Der Zwischenwertsatz sagt aus, dass eine reelle Funktion, die auf einem abgeschlossenenIntervall stetig ist, jeden Wert zwischen und annimmt. Haben insbesondere und verschiedene Vorzeichen, so garantiert der Zwischenwertsatz die Existenz von mindestens einer Nullstelle von im offenen Intervall . Dieser Sonderfall ist als Nullstellensatz von Bolzano bekannt und nach Bernard Bolzano benannt. Andererseits kann der Zwischenwertsatz aber auch aus dem Nullstellensatz hergeleitet werden. Die beiden Formulierungen sind also äquivalent.[Anm 1]
Satz
Seien mit und sei ein reelles Intervall und sei hierauf eine stetige Funktion. Dann nimmt in der Bildmenge jeden beliebigen Wert zwischen und an mindestens einer Stelle an (d. h. ).
Formal heißt das, zu jedem (falls ) bzw. (falls ) existiert ein mit .
Anders formuliert bedeutet dies , worin und .
Beweis
Der Beweis setzt voraus, dass die Grenzen des betrachteten abgeschlossenen Intervalls endlich sind (gleichbedeutend: ist auch beschränkt und somit kompakt.). Tatsächlich gilt der Zwischenwertsatz auch für unbeschränkte abgeschlossene Intervalle; die dann zu beweisenden Behauptungen finden sich im Abschnitt Verallgemeinerung dieses Artikels.
Die Grenzen des jeweils folgenden Intervalls seien
für : und
für : .
zu (i): Mit (1) ist nicht positiv, nicht negativ.
Beim Übergang von zu wird genau eine der Intervallgrenzen (bzw. ) genau dann durch eine neue Grenze ersetzt, wenn auch nicht positiv (bzw. nicht negativ) ist.
zu (ii): Im folgenden Intervall ist die ersetzende Grenze größer als eine ersetzte untere Grenze , aber kleiner als eine ersetzte obere Grenze , indem der Intervallmittelpunkt von ist. Da der Übergang von zu den Intervalldurchmesser halbiert, ist der Intervalldurchmesser fast aller Folgeglieder kleiner als ein beliebig vorgegebener. ( ist eine Nullfolge.)
Beweis: Für ist nichts zu beweisen. Für folgt aus : .
Behauptung: ist monoton fallend .
Beweis: Für ist nichts zu beweisen. Für folgt aus : .
Behauptung: , ist eine Nullfolge. - Beweis: Der Durchmesser des Intervalls ist
für : ;
für : .
Insgesamt können alle auch geschrieben werden, und ist wegen eine (geometrische) Nullfolge.[Anm 3]
Mit (2), (3) und (4) ist eine Intervallschachtelung, die genau eine Zahl definiert.
Mit liegt im Intervall der Voraussetzung, q. e. d.
Bemerkung: Endlich viele Intervalle einer wie konstruierten Intervallschachtelung liegen dem numerischen Verfahren Bisektion zugrunde.
zu (iii): ist gemeinsamer Grenzwert der Folgen und ; wegen Stetigkeit von ist gemeinsamer Grenzwert der Folgen und . Die Beschränktheit der Folgen und bewirkt, dass weder positiv noch negativ ist.
hieraus mit dem Folgenkriterium vermöge der Stetigkeit von bei :
.
Mit (i) haben die Folgen bzw. eine obere bzw. unterer Schranke, die sich auf den jeweiligen Grenzwert fortsetzt:[Anm 5]
, ebenso , insgesamt also , q. e. d.
Alternativer Beweis
Es reicht, den Fall zu betrachten. Sei beliebig. Für und ist die Behauptung klar. Im Folgenden sei also o. B. d. A. aus dem offenen Intervall . Es ist zu zeigen, dass ein existiert mit . Setze
Hierzu: Da die größte untere Schranke ist, ist keine untere Schranke. Mithin gibt es zu jedem ein mit . Außerdem ist natürlich , da eine untere Schranke ist. Die so konstruierte Folge konvergiert nach dem Intervallschachtelungsprinzip wie gewünscht gegen . Dies zeigt die Behauptung.
Aus folgt mit den Grenzwertsätzen auch . Da stetig ist, gilt . Wegen ist weiter . Insbesondere folgt , da .
Wegen ist für alle großen . Weil folgt und somit . Zusammen mit der Stetigkeit von in ergibt sich durch Grenzübergang . Insgesamt also . q.e.d.
Beispiel
Die Funktion f nimmt den Wert u mit f(a) < u < f(b) an der Stelle c an.
Die Kosinus-Funktion ist im Intervall stetig, es ist und . Der Zwischenwertsatz besagt dann, dass der Kosinus mindestens eine Nullstelle im Intervall hat. Tatsächlich gibt es in dem Intervall genau eine Nullstelle, nämlich .
Daraus ist wieder der Zwischenwertsatz zu erhalten, weil Stetigkeit einer Funktion im topologischen Sinne die im Zwischenwertsatz für reelle Funktionen geforderte einschließt und weil eine Teilmenge der reellen Zahlen genau dann zusammenhängend ist, wenn sie ein Intervall ist.[Anm 6]
Folgerungen
Es gilt der folgende allgemeine Satz:
Ist ein beliebiges reelles Intervall und eine auf ihm definierte stetige Funktion, so ist auch das Bild ein Intervall.[1]
Aus dem Zwischenwertsatz ergibt sich ebenfalls unmittelbar ein bekanntes Resultat, das Karl Weierstraß zugerechnet und als weierstraßscher Nullstellensatz bezeichnet wird. Es besagt folgendes:[2]
Otto Forster: Analysis 1. Differential– und Integralrechnung einer Veränderlichen (= Vieweg Studium). 9., überarbeitete Auflage. Vieweg Verlag, Wiesbaden 2008, ISBN 978-3-8348-0395-5.
Günter Köhler: Analysis. Mit Aufgaben von Jürgen Grahl (= Berliner Studienreihe zur Mathematik. Band14). Heldermann Verlag, Lemgo (u. a.) 2006, ISBN 3-88538-114-1.
Konrad Königsberger: Analysis 1 (= Springer-Lehrbuch). 6., durchgesehene Auflage. Springer-Verlag, Berlin 2004, ISBN 3-540-40371-X.
↑Beim axiomatischen Aufbau der reellen Zahlen kann das Zwischenwertaxiom, also die Forderung nach der Gültigkeit des Zwischenwertsatzes für alle Intervalle und alle auf diesen definierten stetigen, reellen Funktionen, an die Stelle des sonst üblichen Supremumsaxioms treten. Hier zeigt sich auch, dass der Zwischenwertsatz und (nicht zuletzt) der Satz vom Minimum und Maximum in diesem Zusammenhang gleichwertige Aussagen sind.
↑Hier ist, anders als im Abschnitt „Beweis“, jede Art von Intervall gemeint. Es braucht also nicht beschränkt zu sein.
↑Wie Reiffen, Scheja und Vetter in ihrem Lehrbuch zeigen, kann, aufbauend auf dem weierstraßschen Nullstellensatz, ein Beweis des Fundamentalsatzes der Algebra geführt werden, welcher den Nullstellensatz an einer einzigen Stelle benutzt und ansonsten ausschließlich mit algebraischen Argumenten operiert. (op. cit., S. 224–225)