
11. Quinte 113
12. Sifflöte 1′
13. Scharff III 1′
14. Rohrschalmei 8′
Pedal Z–f
15. Subbass 16′
16. Gedackt 08′
17. Pommer 04′
18. Bauernflöte 02′
19. Trompete 08′
20. + Tremulant

Kirchhof an der Dorfkirche

Dorfkirche und alter Kirchhof, 2015

Um die Dorfkirche herum liegt der historische Kirchfriedhof. Hier sind viele alte Grabmäler Mariendorfer Familien erhalten.[13] deren Häuser inzwischen unter Denkmalschutz stehen. Bestattungen finden hier seit langem nicht mehr statt. Im Jahr 1884 wurde stattdessen südlich der Friedenstraße der Friedhof Alt-Mariendorf II mit einer Fläche von 3.864 m2 angelegt.[14]

Grabstätten (Auswahl)
  • Familie Freiberg, stellte viele Jahrzehnte lang die Mariendorfer Dorfschulzen
  • Adels-Familie Hoeft
  • Adels-Familie Rohrbeck
  • Frau von Rosay (Bürgerliche, für deren Beisetzung „wie eine Adlige“ in der Kirche eine entsprechende Zahlung erfolgt ist)
  • Adels-Familie Treppens
  • Adels-Familie Ziedrich
  • August Ferdinand Richter (1822–1903), Theologe und Politiker, Pfarrer in Mariendorf und Marienfelde[13]
  • Berthold Schwarz (1909–1995), Organist, Chorleiter und Kirchenmusikdirektor in Mariendorf[13][15]

Literatur

  • Kurt Pomplun: Berlins alte Dorfkirchen, Berlin 1962, 6. Auflage 1984. Haude & Spenersche Verlagsbuchhandlung, ISBN 3-7759-0160-4.
  • Günther Kühne, Elisabeth Stephani: Evangelische Kirchen in Berlin. 2. Auflage. CZV-Verlag, Berlin 1986, ISBN 3-7674-0158-4, S. 244 f.
  • Gemeindekirchenrat der Evangelischen Kirchengemeinde Mariendorf (Hrsg.): Die Dorfkirche Alt-Mariendorf und ihre Geschichte. Berlin 1990.
  • Matthias Hoffmann-Tauschwitz: Alte Kirchen in Berlin. 33 Besuche bei den ältesten Kirchen im Westteil der Stadt. 2. überarbeitete Auflage. Wichern-Verlag, Berlin 1991, ISBN 3-88981-048-9, S. 24–32.
  • Markus Cante: Kirchen bis 1618, in: Berlin und seine Bauten, Teil VI: Sakralbauten. Hrsg.: Architekten- und Ingenieur-Verein zu Berlin, Berlin 1997, S. 333.
  • Broschüre Die Dorfkirche Alt-Mariendorf und ihre Geschichte. Kirchengemeinde, abgerufen am 8. August 2025 (Nachdruck der oben genannten Veröffentlichung aus dem Jahr 1990).
Commons: Dorfkirche Mariendorf – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise und Anmerkungen

  1. a b c d Georg Dehio: Handbuch der Deutschen Kunstdenkmäler. Berlin. Deutscher Kunstverlag, 2006, S. 533.
  2. Da Turm und Langhaus einer vierteiligen Apsiskirche („vollständige Anlage“) unterschiedliche Höhe und daher auch unterschiedliches Gewicht hatten, war der Bodendruck des Turms größer als der des Langhauses, sodass zwischen Turm und Langhaus innerhalb desselben Mauerwerkverbandes Senkungsrisse entstanden, die oft an solchen Kirchen bemerkbar sind.
  3. a b Dorfkirche Mariendorf. Abgerufen am 7. August 2025.
  4. a b c d e f g h Flyer zur Mariendorfer Kirche. Abgerufen am 6. August 2025.
  5. Broschüre…, S. 8/9.
  6. nach den Etagenabstufungen grob geschätzt
  7. a b c d Chronik der Kirchengeschichte. Abgerufen am 7. August 2025.
  8. a b Broschüre…, S. 6.
  9. Die Gemälde der Heilig-Geist Kapelle in Berlin-Mitte. Abgerufen am 7. August 2025 (rot hinterlegt sind die sieben Tafeln, die in die Mariendorfer Kirche gelangten).
  10. a b Broschüre…, S. 7.
  11. a b Innennansicht der Kirche vom Chorraum zur Orgel hin mit Details zur Orgel. Abgerufen am 7. August 2025.
  12. Broschüre…, S. 13.
  13. a b c Grabsteine. Namensliste Ev. Dorfkirchhof Alt-Mariendorf I, Berlin-Tempelhof. grabsteine.genealogy.net, abgerufen am 27. Juli 2025.
  14. Friedhöfe in Mariendorf. mariendorf-evangelisch.de, abgerufen am 26. Juli 2025.
  15. Berthold Schwarz. In: discogs.com. Abgerufen am 31. Juli 2025 (englisch, mit Fotoporträt).