Weiße Mars

Eine „weiße Mars“
Mars A 20, 956 cm³

Die Weiße Mars wurde von 1920 bis 1926 von dem Nürnberger Motorradhersteller Mars und danach bis 1932 von den Gebrüdern Müller (v) unter der Marke M. A. gebaut[1]. Es waren die Typen Mars A20 (1920–1925), MA 25 (1925) und MA 27 (1927–1932). Diese Motorräder erhielten wegen ihrer Lackierung im Volksmund schnell die Bezeichnung Weiße Mars, obwohl sie später auch in roter oder grüner Lackierung verkauft wurden.

Konstruktion

Besonderes Konstruktionsmerkmal war neben dem Motor vor allem der optisch dominierende patentierte[2], aufwendig genietete und gelötete (a) Kastenrahmen mit integriertem Tank, Werkzeugkasten[3], Trittbrettern und Beinschilden. Die älteren Zweigangausführungen Mars A20 und M. A. A20 hatten kein Getriebe üblicher Bauart, sondern zwei Trommeln, die im Wechsel ein- oder ausgekuppelt wurden und von denen an den Innenseiten des Kastenrahmens entlang je eine Antriebskette zum Hinterrad lief.[4] Auf diese Trommeln wirkte bei den beiden Modellen auch das Bremspedal. Die MA 27 hatte ein in den Kastenrahmen eingefügtes Dreigang-Zahnradgetriebe (b), das von einer kurzen Kette angetrieben wurde (Primärantrieb), die in einem separaten Kettenkasten auf der linken Seite lief. (c) Das Vorderrad war in einer Gabel mit kurzer gezogener Schwinge geführt, das Hinterrad war starr aufgehängt. Bei einem Gewicht von 140 kg erreichten diese Maschinen eine Geschwindigkeit von etwa 100 km/h. (y)

Motordaten

Der Zweizylinder-Boxermotor war mit Gebläse (d) luftgekühlt und quer im Rahmen eingebaut, das heißt, Kurbel- und Nockenwelle lagen quer zur Fahrtrichtung. Er hatte 956 cm³ Hubraum, 80 mm Bohrung und 95 mm Hub und leistete anfangs 12 PS (8,8 kW) (y). Im Laufe der Jahre wurde die Leistung auf 18 PS (13,2 kW) gesteigert. Der bei Mars von Ingenieur Claus Richard Franzenburg (z) konstruierte Motor wurde von Maybach in Friedrichshafen gefertigt, die verbesserten nachfolgenden Versionen in der Maschinenfabrik Immendingen[5], später auch bei J. G. Mehne (za) in Schwenningen am Neckar. Das Kurbelgehäuse bestand aus Aluminium, die Sackzylinder aus Grauguss. Die Kurbelwelle war einteilig, die Pleuel rollengelagert. Zum Zusammenbau wurden die ungeteilten Pleuelaugen (Pleuelfüße) über die Kurbelwelle gefädelt und dann die Rollen durch eine Nut in der Kurbelwange in die Lager geschoben. Die Nockenwelle lag über der Kurbelwelle und betätigte die stehenden Ventile über lange Hebel: ein Einlassnocken die Einlässe über Schlepphebel, ein Auslassnocken die Auslässe über Kipphebel. Der Motor wurde mit einer Handkurbel gestartet, die an der linken Motorseite auf die Nockenwelle aufgesteckt wurde. Gegen die Gefahr der Überhitzung des hinten angeordneten Zylinders war eine seitlich links am Rahmen angebrachte, mit der Hand zu bedienende Ölpumpe mit eigenem Öltank vorgesehen. Besonders auf Steigungen sorgte dies für zusätzliche gezielte Zylinderschmierung. Im Getriebe ist eine Bandbremse eingebaut, so dass an den Radnaben des Fahrzeuges nirgends Bremstrommeln zu sehen sind.[6]

Einsatz als Rennmaschine

Das Werk baute von diesen Maschinen auch erfolgreiche Rennversionen für Einsätze im Motorsport. Ernst Schulz und Heinz Wilhelm als Werksrennfahrer errangen 1921 die Plätze eins und zwei der Bayerischen Meisterschaft und waren auch bei den Rennen auf der Radrennbahn am Reichelsdorfer Keller in Nürnberg erfolgreich. Die Gebrüder Göhler aus Karlsruhe wurden als Gespannfahrer auf einer Weißen Mars bekannt.

Die Weiße Mars ist heute selten. Bei classic-racing-motorcycles werden Repliken der Weißen Mars hergestellt.

„Weiße Mars“ als Designobjekt

Wegen der optisch herausragenden Erscheinung und besonderen Linienführung stellt die Neue Sammlung in München eine weiße Mars aus und begründet das so: „Mit ihrer für damalige Zeiten ungewöhnlichen Farbe und der besonderen Form hat die ‚Weiße Mars‘ den Motorradbau der 1920er-Jahre entscheidend geprägt.“[7] Auch die Deutsche Bundespost Berlin bildete auf dem 120er Wert der Briefmarkenserie historische Motorräder „Für die Jugend 1983“ eine „Weiße Mars“ ab.

