Leinebrücke bei Grasdorf

Leinebrücke bei Grasdorf (Mittelbogen)
Leinebrücke bei Grasdorf (Mittelbogen)
Leinebrücke bei Grasdorf (Mittelbogen)
Leinebrücke am Reinekamp
Überführt Druckrohrleitung, Anliegerstraße
Unterführt Leine
Ort Grasdorf
Unterhalten durch Enercity
Konstruktion Dreigelenkbogenbrücke aus Stampfbeton
Gesamtlänge 64 m[1]
Breite 6,6 m[1]
Anzahl der Öffnungen 3
Längste Stützweite 40 m[2]
Pfeilhöhe 4,50 m[2]
Pfeilerstärke 2,80 m
Bogendicke (Scheitel) 0,85 m[2]
Pfeilverhältnis 1/9[2]
Tragfähigkeit 20 t[3]
Baukosten 91.700 Mark[4]
Baubeginn 8. August 1899[4]
Bauzeit 1899–1900
Planer Anselm Bock, Carl Dolezalek
Lage
Koordinaten 52° 18′ 13″ N, 9° 47′ 48″ O
Leinebrücke bei Grasdorf (Niedersachsen)
Leinebrücke bei Grasdorf (Niedersachsen)
Höhe über dem Meeresspiegel 57 m ü. NHN

Die Leinebrücke bei Grasdorf (auch Leinebrücke am Reinekamp[5]) ist eine denkmalgeschützte Brücke über die Leine bei Grasdorf, einem Ortsteil von Laatzen in der Region Hannover in Niedersachsen.

Mit ihrer Bauweise ist die aus einem großen Bogen über die Leine und beidseitigen bogenförmigen Durchlässen bestehende Dreibogenbrücke eine der wenigen noch erhal­tenen Stampfbetonbrücken in Deutschland.

Geschichte

Rohrleitung auf der Brücke

Gegen Ende des 19. Jahrhunderts errichtete die Stadt Hannover das Grundwasserwerk Grasdorf. Seit 1887 waren Äcker und Wiesen angekauft worden.[6] Der Standort lag etwa 8,5 km südsüdöstlich des hannoverschen Stadtzentrums im an dieser Stelle etwa 2,2 km breiten Überschwemmungsgebiet zwischen der Leine und der Alten Leine. Die vorgesehene Baustelle war vom unmittelbar am Rand des Leinetals gelegenen Dorf Grasdorf aus über Erdwege und eine alte hölzerne Jochbrücke über die Leine erschlossen.[2]

Da die Strecke als Zufahrt zum Wasserwerk wegen mangelnder Hochwassersicherheit und des schadhaften Zustands der Holzbrücke ungeeignet war, wurde der Bau eines Straßendamms und einer neuen Brücke beschlossen, die für schwere Lasten und als Rohrleitungsbrücke ausgelegt war. Aus Kostengründen wurde kein Straßenanschluss direkt bis zur Hildesheimer Straße, sondern die kürzere Strecke durch den Ort Grasdorf geplant.[2]

Bau

Straßendamm

Als Erschließungsstraße wurde ein insgesamt 537 m langer Straßendamm geplant, der heutige Reinekamp. Er sollte nicht nur die Zufahrt zum Wasserwerk, sondern auch zu den landwirtschaftlich genutzten Flächen im Wassergewinnungsgebiet ermöglichen.

Um die Leine bei Hochwasser nicht zu sehr aufzustauen, wurden außer der Leinebrücke zwei Flutbrücken eingeplant. Die Straße erhielt eine Breite von 4,8 m und beiderseits erhöhte Gehwege von 0,9 m Breite. Als Straßenbelag nutzte man gebrauchte Pflastersteine aus der Stadt Hannover.[2]

Um schnell eine Zufahrt zum Wasserwerk zu haben, wurde zunächst flussabwärts der geplanten Leinebrücke für 4.350 Mark, heute kaufkraftbereinigt etwa 36.700 €, eine provisorische hölzerne Jochbrücke errichtet, die nach der Fertigstellung der Betonbrücke wieder abgebaut wurde.[4]

