Wilhelm Schmundt

Wilhelm Schmundt (1986)

Wilhelm Schmundt (* 10. Januar 1898 in Metz; † 23. April 1992 in Hannover) war ein goetheanistischer Forscher auf physikalischem und sozialwissenschaftlichem Feld.

Leben

Schmundt, im damals deutschen Metz geboren, war ein Sohn des preußischen Offiziers Richard Schmundt und Bruder des späteren Generals der Wehrmacht Rudolf Schmundt. Im Ersten Weltkrieg begann 1915 sein Einsatz, den er 1918 als Kompaniechef in einem brandenburgischen Füsilier-Regiment beenden konnte.

Seit Dezember 1918 studierte Schmundt an der Technischen Hochschule Berlin-Charlottenburg Maschinen-Ingenieurwesen mit Schwerpunkt Elektrotechnik, das er Ende 1922 als Diplom-Ingenieur abschloss.[1] Danach arbeitete er als Assistent am Institut für Technische Physik der TH Berlin. Während der Studienzeit fand Schmundt Kontakt zur Anthroposophie, besuchte 1926 die Baustelle des zweiten Goetheanums und erwarb die Mitgliedschaft in der Freien Anthroposophischen Gesellschaft.

Ab 1925 übernahm Schmundt innerhalb der Provinzialverwaltung Ostpreußen in Königsberg eine Tätigkeit als Ingenieur bei der Ostpreußenwerk AG. Im Laufe von sieben Jahren erweiterte sich sein Verantwortungsbereich für die Elektrizitätsversorgung in Ostpreußen sowie in Westpreußen. Im Zusammenhang mit ihren beruflichen Tätigkeiten in der Energieversorgung lernte Schmundt 1940 Hans-Georg Schweppenhäuser kennen. Es entwickelte sich eine lebenslange Freundschaft, die auch gegensätzliche sozialwissenschaftliche Positionen ertragen konnte.

Im Mai 1942 wurde Schmundt als Reservist zur Wehrmacht eingezogen und war gegen Ende des Krieges im Stab des Generals Walter Dornberger bei den Raketentruppen eingesetzt.[2]

Auf Einladung von Ernst Weißert besuchte Wilhelm Schmundt die Ostertagung der Freien Waldorfschulen in Stuttgart. Ab Mai 1946 war er – bis zur Pensionierung im Jahr 1965 – Lehrer für die Fächer Physik, Mathematik und Sozialkunde an der Freien Waldorfschule Hannover-Maschsee.

Ideen und Werk

In der Untersuchung der ökonomischen und sozialen Wirklichkeit der heutigen Zeit entwickelte Wilhelm Schmundt eine "Elementarlehre", die dem Verständnis eines jeden Menschen zugänglich sein soll. Er beschreibt darin, wie das moderne arbeitsteilige Wirtschaftsleben heute die gesamte Erde umfasst. Sie wird so erfahrbar als "sozialer Organismus", als "Ganzheitsgestaltung des Sozialen", in dem die Unternehmen – jenseits von privater Willkür oder staatlichem Zwang – als "freie Unternehmen" im Dienst des Bedarfs zusammenwirken können.[3]

Wilhelm Schmundt zeigt dabei, wie in unserer Welt die einzelnen Einheiten des Wirtschaftslebens nicht bloß nebeneinander stehen und ihre Arbeitsergebnisse "austauschen". Vielmehr wird das Geschehen von differenzierten Vorgängen des Rechtslebens – vermittelt durch das Geld und organisiert in einem System unterschiedlicher Bankfunktionen – begleitet. Dabei sorgt ein alles durchziehendes Geistesleben umfassender Gespräche und Beratungen dafür, dass jede einzelne Entscheidung aus Einsicht in die Zusammenhänge des Ganzen getroffen werden kann. Erfahrbar wird das Bild einer „Dreigliederung“, in der die Glieder nicht nebeneinanderliegend gedacht werden, sondern als sich durchdringende gesellschaftliche Funktionen, in denen die Richtkräfte von Freiheit, Gleichheit und Solidarität wirksam werden können.[4]

