William Nylander (Botaniker)

William Nylander (* 3. Januar 1822 in Oulu; † 29. März 1899 in Paris, Frankreich) war ein finnischer Zoologe, Botaniker und insbesondere Lichenologe. Sein offizielles botanisches Autorenkürzel lautet „Nyl.“
Leben
William Nylander wurde in Oulu in der finnischen Provinz Nordösterbotten geboren. Sein Vater, Anders Nylander, stammte aus einer Kaufmannsfamilie und war Stadtrat. Seine Mutter, Margareta Magdalena Fahlander, kam aus einem eher intellektuellen Elternhaus. Nach dem Abitur in Helsinki am 12. Juni 1839 studierte Nylander in Helsinki Medizin. Darüber hinaus studierte er Botanik und Zoologie in Stockholm und Uppsala. Nylander wurde 1847 an der Universität Helsinki zum Doktor der Medizin promoviert. Von 1847 bis 1849 war er als Arzt tätig;[1] nach einer anderen Quelle ging er 1848 für mehrere Jahre nach Paris.[2]
Nylander widmete fast sein gesamtes (wissenschaftliches) Leben den Flechten (lat.: Lichen). Mit Hilfe eines Stipendiums konnte Nylander seine Forschungsarbeiten zwischen 1850 und 1858 fortführen.[3] Sein Forschungen brachte ihn unter anderem nach London und Berlin; letztlich verbrachte er jedoch viel Zeit in Paris, einer Stadt, die er liebte.[4] Dadurch, sowie durch weitere Auslandsreisen entfremdete er sich immer mehr von Finnland, so dass er sich erst nach jahrelangem Zögern um die an der Kaiserlichen Alexander-Universität zu Finnland neu geschaffene Professur für Botanik bewarb. 1857 trat er die Stelle an. Von 1859 bis 1863 war er erst stellvertretender Vorsitzender, später Vorsitzender der Societas pro Fauna et Flora Fennica. Nachdem er sechs Jahre als Professor tätig gewesen war, gab er dieses Amt 1863 auf und übersiedelte nach Paris, wo er als überwiegend freier Wissenschaftler ohne feste Anstellung und regelmäßiges Einkommen lebte. Er hatte nur gelegentlich Arbeit am Muséum national d’histoire naturelle. Eine feste Anstellung als Kurator der Flechten-Sammlungen des Muséum national d’histoire naturelle war wegen wissenschaftlicher Meinungsverschiedenheiten nur von kurzer Dauer. Erst nachdem er seine Flechten-Sammlung und Bibliothek der Universität Helsinki vermacht hatte, erhielt er ab 1878 aus Finnland eine bescheidene Pension, was seine finanzielle Situation verbesserte.[3] Schließlich zog er in die passage des Thermopyles im Quartier du Petit-Montrouge, dem heutigen 14. Arrondissement.[4] Hier verbrachte er zurückgezogen elf Jahre mit seinen Forschungen, bevor er 1899 unverheiratet starb. Er liegt auf dem Cimetière parisien de Bagneux begraben. Auf seinem Grabstein stehen die Worte: Génie solitaire toujours entièrement voué au travail, ainsi fut ta vie, ainsi fut ton bonheur! (deutsch: Einsamer Genius, der sich stets ganz seiner Arbeit verschrieben hat – so war dein Leben, so war dein Glück!).[4]
Werk
Nach der Promotion wandte sich Nylander zunächst der Zoologie zu, speziell der Insektenforschung (Entomologie), dann erst der Botanik. 1853 veröffentlichte er seine erste Arbeit in Frankreich, welche die Flechten in Algier zum Thema hatte. Doch schon ein Jahr später, 1854, hatte er sich so umfassende Kenntnisse zu Flechten angeeignet, dass er ein neues Flechten-Einteilungssystem entwarf. Die von ihm vorgeschlagene Einteilung basiert auf Grundsätzen, von denen er niemals wieder abging.[2]
In der Societas pro Fauna et Flora Fennica prägte er nachhaltig deren wissenschaftliche Veröffentlichungen, wobei seine Publikationen bezüglich der Flora der Region Helsinki und Kareliens als Ausgangspunkt der finnischen Pflanzenforschung gelten.[3] Als die Sammlungen der Societas pro Fauna et Flora Fennica und der Universität Helsinki zusammengelegt wurden, veröffentlichten Nylander und Thiodolf Sælan 1859 einen Katalog der finnischen Pflanzen- und Pilzarten und deren Verbreitung. Sie unterteilten dabei Finnlands Geographie erstmals nach naturkundlichen Aspekten.[3]
