Weißspecht

Weißspecht

Weißspecht (Melanerpes candidus)

Systematik
Ordnung: Spechtvögel (Piciformes)
Familie: Spechte (Picidae)
Unterfamilie: Echte Spechte (Picinae)
Gattung: Melanerpes
Art: Weißspecht
Wissenschaftlicher Name
Melanerpes candidus
(Otto, 1796)

Der Weißspecht (Melanerpes candidus) ist eine Vogelart aus der Familie der Spechte (Picidae). Diese recht kleine Spechtart besiedelt weite Teile Südamerikas und bewohnt dort ein breites Spektrum trockener, offener Waldgesellschaften. Die wohl fast ausschließlich auf Bäumen gesuchte Nahrung besteht aus Früchten und Samen, außerdem öffnen Weißspechte wohl als einzige Spechtart überhaupt Bienen- und Wespennester, um daraus die Brut und Honig zu erbeuten. Der Weißspecht gilt als relativ selten und die Verbreitung ist eher unregelmäßig mit großen Lücken. Auf Grund des sehr großen Verbreitungsgebietes und des offenbar zunehmenden Bestandes wird die Art von der IUCN jedoch als ungefährdet („least concern“) eingestuft.

Beschreibung

Weißspechte sind recht kleine Spechte mit relativ langem, leicht meißelförmig zugespitztem und an der Basis mittelbreitem Schnabel. Der Schnabelfirst ist nach unten gebogen. Die Körperlänge beträgt etwa 24 cm und das Gewicht 98–136 g; sie sind damit etwa so groß wie ein Buntspecht, aber deutlich schwerer. Die Art zeigt einen deutlichen Geschlechtsdimorphismus bezüglich der Färbung, die Geschlechter unterscheiden sich ansonsten nicht.

Die Art nimmt bezüglich der Färbung eine Sonderstellung innerhalb der Spechte ein. Der obere Rücken, die Oberflügeldecken sowie die Schulterfedern sind einfarbig schwarz mit einem leicht bläulichen Glanz, die Schwingen sind braunschwarz. Die Steuerfedern sind ober- und unterseits an der Basis ausgedehnt weiß, ansonsten braun-schwarz mit einigen weißen Flecken auf den distalen Bereichen der Außenfedern. Der untere Rücken, der Bürzel, die Unter- und Oberschwanzdecken sowie die gesamte Rumpfunterseite sind fast einfarbig weiß, lediglich die Bauchmitte ist gelb. Die Unterflügeldecken sind schwarz, die Unterseite der Schwingen ist graubraun.

Beim Männchen sind Kopf und Hals überwiegend weiß. Ein schmaler schwarzer Augenstreif zieht sich von der Schnabelbasis nach hinten über die Halsseiten bis zum oberen Rücken, außerdem ist ein kleiner Bereich im Nacken gelb. Weibchen fehlt die Gelbfärbung des Nackens und auch der Augenstreif ist meist nur sehr undeutlich ausgebildet, so dass der Kopf fast einfarbig weiß ist. Jungvögel sind oberseits mehr bräunlich schwarz, die weißen Gefiederbereiche sind rötlich braun überhaucht und der Bauch ist mehr blassgelb.

Der Schnabel ist schwarz und an der Basis aufgehellt, Beine und Zehen sind oliv, grau-grün oder bräunlich. Die Iris ist weiß, blauweiß oder gelb, außerdem haben die Tiere einen breiten gelben Augenring. Die innerartliche Variabilität ist sehr gering und es werden keine Unterarten anerkannt.

Lautäußerungen

Sehr markant ist der an die Rufe von Seeschwalben erinnernde hohe Flugruf, der etwa wie „kirr-kirr-kirr“ oder „crii-crii-crii-criih“ klingt. Der häufigste Ruf von einer Warte lässt sich mit „ghirrih“ oder „kriir“ wiedergeben. Ob Weißspechte trommeln ist bisher nicht beschrieben.

Verbreitung und Lebensraum

Der Weißspecht bewohnt große Teile des zentralen und östlichen Südamerikas. Das Verbreitungsgebiet reicht in Ost-West-Richtung vom Osten Perus bis in den Westen Brasiliens. In Nord-Süd-Richtung umfasst das Areal eine schmale, küstennahe Zone in Surinam und Französisch-Guayana und erstreckt sich dann in einer breiten Zone vom Unterlauf des Amazonas in Brasilien bis in den Osten Boliviens, bis Paraguay, bis in den Westen von Uruguay und bis in das zentrale Argentinien. Die Größe des Gesamtverbreitungsgebietes wird auf etwa 4,8 Mio. km² geschätzt. Die Art besiedelt Trockenwälder aller Art, Savanne und trockenes Buschland, aber auch Palmenhaine und Obstgärten. Die Tiere kommen von den Niederungen bis (lokal) in 2200 m Höhe vor.