Grundwasserwerk Grasdorf

Das Grundwasserwerk Grasdorf ging am 26. September 1899 in Betrieb. Es ist mittlerweile eines der ältesten in Niedersachsen. Das Grundwasser im Leinetal wird durch das Flusswasser aufgefüllt. Dies ermöglicht große Fördermengen. Im Jahr 1957 lieferte das Grasdorfer Werk zwölf Millionen Kubikmeter. Heute wären bis zu 4,3 Millionen möglich.[6]

Das Werk fördert noch etwa 5 Prozent des hannoverschen Trinkwassers. Aus 16 Brunnen wird Wasser aus etwa 8 m Tiefe gepumpt. Das Wasser wird im Grundwasserwerk gefiltert, enthaltene Eisen- und Manganverbindungen werden entfernt und es wird durch UV-Licht desinfiziert. Es wird mit von den Harzwasserwerken geliefertem Trinkwasser gemischt.[7] Bis 2024 wurden über 547 Millionen Kubikmeter Trinkwasser durch die über die Leinebrücke führende Rohrleitung nach Hannover gepumpt.[6]

Leinebrücke

Baustelle der Leinebrücke mit Lehrgerüst

Den Bauauftrag für die von Anselm Bock und Carl Dolezalek entworfene Brücke erhielt Anfang August 1899 Liebold & Co. aus Holzminden. Der vereinbarte Festpreis betrug 91.700 Mark,[4] heute kaufkraftbereinigt etwa 773.000 €.

Die Arbeiten begannen am 8. August 1899. Nachdem die beiden Baugruben bis zum Grundwasser gegraben waren, trieben zwei Dampframmen Spundwände in den grobkiesigen Untergrund. Eine Lokomobile trieb eine Kreiselpumpe zum Trockenlegen und Trockenhalten der Baugruben. Die aus Stampfbeton gefertigten Widerlager der Brücke wurden auf den kiesigen Boden gegründet. Das Widerlager am rechten Leineufer war am 8. Dezember fertig. Wegen heftigem Frost und Hochwasser wurden die Arbeiten bis Ende März 1900 unterbrochen. Danach stellte man das linke Widerlager fertig und baute danach die Kämpfergelenke ein.[4] Die aus Granit hergestellten Gelenksteine der Dreigelenkbogenbrücke kamen fertig bearbeitet aus einem Steinbruch bei Deggendorf im Bayerischen Wald. Dieses Baumaterial hatte sich bereits bei einer ebenfalls von Liebold gebauten Brücke über die Eyach bei Bad Imnau bewährt.[8] Um die Beweglichkeit des Bogens gegenüber der Brückentafel bei Temperaturschwankungen zu erhalten, wurden alte Eisenbahnschienen als Gleitlager eingebaut.[2]

Das hölzerne Lehrgerüst des Brückengewölbes stand auf Sandtöpfen. In der Schalung angebrachte Holzleisten sollten den Seitenflächen eine Quaderstruktur geben. In den Randbereichen wurde statt Beton ein aus weißem Sand und dunklem Pochkies gemischter Farbmörtel verarbeitet, um das Aussehen von Granit zu imitieren.[4]

Das Betonieren des Brückenbogens begann am 4. Juli. Zwischen dem Hauptbogen der Brücke und der Fahrbahn sind auf jeder Seite fünf Sparbögen eingebaut. Am 12. September wurde das Lehrgerüst durch das Öffnen der Sandtöpfe abgesenkt. Danach wurden die in der Fabrik des Bauunternehmens in Holzminden aus Stampfbeton gefertigten Gesimsplatten und Brüstungspfeiler eingebaut, die Brückentafel mit Asphaltplatten abgedichtet und darauf die Fahrbahn mit alten Steinen gepflastert.[4]

Über den massiven Widerlagern an den Seiten der Hauptbrücke schließt je eine Korbbogenbrücke mit einer Stützweite von 6 m an, die als weitere Flutöffnung und Fußgängerunterführung dient. Die Oberflächen der Brückenseiten und der Pfeiler aus geformtem und bossiertem Beton erwecken den Eindruck einer Natursteinverkleidung.