Rezeption

Nach einem zwanzigjährigen Studium des nationalökonomischen Denkens von Rudolf Steiner veröffentlichte Schmundt im Jahr 1950 einen ersten Aufsatz über die Wandlung des Kapitalbegriffs.[5] Die Beschreibung des phänomenologischen Gedankenweges erzeugte Widerspruch, insbesondere seines Freundes Hans-Georg Schweppenhäuser. Zustimmung erhielt Schmundt von Rudolf Kreutzer, Fritz Götte, Folkert Wilken und Hunold Graf von Baudissin. Eine wirksame Rezeption begann jedoch erst ab 1972 durch den Achberger Kreis. Auf einer Sommertagung 1973 in Achberg begegnete Wilhelm Schmundt dem Aktionskünstler Joseph Beuys, der die Forschungen Wilhelm Schmundts aufnahm und mit ihnen seine Idee der „Sozialen Plastik“ entwickelte.[6]

Werke (Auswahl)

  • Erkenntnisübungen zur Dreigliederung des sozialen Organismus. Achberger Verlag, Achberg 1982, ISBN 3-88103-021-2.
  • Der soziale Organismus in seiner Freiheitsgestalt. (= Studienmaterial der Freien Hochschule für Geisteswissenschaft). Philosophisch-Anthroposophischer Verlag am Goetheanum, jetzt FIU-Verlag: ISBN 978-3-928780-08-7
  • Zwei Grundprobleme des 20. Jahrhunderts. Freie Volkshochschule Argental, Wangen 1988, jetzt FIU-Verlag (neu erschienen 2025)
  • Zeitgemäße Wirtschaftsgesetze. Über die Rechtsgrundlagen einer nachkapitalistischen, freien Unternehmensordnung. Entwurf einer Einführung. Achberger Verlag, Achberg 1975, ISBN 3-88103-050-6.
  • Die Aufgabe Mitteleuropas. Die Lehre vom sozialen Organismus in seiner Freiheitsgestalt als Brückenschlag zwischen Ost und West. FIU-Verlag, Wangen 1997, ISBN 3-928780-16-6.
  • Denkschritte – Auf dem Weg zur Idee des sozialen Organismus. FIU-Verlag, Achberg 1999, ISBN 3-928780-21-2, enthält den Vortrag von Schmundt: „Auf dem Weg zur Idee des sozialen Organismus“ auf CD vom 31. Dezember 1976 im Int. Kulturzentrum Achberg.
  • Rainer Rappmann (Hrsg.): „Die Kunst des sozialen Bauens“ – Beiträge zu Wilhelm Schmundt. FIU-Verlag, Achberg 1993, ISBN 3-928780-05-0.

Quellen

  • Wilhelm Schmundt: "Wilhelm Schmundt. Lebenslauf und Bildungsgang". Niedersächsisches Landesarchiv Hannover. NLA HA Nds. 120 Hannover Acc. 2020/8 Nr. 911.
  • Ulrich Rösch: Schmundt, Wilhelm. In Bodo von Plato (Hrsg.): Anthroposophie im 20. Jahrhundert. Ein Kulturimpuls in biografischen Porträts. Dornach, Verlag am Goetheanum, 2003, ISBN 3-7235-1199-6, S. 719–20.

Einzelnachweise

  1. Studienbelege befinden sich im Archiv des Historisch Technischen Museums Peenemünde.
  2. "Lebenslauf und Bildungsgang" vom 14. Dezember 1952 im Niedersächsischen Landesarchiv Hannover (NLA HA, Nes. 120 Hannover Acc. 2020/8 Nr. 911). Der Wehrpass befindet sich im Archiv des Historisch Technischen Museums Peenemünde. Die Einsatzorte waren Schwedt und Paris.
  3. Wilhelm Schmundt: Der soziale Organismus in seiner Freiheitsgestalt. Dornach/Schweiz 1968, S. 10 ff.
  4. Wilhelm Schmundt: Der soziale Organismus in seiner Freiheitsgestalt. Dornach/Schweiz 1968, S. 37 ff.
  5. Wilhelm Schmundt: Wandlung des Kapitalbegriffs. In: die drei. Zeitschrift für Anthroposophie in Wissenschaft, Kunst und sozialem Leben. Heft 2/1950, S. 95ff.
  6. Herbert Schliffka: Der Achberger Impuls. (Memento vom 5. Juli 2016 im Internet Archive)