Lebensweise

Die Tiere werden gewöhnlich in kleinen Gruppen beobachtet. Sie suchen auch isolierte Bäume oder Baumgruppen auf und überqueren dabei auch größere Strecken in der offenen Landschaft. Die Nahrung wird überwiegend abgelesen oder durch Hacken erlangt, gelegentlich jagen Weißspechte auch Insekten im Flug. Nach Winkler et al.[1] besteht die wohl fast ausschließlich auf Bäumen gesuchte Nahrung vorwiegend aus Früchten und Samen, außerdem fressen die Tiere auch Insekten. Wohl als einzige Spechtart überhaupt öffnen Weißspechte auch Bienen- und Wespennester, um daraus die Brut und Honig zu erbeuten. Eine Untersuchung am Südrand des Verbreitungsgebietes in Argentinien konnte jedoch zumindest dort keine deutliche Bevorzugung pflanzlicher Nahrung bestätigen. In den Mägen von 9 untersuchten Exemplaren fanden sich ausschließlich Insekten, davon waren 98,5 % Hautflügler (Hymenoptera). Die Hauptnahrung bildeten Blattschneiderameisen der Gattung Acromyrmex (59,0 %), unbestimmte Ameisen (21,0 %) und die zu den Feldwespen gehörende Polybia scutellaris (17,5 %).[2]

Die Brutzeit erstreckt sich von September bis November. Die Nisthöhlen werden in Bäumen gebaut, zum Teil werden offenbar aber auch Felslöcher zur Brut genutzt. Das Gelege umfasst drei bis vier Eier und wird von beiden Eltern bebrütet. Weitere Angaben zum anscheinend ausgeprägten Sozialverhalten und zur Brutbiologie liegen bisher nicht vor.

Etymologie und Forschungsgeschichte

Die Erstbeschreibung des Weißspechts erfolgte 1796 durch Bernhard Christian Otto unter dem wissenschaftlichen Namen Picus candidus. Als Verbreitungsgebiet gab er irrtümlich Cayenne an.[3] 1832 führte William Swainson die Gattung Melanerpes für den Rotkopfspecht (Melanerpes erythrocephalus, (Linnaeus, 1758)) ein.[4] Der Begriff leitet sich von μελας, μελανος melas, melanos, deutsch ‚schawrz‘ für ἑρπης, ἑρπω herpēs, herpō, deutsch ‚Kriecher, kriechen‘ ab.[5] Der Artname candidus hat seinen Ursprung in lateinisch candidus, candere ‚brillantweiß glänzend weiß, scheinen‘.[6] Alfred Laubmann hatte für sein Werk Die Vögel von Paraguay einen Balg, gesammelt von Eugen Josef Robert Schuhmacher (1906–1973) in Nueva Germania, zur Verfügung. Ein weiteres Exemplar hatte Georg Wieninger (1859–1925) aus Bernalcue gesendet. In der Literatur betrachtete er Sapucai und Ybytimi durch Charles Chubb[7], Carapeguá und Luque durch Tommaso Salvadori[8], Lambaré durch Hans Hermann Carl Ludwig von Berlepsch.[9], Fortin Page am Río Pilcomayo[10] und Waikthlatingmayalwa im Gran Chaco[11] durch John Graham Kerr, Zapatero Cué durch Claude Henry Baxter Grant[12], Puerto Pinasco im Departamento Presidente Hayes durch Alexander Wetmore[13] und Monte Sociedad durch Arnaldo de Winkelried Bertoni[14] als Nachweise für Paraguay. Zusätzlich erwähnte Laubmann Carpintero del blanco y negro[15] von Félix de Azara als Nachweis für die Art.[16]

Bestand und Gefährdung

Angaben zur Größe des Weltbestandes gibt es nicht. Der Weißspecht gilt als relativ selten und die Verbreitung ist eher unregelmäßig mit großen Lücken. Auf Grund des sehr großen Verbreitungsgebietes und des offenbar zunehmenden Bestandes wird die Art von der IUCN jedoch als ungefährdet („least concern“) eingestuft.

