Auf einem Bahnsteig

Film
Titel Auf einem Bahnsteig
Produktionsland DDR
Erscheinungsjahr 1957
Länge 4:22 Minuten
Produktions­unternehmen Deutsche Hochschule für Filmkunst Potsdam
Stab
Regie Kurt Tetzlaff
Drehbuch Manfred Hildebrandt
Produktion Gerhard Knopfe (Produktionsleitung), Maria Hartwig (Aufnahmeleitung)
Kamera Manfred Hildebrandt
Besetzung
  • Dieter Franke
  • Studenten der Hochschule für Filmkunst Babelsberg
  • Fahrgäste am S-Bahnhof Ostkreuz

Auf einem Bahnsteig ist ein Kurzdokumentarfilm von Kurt Tetzlaff von 1957. Er war der erste DDR-Studentenfilm, der einen Preis in einem westlichen Land gewann.[1]

Inhalt

Gezeigt wird ein Bahnsteig am S-Bahnhof Ostkreuz in Berlin am späten Nachmittag eines Werktages. Er beginnt mit dem Ein- und Abfahren einer S-Bahn, in die noch ein Mann springt. Männer mit Schiebermützen lehnen an einer Wand, trinken ihr Feierabendbier, unterhalten sich und schauen Frauen nach. Mädchen ziehen Lippenstift in einer Telefonzelle nach. Zwei Jungen stehlen an einem Kiosk leere Pfandflaschen, eine Frau sortiert ihre Einkaufstaschen um. Mit der Einfahrt des nächsten Zuges endet die Filmsequenz.[2]

Hintergründe

Der 24-jährige Kurt Tetzlaff studierte seit 1955 an der neu gegründeten Hochschule für Filmkunst in Potsdam-Babelsberg Regie, sein Kommilitone Manfred Hildebrandt Kamera. Auf einem Bahnsteig war eine filmische Übung im 2. Studienjahr. Sie war stilistisch an den italienischen Neorealismus (Rossellini, Pasolini) und die französischen Vorläufer der Nouvelle Vague (Clair, Duvivier, Cocteau) angelehnt, deren Filme sie in der Filmbühne am Steinplatz in West-Berlin gesehen hatten. Aus Fahrraddiebe (1948) von Vittorio de Sica wurden offenbar der Handlungsort Bahnhof, die zeitliche Rahmung und das Motiv des kleinen Diebstahls übernommen.[3] Der studentische Film Auf dem Bahnhof strebte eine ästhetische Ausrichtung an, im Gegensatz zu den damals in der DDR vorherrschenden agitatorisch-erzieherischen Dokumentarfilmen. Als Stummfilm verzichtete er auch auf eine erklärende Kommentarstimme.

Kurt Tetzlaff hatte den Bahnsteig in Ostkreuz an mehreren Tagen vorher beobachtet und einige Fahrgäste gebeten, zum Drehtermin zu kommen, ebenso einige Kommilitonen.[4] Der Film enthielt also einige gespielte Elemente, die aber kaum als solche zu erkennen sind.

Auf einem Bahnsteig traf in der Hochschule bei den Lehrkräften auf einiges Missfallen.[5] Er wurde aber auf einem Studentenfilmfestival in Wien gezeigt und erhielt dort einen Preis, als erster DDR-Studentenfilm in einem westlichen Land.[6]

Auszeichnung und Ehrungen

  • 1959 Internationales Filmfestival der Studenten, während der VII. Weltfestspiele in Wien, 2. Preis
  • 2018 Babelsberger Freiheiten, DVD, als chronologisch erster von 19 herausragenden Studentenfilmen aus Babelsberg bis 1990

Rezeption

Die Filmhistorikerin Ilka Brombach kennzeichnete den Film 2018 folgendermaßen:

„Seine offene Dramaturgie und das Interesse am Alltäglichen und an den einfachen Leuten machen Tetzlafs Filmübung zum Vorboten der Erneuerungen im DEFA-Dokumentarflm, die in den 1960er Jahren stattfnden werden.“[7]

Literatur

  • Ilka Brombach: Babelsberger Freiheiten. 2018, DVD, Booklet S. 8–9 (PDF), mit detaillierten Informationen
  • Ilka Brombach: Babelsberg Freedoms. The Films of the Babelsberg Film School, European New Wave and New German Cinema. In: Marco Abel, Jaimey Fisher (ed.): New German Cinema and its Global Contexts. Wayne State University Press, Detroit 2025. S. 153–178, hier S. 158–160, mit ausführlicher Beschreibung

Einzelnachweise

  1. 45 Jahre HFF – Dokumentarfilmschätze einst und jetzt Informationsdiens Wissenschaft (idw), 2019, mit Informationen zur DVD
  2. Grit Lemke, Beim Eins-zwei-Tipp geküsst, in Junge Welt, vom 3. Januar 2019 Text, mit Inhaltsangabe, zur DVD; auch Inhalt in Brombach, 2018, S. 8 und dies., 2025, S. 159
  3. Brombach, 2018, S. 8, auch dies., 2025, S. 158, mit diesen Angaben
  4. Brombach, 2018, S. 8, auch dies., 2025, S. 159
  5. Klaus Büstrin: Ungeschminktes war unerwünscht. Dem Dokumentarfilmer zum 80. Geburtstag, in Tagesspiegel vom 23. Februar 2018 Text, nach einem Interview mit Kurt Tetzlaff in den Potsdamer Neuesten Nachrichten
  6. Chris Wahl: Die Jugend von damals. Kurt Tetzlaffs 'Es genügt nicht 18 zu sein'. In: Ralf Schenk, Andreas Kötzing (Hrsg.): Verbotene Utopie. Die SED, die DEFA und das 11. Plenum, Berlin: 2015, S. 407–427, mit kurzer Erwähnung des Studentenfilmfestivalpreises
  7. Ilka Brombach, Babelsberger Freiheiten, Booklet, 2018, S. 8