Widerstandsbremse

Bremswiderstände einer Widerstandsbremse auf dem Dach eines Wiener Straßenbahntriebwagen Type E (hinter dem Stromabnehmer)
Bremswiderstände unter dem Wagenkasten der RŽD-Baureihe ЭД4M
Theoretische Bremskraftkennlinien der Baureihen 101 und 139

Als Widerstandsbremse (auch als generatorische Bremse oder Kurzschlussbremse bekannt) bezeichnet man in der Antriebstechnik eine Bremsmethode, bei der Elektromotoren mittels spezieller Bremswiderstände abgebremst werden.[1]

Aufbau und Funktion

Es gibt netzabhängige und netzunabhängige Widerstandsbremsen.[2] Beide Varianten nutzen wie jede elektromotorische Bremse aus, dass sich ein Elektromotor durch einfaches Umpolen als Generator betreiben lässt. Die Bewegungsenergie der Arbeitsmaschine wird somit in elektrische Energie umgeformt.[3] Der Unterschied zwischen den beiden Varianten liegt in der Erzeugung der Erregerspannung. Da bei der netzabhängigen Widerstandsbremse die Erregerspannung aus der Hilfsbetriebewicklung des Haupttransformators stammt, funktioniert diese nur bei eingeschaltetem Hauptschalter. Bei der netzunabhängigen Widerstandsbremse wird das Erregerfeld zunächst durch einen Stromstoß aus der Batterie erzeugt und anschließend mit einem Teil des erzeugten Bremsstroms aufrechterhalten.[2]

Die in elektrische Energie umgewandelte Bremsenergie wird über spezielle Bremswiderstände in Wärme umgewandelt.[3] Diese können im Maschinenraum, auf dem Dach, im Fahrgastraum oder unter dem Fahrzeug angeordnet sein. Die Bremswiderstände können sich stark erwärmen und müssen daher gekühlt werden. Wenn die Eigenbelüftung, gegebenenfalls durch den Fahrtwind, nicht ausreicht, ist eine Fremdbelüftung durch entsprechende Lüfter erforderlich.[4] Werden diese Lüfter elektrisch angetrieben, kann auch dafür ein Teil der Bremsenergie genutzt werden.

Um die Bremse wirksam werden zu lassen, wird der Motor vom Netz getrennt und auf den Bremswiderstand geschaltet.[5] Verringert sich die Geschwindigkeit, nimmt auch die Bremskraft stetig ab und muss schließlich durch eine mechanische Bremseinrichtung unterstützt werden, um den Zug zum Stehen zu bringen.[1] Die Bremskraft konventionell gebremster Reihenschlussmotoren fällt nach dem Überschreiten der optimalen Geschwindigkeit, im nebenstehenden Diagramm für die DB-Baureihe 139 etwa 75 km/h, mit zunehmender Geschwindigkeit wieder ab. Mit der im Vergleich dargestellten Thyristorsteuerung kann die maximale Bremskraft über einen größeren Geschwindigkeitsbereich gehalten werden. Bei besonders leistungsschwachen Motoren, wie sie früher in dieselelektrischen Lokomotiven zum Einsatz kamen, wird die Bremskraftkennlinie schon bei niedrigeren Geschwindigkeiten durch den zulässigen Fahrmotorstrom beschnitten.

Vor- und Nachteile

Der Vorteil der Widerstandsbremse liegt in ihrer annähernden Verschleißfreiheit. Deshalb wurde sie zunächst insbesondere auf Gebirgsstrecken als Beharrungsbremse eingesetzt, um die Geschwindigkeit konstant zu halten.[6] Ihr Hauptvorteil liegt aber darin, dass sie auch bei fehlender Abnahmemöglichkeit der Fahrleitung voll funktionsfähig bleibt. Eine Nutzbremse ist darauf angewiesenen, dass das Netz, in das sie die Bremsenergie zurückspeisen soll, auch aufnahmefähig ist. Bei entsprechender Auslegung einer Widerstandsbremse ist sogar eine Talfahrt ohne Fahrleitungsspannung möglich und sie kann auch in dieselelektrischen Fahrzeugen eingesetzt werden. Bei Gleichstromfahrzeugen mit klassischer Widerstandssteuerung können die Anfahrwiderstände als Bremswiderstände genutzt werden.

