Wiental-Kanal

Der Wiental Kanal wurde als speichernder Entlastungskanal für den Rechten und den Linken Wientalsammelkanal bis 2005 zwischen dem Rüdigerhof (oben) in Wien und der Urania (unten am Gewässer Donaukanal) errichtet. Bauherr ist die Stadt Wien, Errichter ist die Arge WSKE (Wiental SpeicherKanal Errichtung). Seit 2023 erfolgt der Bau der oberwasserseitigen Fortsetzung, deren Inbetriebnahme für 2028 geplant ist.[1]

Ausgangslage, Vorgeschichte

Das Römerlager Vindobona verfügte um das Jahr 100 n. Chr. über eine Kanalisation mit gebrannten Rohren und offenen Kanälen.[2] Bereits um 1750 waren in der Inneren Stadt alle Häuser an eine Kanalisation angeschlossen worden.[3]

Das Bevölkerungswachstum Wiens und seiner Vororte im Wiental, welches im zweiten Drittel des 19. Jahrhunderts seinen Höhepunkt erlebte und die zunehmende wirtschaftliche Nutzung führten dazu, dass der Wienfluss als offener Abwassersammler für private und industrielle Abwässer, Fäkalien und Abfällen benutzt wurde.[4]

Aufgrund der damals noch fehlenden Wiener Hochquellwasserleitungen kam es regelmäßig zu Choleraepidemien, die aus der Verunreinigung von Trinkwasser in bis dahin üblichen Hausbrunnen stammte. Die folgenschwerste ereignete sich im Jahr 1873, während der Wiener Weltausstellung. Entlang des Wienflusses wurden 1830 die Wienflusssammelkanäle („Cholerakanäle“) errichtet, die in den Bezirken 1, 3, 4, 5, 6, 7, 12, 13, 14, 15 und 16 im Mischwassersystem ein Gebiet von ungefähr 5.800 Hektar entwässern.

Auf einer Gesamtstrecke von rund 27,5 Kilometern (Linker Wienflusssammler ungefähr 15 km, Rechter Wienflusssammler ungefähr 12,5 km Länge) wurden insgesamt 63 Regenüberlaufwehre errichtet. Über diese konnten die Abwässer, die durch Regenwasser einen bestimmten Verdünnungsgrad – den man zum Zeitpunkt der Errichtung der Kanäle als zulässig erachtete – erreicht hatten, ungeklärt in den Wienfluss und in weiterer Folge über den Donaukanal in die Donau abfließen.[5]

Mit fortschreitender Besiedlung stieg die Abwassermenge, so dass sich bei gleichbleibendem Kanalquerschnitt und gleichbleibender Wehrhöhe die Kloake immer öfter und immer weniger verdünnt in den Wienfluss ergoss, was angesichts des ekelerregenden Geruches und Anblickes einen zunehmend untragbaren Umstand ergab und nach einer Lösung verlangte.

Beschreibung

Beim Wientalsammelkanal-Entlastungskanal (WSKE) handelt es sich um eine unterhalb des Wienflusses in geschlossener Bauweise parallel zum Wienfluss errichtete Kanalröhre, die regelmäßig mit Überläufen aus dem Rechten und Linken Wientalsammelkanal verbunden ist.[6]

Phase 1

Der Wiental Kanal besitzt hier einen Außendurchmesser von 8,6 Metern und einen Innendurchmesser von 7,5 Metern und liegt rund 30 Meter unter der Erdoberfläche. Die Errichtung erfolgte in 3 Bauabschnitten. Sein Speichervolumen beträgt hier 100.000 m3.

Der erste Abschnitt hat eine Länge von 3.500 Metern und endet nahe der Urania am Donaukanal, wo der Kanal in den Rechten Hauptsammelkanal-Entlastungskanal mündet.

Zwischen 1997 und 2001 wurde dessen erste Bauabschnitt mit einer Länge von 800 Metern hinauf bis zum Stadtpark errichtet. Die Baukosten für diesen Abschnitt betrugen 16,1 Millionen Euro. Zwischen Mai 2003 und April 2005 wurde, weiter immer unter dem Wienfluss bleibend, der WSKE bis Margareten, konkret zum Ernst-Arnold-Park beim Rüdigerhof an der Rechten Wienzeile errichtet. Anschließend wurden die beiden Wienflusssammelkanäle an den Wiental-Kanal angeschlossen und die technischen Einrichtungen eingebaut.