Die Brücke erhielt auf ihrer Südseite ein provisorisches Geländer aus Gusseisenstützen und Rohren nach dem Vorbild der Berliner Stadtbahn.[3][4]

Auf der Nordseite der Brücke wurde eine Druckrohrleitung mit einer lichten Weite von 70 cm verlegt. Sie stützt sich auf einen Meter breite Betonmauern, auf der Brücke auf gusseiserne Schemel. Durch diese Bauweise konnten anders als bei einem Düker alle Muffen der Leitung frei zugänglich gemacht werden. Auf eine Temperaturisolierung der Leitung wurde verzichtet, da das immer etwa 8 Grad warme Wasser nur wenige Minuten zum Durchströmen des oberirdischen Rohrabschnitts benötigt. Im Fall einer Stilllegung kann der Leitungsabschnitt durch Absperrschieber getrennt und das Wasser in die Leine abgelassen werden.[2]

Flutbrücken

Auf jeder Seite der Leine war in der ursprünglichen Planung des Straßendamms eine Flutbrücke vorgesehen.[2]

Die westliche Flutbrücke wurde um 1900 direkt beim Wasserwerk gebaut. Die 26,85 m lange Brücke hat zwei je 12 m weite Bögen und ist an den Seitenflächen mit Sandsteinplatten verkleidet. Die im Plan vorgesehene östliche Flutbrücke wurde nicht gebaut. Stattdessen begnügte man sich mit einem in den Straßendamm eingebauten Durchlassrohr von 60 cm Durchmesser und einen Absperrschieber.[3]

Zustand

Infotafel und ein Stück des alten Geländers der Flutbrücke

Die Brücke wurde im Jahr 1993 vollständig restauriert.[9] Dabei wurde das Wasserrohr auf die Südseite verlegt und ein neues Geländer an der Nordseite gebaut.[3] Die Grundrenovierung der anschließenden Flutbrücke erfolgte im Sommer 1997[3] oder 2007.[9]

Im August 2019 wurde bei der Brücke eine Informationstafel aufgestellt.[3] [6]

Fast das gesamte 200 Hektar große Wassergewinnungsgebiet liegt im Naturschutzgebiet Leineaue zwischen Hannover und Ruthe.[10] Es ist Heimat zahlreicher Tier- und Pflanzenarten.[6]

Seltenheit

Ein Teil einer ingenieurwissenschaftlichen Dissertation aus dem Jahr 2015 nennt etwa 50 noch vorhandene Brücken aus Stampfbeton in Deutschland.[8] Laut lokalen Medien gilt die Grasdorfer Dreibogenbrücke wegen ihrer, nicht näher detaillierten, speziellen Bauweise als deutschlandweit einzigartig.[11] Es gebe jedoch noch eine ähnliche Brücke in der Nähe von Zürich.[1]

Der französische Brückenbauingenieur Paul Séjourné beschrieb im Jahr 1913 außer mehreren Eisenbahnbrücken auch die Brücke bei Grasdorf als eine von vier Straßenbrücken mit einem einzelnen Bogen einer Spannweite von mindestens 40 m.[12] Von diesen besteht die Brücke bei Göhren aus Mauerwerk.[13] Die aus Beton gebauten Wallstraßenbrücke in Ulm[14] und Elisenbrücke in Neuburg an der Donau wurden im Jahr 1945 gesprengt.[15]

Denkmalschutz

Die Denkmaltopographie für den ehemaligen Landkreis Hannover bezeichnete die Leinebrücke am Reinekamp 1988 als Technisches Denkmal.[5] Sie ist als Einzeldenkmal ins Denkmalverzeichnis eingetragen.[16]