Der entscheidende Nachteil der Widerstandsbremse im Vergleich zu Nutzbremsen sind die Energieverluste, da hier keine Energierückspeisung erfolgt. Die in Wärme umgewandelte Bremsenergie ist in den meisten Fällen wie bei mechanischen Bremsen praktisch nutzlos.[2] Für hohe elektrische Bremsleistungen, wie sie bei elektrischen Lokomotiven üblich sind, müssen die schweren Bremswiderstände sowie die voluminösen Lüfter und Luftkanäle zusätzlich im Maschinenraum untergebracht werden. Wie jede generatorische Bremse wirkt die Widerstandsbremse nicht bis zum Stillstand und ist daher nur in Kombination mit einer mechanischen Bremse einsetzbar. Als Haltebremse ist sie somit ungeeignet.

Anwendung

Angewendet wird die elektrische Widerstandsbremse bei elektrischen und dieselelektrischen Lokomotiven sowie Triebwagen. In Wechselstromnetzen hat die allerdings auf dieselbe Weise funktionierende Nutzbremse, bei der die Bremsenergie über die Traktionsstromrichter und den Haupttransformator in die Fahrleitung zurückgespeist wird, die Widerstandsbremse weitgehend abgelöst. Mischformen sind bei reinen Gleichstrom- sowie Mehrsystemfahrzeugen üblich, wo bei der Überschreitung einer festgelegten Netzspannung, also wenn das Netz gerade nicht aufnahmefähig ist, da sich keine Abnehmer im gleichen Speisebereich befinden oder das Unterwerk nicht rückspeisefähig ist, die Bremswiderstände zugeschaltet werden.[6]

Besonders häufig wurde die Widerstandsbremse für Straßenbahnwagen verwendet. Zur Serienreife gebracht wurde sie von der Union Elektricitäts-Gesellschaft (UEG), welche sie erstmals 1897 bei den Wiener Straßenbahnwagen Type A anwendete.[7] Bis in die Zwischenkriegszeit waren die Widerstände traditionell unter dem Wagenboden befestigt. Später waren sie auch auf dem Dach zu finden. Der Bremsstrom der Widerstandsbremse speist gleichzeitig die Solenoidbremsen der Beiwagen. Insbesondere bei Triebwagen werden auch die Wagenheizkörper mit dem Bremsstrom gespeist.

Eine große Bedeutung hat die Widerstandsbremse bis heute in Nordamerika, wo sie bereits seit den 1930er Jahren standardmäßig in dieselelektrischen Lokomotiven zum Einsatz kommt und im schweren Güterzugdienst, vor allem als Beharrungsbremse auf langen Gefällestrecken, unverzichtbar ist.

Eine weitere Verwendung der Widerstandsbremse erfolgt in Hebezeugen zur Senkbremsung.[1]

Literatur

  • Zarko Filipovic: Elektrische Bahnen. 4., überarbeitete Auflage. Springer Verlag, Berlin / Heidelberg / New York 2005, ISBN 3-540-21310-4.

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. a b c Ernst Hörnemann, Heinrich Hübscher: Elektrotechnik Fachbildung Industrieelektronik. 1 Auflage. Westermann Schulbuchverlag GmbH, Braunschweig, 1998, ISBN 3-14-221730-4.
  2. a b c Jürgen Janicki, Horst Reinhard: Schienenfahrzeugtechnik. 2. überarbeitete und erweiterte Auflage, Bahn Fachverlag GmbH, Heidelberg Mainz 2008, ISBN 978-3-9808002-5-9.
  3. a b Detlev Roseburg: Elektrische Maschinen und Antriebe. Fachbuchverlag Leipzig im Carl Hanser Verlag, 1999, ISBN 3-446-21004-0.
  4. Patent EP1074026B1: Eigenbelüfteter Bremswiderstand. Angemeldet am 2. Februar 2000, veröffentlicht am 25. Januar 2006, Anmelder: GINO Gielen & Nothnagel GmbH, Erfinder: Manfred Liebel.
  5. Heinz M. Hiersig (Hrsg.): VDI-Lexikon Maschinenbau. VDI-Verlag GmbH, Düsseldorf 1995, ISBN 9783540621331.
  6. a b Hans Streiff: Rückgewinnung von Bremsenergie bei Schienenverkehrsmitteln (Teil I) (Memento vom 31. August 2011 im Internet Archive) (abgerufen per Webarchive am 30. Mai 2016).
  7. Type A (1896-1937) – Straßenbahnjournal-Wiki. Abgerufen am 18. Februar 2022.