Technisch aufwändig war der Bauabschnitt im Bereich der U1-Strecke am Karlsplatz. Diese wurde in einem Höhenabstand von nur 3 Metern von der Schildbohrmaschine untergraben. Gesichert wurde dieser U-Bahnabschnitt durch 90 Beton-Injektionen.[7]

Phase 2

Als derzeit größtes Kanalprojekt Wiens wird seit März 2023 der WSKE nach Westen (stromaufwärts des Wienfluss) um weitere 9 km bis Auhof (Auhofstr. 255) im Bezirk Hietzing verlängert.[8]

Mittels Tunnelbohrmaschine wird der WSKE von einem Angriffsschacht nahe der U4-Station Margaretengürtel aus in beide Richtungen vorgetrieben. Er wird ein Speichervolumen für 60.000 m3 aufweisen und einige Überläufe aus dem Wienfluss übernehmen. Die Bauarbeiten dauern bis 2027, der Vollbetrieb erfolgt 2028. Die Kosten der Verlängerung werden auf 250 Mio. € geschätzt.[9]

Im März 2025 wurde die 135 m lange Tunnelbohrmaschine Krümel mit 4 m Durchmesser in 22 Teilen angeliefert und eingehoben. Der Innendurchmesser (Ausbaudurchmesser) dieses Kanalabschnittes wird 3 m betragen.[10]

Aufgabe

Aufgabe des Wiental Kanals ist nicht eine beschleunigte Ableitung von Abwässern, denn er ist als Speicherkanal angelegt. Er soll möglichst viel jener Mischwassermengen, die bisher insbesondere infolge von Starkregen und versiegelten Flächen (viele Viertel haben 80–90 % Versiegelungsgrad[11]) unkontrolliert überliefen und ungeklärt in die Donau abflossen, aufnehmen und wie ein Rückhaltebecken so lange aufstauen, bis die für diesen Zweck erweiterte Hauptkläranlage in Simmering wieder über freie Aufnahmekapazität verfügt. Anschließend wird der Wiental Kanal entleert.[12]

Das Fassungsvermögen der Kanalröhre beträgt mit Stand 2023 ungefähr 110.000 Kubikmeter.[13]

Übergeordnetes Konzept

Die Idee, den Wiental Kanal als unterirdischen Stausee zu errichten, ist Teil des Gesamtkonzepts „Masterplan 2015 - Neue Wege der Wiener Abwasserwirtschaft und Gewässerschutz“, das bis 2015 realisiert werden sollte.

Anlass dafür ist das Ziel der Stadt Wien, das ungeklärte Abfließen von Mischwasser (Regenwasser plus Abwasser) zu verhindern, ohne dafür ungenutzte Kapazitäten in der Hauptkläranlage errichten zu müssen.

Vorgesehen ist, im Falle von starken Regenfällen das vor allem in den vier großen Hauptsammelkanälen zur Verfügung stehende Speichervolumen von rund 700.000 Kubikmeter Wasser zu nutzen und das Mischwasser in jenen Mengen, die die Hauptkläranlage Simmering verarbeiten kann, dorthin abzuleiten.[14]

Einzelnachweise

  1. Infrastruktur : 135 Meter langer Kanal-Bohrer angekommen. In: orf.at. 13. März 2025, abgerufen am 13. März 2025.
  2. Kanalisation in Vindobona. Wien Geschichte Wiki, abgerufen am 19. September 2025.
  3. Stadtplan, Kanalisation (1739). Wien Geschichte Wiki, abgerufen am 19. September 2025.
  4. Die Fabriken des Wientals. 1133.at Sankt Veit an der Wien, abgerufen am 19. September 2025.
  5. http://www.wien.gv.at/kanal/technik/wienfls.htm@1@2Vorlage:Toter Link/www.wien.gv.at (Seite nicht mehr abrufbar, festgestellt im Mai 2019. Suche in Webarchiven)  Info: Der Link wurde automatisch als defekt markiert. Bitte prüfe den Link gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.
  6. Wiental Kanal. Wien Geschichte Wiki, abgerufen am 19. September 2025.
  7. Archivierte Kopie (Memento des Originals vom 27. November 2007 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.wien.gv.at
  8. Wiental Kanal wird 9 Kilometer verlängert. In: Stadt Wien. 13. März 2025, abgerufen am 19. September 2025.
  9. Wientalkanal wird verlängert. orf.at, 20. März 2023, abgerufen am 20. März 2023.
  10. Infrastruktur : 135 Meter langer Kanal-Bohrer angekommen. In: orf.at. 13. März 2025, abgerufen am 13. März 2025.
  11. APA: Grünraum : Stadtforscher errechnen Versiegelungsgrad in Wiener Stadtviertel. In: derstandard.de. 13. Mai 2021, abgerufen am 13. März 2025.
  12. Der Wiental Kanal - ein internationales Musterprojekt. In: stahn.com. Stahn electronics Gmbh, CH, 24. Mai 2021, abgerufen am 13. März 2025: „Zahlreiche Bilder. Stahn lieferte ein Zugleitsystem der Baubetriebsbahn.“
  13. ? In: stadt-wien.at. . Nicht mehr abrufbar 2025-03-13.
  14. http://www.stadtrechnungshof.wien.at/berichte/2004/lang/4-14-KA-V-30-1-5.pdf

Koordinaten: 48° 12′ 12,7″ N, 16° 22′ 47,6″ O