Literatur

  • Paul Séjourné: Pont sur le Leine, près Grasdorf (Allemagne – Hanovre) in: Grandes voûtes. Vol. IV, Tardy-Pigelet, 1913, S. 129–138. (in französischer Sprache)
  • Helmut Flohr: Brücken, große und kleine in Laatzen, Grasdorf und Rethen. Eine Dokumentation. Konstruktionen und Geschichten rund um die Laatzener Brücken. Mit 3 Wandervorschlägen, 2004
Commons: Dreibogenbrücke (Grasdorf) – Sammlung von Bildern

Einzelnachweise

  1. a b c Daniel Junker: Einzigartige Leinebrücken am Wasserwerk haben jetzt eine Infotafel. In: www.haz.de. 20. August 2020, abgerufen am 18. August 2025.
  2. a b c d e f g h i j Anselm Bock, Carl Dolezalek: Brücke über die Leine bei Grasdorf in: C. Wolff (Hrsg.): Zeitschrift für Architektur und Ingenieurwesen - Jahrgang 1901, Heft 1 (Band XLVII; Band VI der neuen Zeitschrift für Architektur und Ingenieurwesen). C. W. Kreidel, Wiesbaden 1901, S. 47–54 (online [PDF; 59,3 MB; abgerufen am 18. August 2025]).
  3. a b c d e f Daniel Junker: Erklärtafel für Leinebrücken ist enthüllt (Fotos). In: www.haz.de. 20. August 2020, abgerufen am 18. August 2025.
  4. a b c d e f g h Anselm Bock, Carl Dolezalek: Brücke über die Leine bei Grasdorf (Fortsetzung) in: C. Wolff (Hrsg.): Zeitschrift für Architektur und Ingenieurwesen - Jahrgang 1901, Heft 3 (Band XLVII; Band VI der neuen Zeitschrift für Architektur und Ingenieurwesen). C. W. Kreidel, Wiesbaden 1901, S. 313–338 (online [PDF; 59,3 MB; abgerufen am 18. August 2025]).
  5. a b Henner Hannig (Bearbeiter): Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland: Baudenkmale in Niedersachsen, Band 13,1: Landkreis Hannover. Vieweg, Braunschweig 1988, S. 221. In: digi.ub.uni-heidelberg.de. Abgerufen am 11. September 2025.
  6. a b c d e Johannes Dorndorf: Hannover trinkt seit 125 Jahren Grasdorfer Wasser. In: www.haz.de. 26. September 2024, abgerufen am 18. August 2025.
  7. Grasdorf in: Norman Rohrpasser, Philipp Khuc-Trong, Ralf Strobach: Das Trinkwasser in der Region Hannover. www.leinewerkstatt.de, 14. März 2006, abgerufen am 18. August 2025.
  8. a b D6. NIEDERSACHSEN: Grasdorf, Leinebrücke in: Karen Veihelmann: Gewölbte Brücken des 19. Jahrhunderts. Vom Mauerwerk zum Stampfbeton. (PDF; 28 MB) 18. September 2015, S. 102/103, abgerufen am 18. August 2025.
  9. a b Station 7: Der Blick auf die historische Brücke in: Trinkwasser-Erlebnispfad Grasdorf. In: enercity.de. 20. August 2020, abgerufen am 18. August 2025.
  10. Umweltkarten Niedersachsen
  11. Fakt 5: Leinebrücke Grasdorf in: Tamara Beck: 10 Fakten über...Laatzen. In: www.antenne.com. 18. Dezember 2019, abgerufen am 18. August 2025.
  12. Paul Séjourné: Ponts à une seule grande arche sous route in: Grandes voûtes. Vol. IV, Seite 124–127. (in französischer Sprache)
  13. Structurae: Zwickauer-Mulde-Brücke Wechselburg-Göhren, abgerufen am 12. September 2025.
  14. Structurae: Wallstraßenbrücke, abgerufen am 12. September 2025.
  15. Haus der Bayerischen Geschichte: Elisenbrücke, abgerufen am 12. September 2025.
  16. Brücke über WL Leine, im Denkmalatlas Niedersachsen, abgerufen am 11. September 2025.