In Paris baute er eine umfangreiche Flechtensammlung auf und entwickelte sich zu einem der weltweit führenden Lichenologen seiner Zeit. Einerseits sammelte er die Flechten seines Archivs in Frankreich selbst und beschrieb Flechten-Typusexemplare wissenschaftlich neu. Andererseits sandten ihm Wissenschaftler aus der ganzen Welt Exemplare zu.[3] Nylanders Flechtensammlung mit mehr als 50.000 Mustern befindet sich heute an der Universität Helsinki im Finnish Museum of Natural History. Insgesamt beschrieb er geschätzt etwa 3000 Arten bzw. Formen von Flechten und publizierte über 300 wissenschaftliche Arbeiten.[3][4]
Nylander beobachtete, dass Flechten chemisch unterschiedlich sein können. Er setzte diese Unterschiede mit morphologischen und anatomischen Merkmalen gleich. So führte er als taxonomisches Hilfsmittel bis heute verwendete chemische Bestimmungsmethoden in die Lichenologie ein (Iodid, Hypochlorit), die durch Farbreaktionen Verwandtschaftsbeziehungen aufzeigen.[3][5]
Bei der Beobachtung der Pariser Flechten bemerkte Nylander, dass viele im Umland nachgewiesene Arten nicht in der Stadt vorkamen. Nylander war der Erste, der auf den Zusammenhang zwischen Luftverunreinigung und zurückgehendem Flechtenbewuchs hinwies.[3][6][7] Er schlug vor, Flechten als „Hygienemeter“ (von ihm geprägter Begriff für Bioindikator) für die Luftqualität zu betrachten. Er legte so die Basis für den Einsatz von Flechten als Bioindikatoren für Luftqualität, wobei Flechten alle Umweltfaktoren berücksichtigen und somit als globaler Indikator wirken.[6][7]
Wissenschaftliche Auseinandersetzung
Auf Grund seiner Vielzahl von Veröffentlichungen drängte Nylander die Erkenntnisse andere Wissenschaftler in den Hintergrund. So wurden die Arbeiten von Abramo Bartolommeo Massalongo, Gustav Wilhelm Körber und Johannes Müller Argoviensis erst viel später gewürdigt. Nylander widersprach vehement (bis hin zu persönlichen Beleidigungen) der Theorie, dass Flechten als symbiotische Beziehungen zwischen Pilzen und Algen angesehen werden können. Diese von Simon Schwendener aufgebrachte und verfochtene Ansicht ist heute als richtig anerkannt. Nylander brach langjährige Kontakte nicht nur zu Befürwortern dieser Theorie ab, sondern auch zu jenen, die sich nicht ausdrücklich gegen die Theorie aussprachen und Nylanders Thesen vertraten. Als Folge sah er sich mehr und mehr in der Lichenologenwelt isoliert.[3]
Ehrungen
- 1856 erhielt er von der Société Linnéenne de Bordeaux eine Geldprämie und eine Medaille für seine Forschungen über Ameisen und Flechten.[3]
- Ab 1891 war er Ehrenvorsitzender der Societas pro Fauna et Flora Fennica.[3]
- 1869 verlieh ihm die französische Akademie der Wissenschaften den Prix Desmazières.[3]
Nach Nylander sind die Flechtengattungen Nylanderaria Kuntze, Nylanderiella Hue, Nylanderopsis Gyeln. und die Algengattung Nylandera Har. benannt.[8]
Weblinks
- Autoreneintrag für William Nylander (Botaniker) beim IPNI
Einzelnachweise
- ↑ Ylioppilasmatrikkeli 1640–1852. Studentenregister 1640–1852. In: Universität Helsinki. Abgerufen am 5. September 2025 (finnisch).
- ↑ a b F. Arnold: William Nylander. In: zobodat.at. 1. Dezember 1899, S. 3, abgerufen am 6. September 2025.
- ↑ a b c d e f g h i j k l Orvo Vitikainen: Nylander, William (1822 - 1899). In: Finnish Biographies. National Biography of Finland, abgerufen am 5. September 2025 (englisch).
- ↑ a b c d Il était une fois... William Nylander, un lichénologue dans le petit Montrouge. In: Mairie de Montrouge (Hrsg.): Mntrouge Mag. Nr. 186. Montrouge, Frankreich Juni 2025, S. 57 (calameo.com).
- ↑ Orvo Vitikainen: William Nylander (1822–1899) and Lichen Chemotaxonomy. In: The Bryologist. Band 104, Nr. 2, Juni 2001, ISSN 0007-2745, S. 263–267, doi:10.1639/0007-2745(2001)104[0263:wnalc]2.0.co;2.
- ↑ a b W. Nylander: Les lichens du Jardin du Luxembourg. In: Bull. Soc. Fr. Band 13, 1886, S. 364–372, doi:10.1080/00378941.1866.10827433.
- ↑ a b Asta Juliette: Lichens and environmental quality. In: Encyclopedia of the Environment. 26. November 2019, abgerufen am 8. September 2025 (englisch).
- ↑ Lotte Burkhardt: Verzeichnis eponymischer Pflanzennamen – Erweiterte Edition. Teil I und II. Botanic Garden and Botanical Museum Berlin, Freie Universität Berlin, Berlin 2018, ISBN 978-3-946292-26-5, doi:10.3372/epolist2018.