Quellen

Einzelnachweise

  1. Hans Winkler, David Christie und David Nurney: Woodpeckers. A Guide to the Woodpeckers, Piculets and Wrynecks of the World. Pica Press, Robertsbridge 1995: S. 195
  2. A. N. Patterer, A. H. Beltzer und M. A. Rossetti: Diet of Melanerpes candidus white woodpecker (Aves: Picidae) in the Paraná river floodplain, Argentina. Revista FAVE - Ciencias Veterinarias 2 (2), 2003: S. 132–139 (Spanisch mit englischer Zusammenfassung) Online, PDF@1@2Vorlage:Toter Link/bibliotecavirtual.unl.edu.ar (Seite nicht mehr abrufbar, festgestellt im März 2018. Suche in Webarchiven)  Info: Der Link wurde automatisch als defekt markiert. Bitte prüfe den Link gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.
  3. Bernhard Christian Otto (1796), S. 191
  4. William Swainson (1842), S. 316
  5. Melanerpes The Key to Scientific Names Edited by James A. Jobling
  6. candidus The Key to Scientific Names Edited by James A. Jobling
  7. Charles Chubb (1910), S. 279
  8. Tommaso Salvadori (1895), S. 15
  9. Hans Hermann Carl Ludwig von Berlepsch (1887), S. 21.
  10. John Graham Kerr (1892), S. 35
  11. John Graham Kerr (1901), S. 228.
  12. Claude Henry Baxter Grant (1911), S. 322.
  13. Alexander Wetmore (1926), S. 218.
  14. Arnaldo de Winkelried Bertoni (1930), S. 248.
  15. Félix de Azara (1805), S. 315–316.
  16. Alfred Laubmann (1939), S. 209–210

Literatur

  • Félix de Azara: Apuntamientos para la historia natural de los páxaros del Paragüay y Rio de la Plata. Band 2. Impr. de la viuda de Ibarra, Madrid 1805, S. 315–316 (biodiversitylibrary.org).
  • Hans Hermann Carl Ludwig von Berlepsch: Systematisches Verzeichniss der von Herrn Ricardo Rohde in Paraguay gesammelten Vögel. In: Journal für Ornithologie (= 4. Band 15). Nr. 177, 1887, S. 1–37 (biodiversitylibrary.org).
  • Arnaldo de Winkelried Bertoni: Sobre ornitología del Chaco Paraguayo. Aves colectadas por Félix Posner en la Colonia „Monte Sociedad“, hoy Benjamin Aceval (Villa Hayes). In: Revista de la Sociedad Científica del Paraguay. Band 2, Nr. 6, 1930, S. 241–258.
  • Charles Chubb: On the Birds of Paraguay Part II. In: The Ibis (= 9. Band 4). Nr. 13, 1910, S. 263–285 (biodiversitylibrary.org).
  • Claude Henry Baxter Grant: List of Birds collected in Argentinia, Paraguay, Bolivia, and South Brazil, with Field notes Part II. In: The Ibis (= 9. Band 5). Nr. 18, 1911, S. 317–350 (biodiversitylibrary.org).
  • John Graham Kerr: On the Avifauna of the Lower Pilcomayo. In: The Ibis (= 6. Band 4). Nr. 13, 1892, S. 120–152 (biodiversitylibrary.org).
  • John Graham Kerr: On the Birds observed during a Second Zoological Expedition to the Gran Chaco. In: The Ibis (= 8. Band 1). Nr. 13, 1901, S. 215–236 (biodiversitylibrary.org).
  • Alfred Laubmann: Die Vögel von Paraguay. Band 1. Strecker und Schröder, Stuttgart 1939, S. 209–210 (google.de).
  • Bernhard Christian Otto: Herrn von Buffons Naturgeschichte der Vögel. Band 23. Buchandlung des Bey Commerzien-Raths Pauli, Berlin 1796, S. 191 (biodiversitylibrary.org).
  • Tommaso Salvadori: Viaggio del dottor Alfredo Borelli nella Repubblica Argentina e nel Paraguay, XVI. Uccelli raccolti nel Paraguay, nel Matto Grosso, nel Tacuman e nella Provincia di Salta. In: Bolletino della Società dei Musei di Zoologia ed Anatomia comparata della R. Università di Torino. Band 10, Nr. 208, 1895, S. 1–24 (italienisch, biodiversitylibrary.org).
  • William Swainson, John Richardson: Fauna boreali-americana, or, The zoology of the northern parts of British America: containing descriptions of the objects of natural history collected on the late northern land expeditions, under command of Captain Sir John Franklin, R.N. (= Vögel. Band 2). John Murray, London 1831 (biodiversitylibrary.org).
  • Alexander Wetmore: Observations on the birds of Argentina, Paraguay, Uruguay, and Chile. In: Bulletin of the United States National Museum. Nr. 133, 1926, S. 1–448 (biodiversitylibrary.org).
  • Hans Winkler, David A. Christie, David Nurney: Woodpeckers. A Guide to the Woodpeckers, Piculets and Wrynecks of the World. Pica Press, Robertsbridge 1995, ISBN 0-395-72043-5, S. 54–55 & 194–195.
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