Wilhelm Hagedorn (Kommunist)
Wilhelm Hagedorn (* 11. Juli 1894 in Rhinow; † 17. Juni 1953 in Rathenow) war ein deutscher Kommunist und Polizist der DDR. Im Zuge des Aufstands vom 17. Juni 1953 wurde der in ganz Rathenow verhasste Hagedorn gelyncht. Damit gehört er zu den insgesamt 55 belegten Todesopfern des Aufstands.
Leben
Wilhelm Hagedorn arbeitete als Melker, Transportarbeiter, Maler und Landarbeiter. Er war verheiratet mit Helene Hagedorn (1904–1968). 1920 trat er in die KPD ein und wurde Mitglied des Roten Frontkämpferbundes. Während der Zeit des Nationalsozialismus war er in einem Konzentrationslager eingesperrt und arbeitete nach der Entlassung als Hilfsarbeiter im Rathenower Hafen.
Nach 1945 war Hagedorn drei Jahre lang bei der politischen Leitung der Polizei angestellt. Danach ließ er sich aus Altersgründen aus der Polizei entlassen und wurde Leiter des Betriebsschutzes der HO-Läden in Rathenow.
Hagedorn wurde nachgesagt, als sowjetischer Agent gearbeitet und Mitmenschen ausspioniert zu haben. Er soll sich 1951 in einer Gaststätte damit gebrüstet haben, er habe an die 300 „Faschisten“ und „imperialistische Agenten“ entlarvt und einsperren lassen. Das machte ihn in Rathenow verhasst und selbst einige SED-Genossen verließen den Tisch, wenn Hagedorn sich hinzusetzte.[1] Auch der Westberliner Rundfunksender RIAS hatte namentlich vor Hagedorn gewarnt.
Ermordung
Am Vormittag des 17. Juni 1953 kam es infolge des DDR-weiten Aufstands auch in Rathenow zu einer Demonstration. Etwa 8.000 versammelten sich auf dem Marktplatz und forderten die Wiedereinsetzung des ehemaligen Bürgermeisters Paul Szillat. Szillat war 1950 verhaftet und 1951 in einem Schauprozess zu acht Jahren Zuchthaus verurteilt worden. Nach der Kundgebung zerstreute sich die Menge zunächst. Zur selben Zeit verließen Hagedorn und seine Ehefrau einen HO-Laden und wurden schnell von mehreren Protestierenden erkannt. Ein junger Mann wollte Hagedorn aufhalten, was dazu führte, dass jener den Demonstranten mit einem Gummiknüppel schlug. Es gelang dem Demonstranten jedoch, den Gummiknüppel zu entwenden, sodass er im Anschluss seinerseits damit auf Hagedorn einschlug.
Nun kamen weitere Personen, die zuvor an der Kundgebung teilgenommen hatten, hinzu und verprügelten Hagedorn und seine Frau. Danach trieb man Hagedorn durch die Stadt, während man seine Frau sich selbst überließ. Dabei schrie eine Frau, dass Hagedorn ihren Mann ins Zuchthaus gebracht habe. Dieser und weitere Zurufe stachelten die Menge weiter an. Es wurde gefordert, Hagedorn zu hängen, was sich aber als zu kompliziert erwies. Stattdessen trieb die Menge Hagedorn, der aufgrund der vielfachen Misshandlungen mittlerweile gestützt werden musste, zum Schleusenkanal. Dort setzte man ihn auf die Kanalmauer und zählte bis drei. Anschließend sprang Hagedorn ins Wasser und versuchte schwimmend, zum gegenüberliegenden Ufer zu gelangen. Dieses erreichte er zwar, wurde aber von zwei Jugendlichen, die ihm in einem Ruderboot gefolgt waren, erneut ins Wasser gezerrt. Nach Angaben des Ministeriums für Staatssicherheit erhielt Hagedorn dabei auch mit einem Ruder einen Schlag auf den Kopf.[2] Die mittlerweile alarmierte Kriminalpolizei zog Hagedorn jedoch aus dem Wasser und brachte ihn ins Krankenhaus.
Wilhelm Hagedorn starb um 16:50 Uhr an einer Hirnblutung.[2] Noch im Krankenhaus hatte sich ein Großteil der Angestellten geweigert, Hagedorn für die erforderlichen Untersuchungen zu entkleiden.
Andenken und juristische Konsequenzen
Wilhelm Hagedorn bekam ein Staatsbegräbnis der DDR. Allerdings waren die wenigsten der Trauergäste aus Rathenow. In der Stadt wurde sein Tod weitläufig begrüßt.[1] Im folgenden Strafprozess wurde die Frau, die geschrien hatte, Hagedorn habe ihren Mann ins Zuchthaus gebracht, zu 10 Jahren Zuchthaus wegen Anstiftung zum Mord verurteilt. Ihr Mann war tatsächlich im Juli 1945 nach Anzeige durch den damaligen Polizisten Hagedorn verhaftet worden, weil er SS-Unterscharführer gewesen war. Der junge Mann, der Hagedorn mit dessen Gummiknüppel geschlagen hatte, erhielt eine Zuchthausstrafe von acht Jahren. Zwei junge Männer, ein Traktorist und ein Arbeiter, erhielten als die vermeintlichen Hauptbeteiligten zunächst die Todesstrafe. Beide hatten gestanden, auf Hagedorn eingeschlagen zu haben, es konnte aber nicht nachgewiesen werden, dass ihre Schläge auch wirklich zum Tod des Wachmanns geführt hatten. In einem Berufungsverfahren vor dem Obersten Gericht der DDR wurde die Todesstrafe in 15 Jahre Zuchthaus umgewandelt.
1997 wurde der Grabstein von Wilhelm Hagedorn und seiner Ehefrau Helene mit Zustimmung der Denkmalschutzbehörde vom Rathenower Friedhof entfernt und das Grab eingeebnet.
Literatur
- Hans-Ulrich Stoldt, Klaus Wiegrefe: Tod in Rathenow. In: Der Spiegel. Nr. 25/2003 (online).
Einzelnachweise
- ↑ a b Ilko-Sascha Kowalczuk: 17. Juni 1953. C. H. Beck, München 2013, ISBN 978-3-406-64539-6, S. 81.
- ↑ a b Meldungen aus Rathenow/Premnitz. Bundesbeauftragter für die Stasi-Unterlagen, archiviert vom am 4. März 2016; abgerufen am 4. September 2025.