Wolfgang Jungandreas

Wolfgang Jungandreas (* 9. Dezember 1894 in Görlitz; † 17. Juni 1991 in Konz) war ein deutscher Sprachwissenschaftler und Hochschullehrer, der sich als Germanist insbesondere mit germanischen und deutschen Philologie sowie dem schlesischen Dialekt befasste.

Leben

Studium, Arbeiten zum schlesischen Dialekt und Professuren in Breslau und Posen

Jungandreas, geboren in Schlesien als Sohn von Anna Jungandreas, geborener von Elsner, und des Eisenbahnbeamten Eugen Jungandreas, begann nach dem Abitur ein Studium der Sprach- und Altertumswissenschaften an der Schlesischen Friedrich-Wilhelms-Universität zu Breslau und der Universität Göttingen.[1] Bereits während seines Studiums veröffentlichte er 1921 im Privatdruck ein erstes Buch mit dem Titel Geschichte der altenburgischen Familie Jungandreas. 1923 wurde er an der Universität zu Breslau mit einer Dissertation zum Thema Schlesische Zeitwortbildung zum Dr. phil. promoviert. In der Folgezeit beschäftigte er sich als Mitarbeiter des Deutschen Instituts der Universität zu Breslau mit dem schlesischen Dialekt und verfasste dazu auch verschiedene Fachbücher.

Im Jahr 1929 wurde er Studienassistent in Hannover. 1933 erfolgte, wiederum an der Universität zu Breslau, seine Habilitation mit einer Habilitationsschrift zum Thema Zur Geschichte der schlesischen Mundart im Mittelalter. Untersuchungen zur Sprache und Siedlung in Ostmitteldeutschland und er begann im selben Jahr seine Lehrtätigkeit als Privatdozent. Im Anschluss gab er zusammen mit Theodor Siebs mit Unterstützung durch die Provinz Schlesien zwischen 1935 und 1938 das Schlesische Wörterbuch heraus. 1933 trat er der SA bei, am 19. Mai 1937 beantragte er die Aufnahme in die NSDAP und wurde rückwirkend zum 1. Mai desselben Jahres aufgenommen (Mitgliedsnummer 5.009.582).[2][3]

1940 nahm Jungandreas den Ruf auf eine außerplanmäßige Professur für Sprachwissenschaften an der Schlesischen Friedrich-Wilhelms-Universität zu Breslau an. Er war ab 1938 Studienrat in Breslau und lehrte bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges von 1940 bis 1945 als Professor an der Reichsuniversität Posen, von 1941 bis 1944 als außerordentlicher Professor für Germanistische Sprachwissenschaft.[4] Er war Mitglied der Historischen Kommission für Schlesien.[5]

Professur in Göttingen und Niedersächsisches Wörterbuch

Nach Kriegsende nahm Jungandreas 1945 den Ruf auf eine Professur für Sprachwissenschaften an der Georg-August-Universität Göttingen an und lehrte dort bis 1951.

Zeitgleich übernahm er im Dezember 1945 von Friedrich Neumann die bis 1950 von ihm ausgeführte Leitung der Arbeitsstelle Niedersächsisches Wörterbuch, die sich an der Abteilung für Niedersächsische Mundartforschung des Seminars für Deutsche Philologie der Universität Göttingen mit der Herausgabe eines der großlandschaftlichen Wörterbücher des Deutschen beschäftigt und den Wortschatz der Dialekte der heutigen Bundesländer Niedersachsen und Bremen erfasst. Unter Abkehr von der ursprünglichen Konzeption eines volkskundlich ausgerichteten Wörterbuches begann er mit den Manuskriptarbeiten, obwohl die wichtigste Voraussetzung dafür – die systematische Ordnung des Quellenmaterials – noch nicht erfolgt war.

Nach Sichtung des vorhandenen Materials wurden von Jungandreas in Ergänzung zu den zuvor erstellten Fragebögen zwei weitere Fragebögen entworfen. 1951 veröffentlichte Jungandreas die erste Lieferung des Niedersächsischen Wörterbuches, die zwei Jahre später mit einem veränderten Vorwort erneut erschien.

Professur in Mainz

Im Jahr 1951 wurde von Jungandreas schließlich der Ruf auf eine außerordentliche Professur für Sprachwissenschaften an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz angenommen, so dass mit Hans Neumann auch die Stelle des Leiters der Arbeitsstelle Niedersächsisches Wörterbuch neu besetzt werden musste.

In der Folgezeit befasste er sich neben seiner Lehrtätigkeit mit den moselfränkischen Dialekten und wies in zahlreichen Veröffentlichungen nach, dass viele moselländische Siedlungs- und Flurnamen auf keltisch-römische Wurzeln zurückgehen und sich an der Mosel bis ins Hochmittelalter hinein die größte romanische Sprachinsel auf deutschem Boden gehalten hat. Dieses Gebiet, die Moselromania, bezeugte damit das Fortleben der galloromanischen Bevölkerung über die Völkerwanderungszeit hinaus. 1958 wurde er emeritiert. Er war Ehrenmitglied der Section de linguistique, de folklore et de toponymie am Institut Grand-Ducal in Luxemburg und der Gesellschaft für nützliche Forschungen zu Trier.