Galerie

Anmerkungen

(v) 
Johann und Karl Müller waren bei Mars als Betriebsleiter und Konstrukteur tätig gewesen und erwarben mit Hilfe von Bankkrediten die Reste der Werkseinrichtung aus der Konkursmasse, aber nicht den Namen.[5]
(y) 
Nach Rudolf Wolf, Maybach-Motoren und Automobile im Rhein-Neckar-Dreieck und der Pfalz,[8] hatte der Motor 7,3 PS und die Höchstgeschwindigkeit wurde mit 80 bis 90 km/h angegeben.
(z) 
In der Fachliteratur wird Claus Richard Franzenburg oft auch „Franzenberg“ genannt.
(za) 
„Dann wurde das Unternehmen von J. G. Mehne in Schwenningen a. N. - einer elektrotechnischen und Uhrenfabrik - übernommen und als Mehne-Zweigwerk weitergeführt.“[9]
(a) 
Laut dem Motorradhistoriker Helmut Krackowizer war der Rahmen nicht gelötet, sondern geschweißt.[10] So auch andere Autoren.
(b) 
Auch die letzten 10 Mars A20 hatten ein Dreiganggetriebe.[1]
(c) 
Auch bei der Zweigangversion bestand der Primärantrieb in einer Kette; durch Verstellen der Motoraufhängung konnte die Kettenspannung verändert werden.[11]
(d) 
„Große Kühlrippen sorgten für einen ausgeglichenen Temperaturhaushalt. Zusätzlich wurde das große Schwungrad als Lüfterrad ausgebildet, das auch im Stand nach dem Ventilatorprinzip kühlende Luft zu den Zylindern schaufelte.“ Offenbar gibt es keine Luftleitbleche.[12]

Literatur

  • Tilman Werner: Von Ardie bis Zündapp. Motorbuch Verlag, Stuttgart 1989, ISBN 3-613-01287-1.
  • Matthias Murko: Motorrad Legenden - Nürnberger Zweiradgeschichte. W. Tümmels, Nürnberg 1994, ISBN 3-921590-27-2. DNB 949079065
  • Thomas Reinwald: Motorräder aus Nürnberg. ZWEIRAD-Verlag, Erlangen 1994, ISBN 3-929136-03-1.
  • Thomas Reinwald: Nürnberger Motorradindustrie. PODSZUN, Brilon 2002, ISBN 3-86133-299-X.
  • Michael Przibilski: Die Weiße Mars.In: Oldtimer Motorrad Markt, Heft 6/2011, JK-Verlag Lübeck
Commons: Weiße Mars – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. a b Fritz G. E. Wöhe: Die Mars-Chronik. online: [1]
  2. Österreichische Patentschrift Nr. 86349 Rahmen für Motorräder, angemeldet am 26. Juni 1920, Beginn der Patentdauer: 15. Juni 1921.
  3. Erwin Tragatsch: Zeugen der Motorradentwicklung – Modelle, Konstrukteure, Fahrer. Motorbuch, Stuttgart 2. Auflage 1985. ISBN 3-87943-631-2. DNB 790320711. S. 128.
  4. Kradblatt. Abgerufen am 23. Februar 2023.
  5. a b Erwin Tragatsch: Berühmte Motorräder. Motorbuch, Stuttgart 2000. ISBN 3-613-02038-6. [Zusammendruck der 4 Bände Motorräder – Berühmte Konstruktionen, die ab 1978 in der Bielefelder Verlagsanstalt erschienen sind.] S. 92 .DNB 959184651
  6. 1000er Mars | Museumsblog. 28. Juli 2025, abgerufen am 28. Juli 2025.
  7. Die Neue Sammlung: Ausgestellte "Weisse Mars". Abgerufen am 13. Mai 2025.
  8. Rudolf Wolf: Maybach-Motoren und Automobile im Rhein-Neckar-Dreieck und der Pfalz. BoD, Norderstedt, 7. Auflage 2019. ISBN 978-3-7322-0943-9. S. 374 u. 375.
  9. Erwin Tragatsch: Berühmte Motorräder. Motorbuch, Stuttgart 2000. ISBN 3-613-02038-6. [Zusammendruck der 4 Bände Motorräder – Berühmte Konstruktionen, die ab 1978 in der Bielefelder Verlagsanstalt erschienen sind.] S. 93 .DNB 959184651
  10. Helmut Krackowizer: Meilensteine der Motorradgeschichte. Gondrom, Bindlach 1995. ISBN 3-8112-1271-0, Seite 32.
  11. Deutsches Reichspatent Nr. 358170 Motorbefestigung für Motorfahrzeuge. Patentiert im Deutschen Reiche vom 20. Mai 1920 ab zugunsten der Mars-Werke A. G. in Nürnberg-Doos, kein Erfinder genannt.
  12. Michael Przibilski: Mars A 20 – die weiße Mars. In: bma nr. 6/12. Online: Kradblatt