Privates

Wolfgang Jungandreas war evangelisch, ab 1923 mit der Schriftstellerin Menna Jungandreas (* 19. Juni 1895 in Aurich), geborene Giese, verheiratet, lebte in Konz und hatte zwei Kinder (Gunda und Dieteger).[6]

Veröffentlichungen (Auswahl)

  • Geschichte der altenburgischen Familie Jungandreas, Emden 1921
  • Schlesische Zeitwortbildung, Dissertation Universität zu Breslau, 1923
  • Beiträge zur Erforschung der Besiedlung Schlesiens und zur Entwicklungsgeschichte der schlesischen Mundart, Breslau 1928
  • Texte zur Geschichte der schlesischen Mundarten, Breslau 1931
  • als Hrsg. mit Theodor Siebs: Schlesisches Wörterbuch. 5 Lieferungen. Breslau 1935–1938.
  • Deutsche Mundarttexte aus dem späteren Mittelalter (= Deutschkundliche Arbeiten A. Band 6). Breslau 1936.
  • Schlesische Briefe und Urkunden des 14. und 15. Jahrhunderts. In: K. Burdach (Hrsg.): Vom Mittelalter zu Reformation. Band IX,2. 1936.
  • Zur Geschichte der schlesischen Mundart im Mittelalter. Untersuchungen zur Sprache und Siedlung in Ostmitteldeutschland (= Deutschkundliche Arbeiten: B. Schlesische Reihe. Band 3). Breslau 1937; zugleich Habilitation Universität zu Breslau, 1933; Neudruck, besorgt von Wolfgang Kleiber, Mainz 1987.
  • als Hrsg. mit Ernst Boehlich: Das älteste schlesische Walenbuch. Breslau 1938.
  • Geschichte der deutschen und englischen Sprache. 3 Bände. Göttingen 1946–1949.
  • Gudrun: Der Hildeteil. Göttingen 1947.
  • Andreas Gryphius: Das verliebte Gespenst, Die geliebte Dornrose. 1947.
  • Die Gudrunsage in den Ober- und Niederlanden: Eine Vorgeschichte des Epos. Göttingen 1948
  • Dichtung und Wahrheit: Johann Wolfgang von Goethe, Gütersloh 1948
  • Niedersächsisches Wörterbuch. 8 Bände. Erste Lieferung Neumünster 1951, Neuauflage 1953 ff.
  • Die Treverer zwischen Germanen und Kelten. 1954.
  • Vom Merowingischen zum Französischen. 1954/1955.
  • Historisches Lexikon der Siedlungs- und Flurnamen des Mosellandes (= Schriftenreihe zur Trierischen Landesgeschichte und Volkskunde). Trier 1962/1963.
  • Spuren eines sprachlichen Gegensatzes zwischen Franken und Alemannen (= PBB. Band 93). 1971.
  • Die Treverer (= Bulletin linguistique et ethnologique. Band 18). Luxemburg 1972.
  • Nord-, Ost- und Westgermanen im 1. Jahrhundert nach Christi Geburt (= Leuvense Bijdrage. Band 63). 1974.
  • Zur Geschichte des Moselromanischen. Studien zur Lautchronologie und zur Winzerlexik (= Mainzer Studien zur Sprach- und Volksforschung. Band 4). Wiesbaden 1979.
  • Sprachliche Studien zur germanischen Altertumskunde. Wiesbaden 1981.
  • Nikolaus von Kues. Die Vaterunser-Auslegung. 1982.
  • Die Einwirkung der karolingischen Renaissance auf das mittlere Rheinland. Stuttgart (1985) 1986.

Literatur

  • Richard Laufner (Herausgeber): Festgabe für Wolfgang Jungandreas zum 70. Geburtstag am 9. Dezember 1964 : Beiträge zur deutschen Sprachgeschichte, Landes-, Volks- und Altertumskunde, Trier 1964
  • Wolfgang Haubrichs: Nachruf auf Prof. Dr. Wolfgang Jungandreas. In: Kurtrierisches Jahrbuch. Band 31 (1991), S. 17–19

Einzelnachweise

  1. Jungandreas, Wolfgang. In: Walter Habel (Hrsg.): Wer ist wer? Das deutsche Who’s who. 24. Ausgabe. Schmidt-Römhild, Lübeck 1985, ISBN 3-7950-2005-0, S. 592.
  2. Bundesarchiv R 9361-IX KARTEI/18661262
  3. Internationales Germanistenlexikon 1800–1950. Berlin 2003, S. 865.
  4. Jungandreas, Wolfgang. In: Walter Habel (Hrsg.): Wer ist wer? Das deutsche Who’s who. 24. Ausgabe. Schmidt-Römhild, Lübeck 1985, ISBN 3-7950-2005-0, S. 592.
  5. Fünfzig Jahre Historische Kommission für Schlesien. In: Jahrbuch der Schlesischen Friedrich-Wilhelms-Universität zu Breslau. Band 17, 1972, Mitgliederverzeichnis S. 414.
  6. Jungandreas, Wolfgang. In: Walter Habel (Hrsg.): Wer ist wer? Das deutsche Who’s who. 24. Ausgabe. Schmidt-Römhild, Lübeck 1985, ISBN 3-7950-2005-0, S. 592.