Wasserschloss St. Ulrich

Schloss von Westen

Das Wasserschloss St. Ulrich in Mücheln (Geiseltal) ist das Herrenhaus des ehemaligen Ritterguts St. Ulrich, eine hochgotische bis neubarocke Anlage um einen im Kern noch mittelalterlichen Turm. Es befand sich von 1770 bis 1945 im Besitz der Familie von Helldorff.

Geschichte

Rittergut St. Ulrich um 1860, Sammlung Alexander Duncker

Im 12. Jahrhundert gab es am Platz des heutigen Schlosses eine Wasserburg, deren Graben von der damals noch sehr wasserreichen Geisel gespeist wurde. Der Baubeginn des Schlosses lag in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts. Es wurde auf einer Pfahlgründung aus Eichenholz errichtet. Der Graben um das Schloss muss auch heute gefüllt bleiben, damit die Pfähle nicht durch Austrocknen ihre Stabilität verlieren. Das Schloss weist Bauteile aus Hochgotik und Renaissance um einen im Kern noch mittelalterlichen Turm auf. 1624 wurde es noch einmal umgebaut. Besonders bemerkenswert ist ein quadratischer Renaissance-Erker mit Zwiebelhaube an der Gebäudekante neben dem Haupteingang.

Von 1528 bis 1764 befanden sich Schloss und Rittergut im Besitz der Familie von Breitenbauch. Um 1720 ließ der damalige Besitzer, ein Herr von Breitenbauch, benachbart zu Schloss und Gut am sonnigen Südhang der Geisel einen Barockgarten nach französischem Vorbild und daneben einen Landschaftspark im englischen Stil anlegen.

1770 kaufte Johann Heinrich von Helldorff, Domherr des Hochstifts Merseburg, das gesamte Anwesen. Der nächste Grundherr Heinrich (Ferdinand Heinrich) von Helldorff (1764–1815) wurde Landrat[1][2] und Eigentümer mehrerer Güter. Er war zudem kgl. sächs. Stiftshauptmann und mit Sophie Gräfin Hohenthal verheiratet, beide teilten die Besitzungen auf mehrere Nachfahren auf. St. Ulrich erhielt Karl (Carl Heinrich) von Helldorff (1804–1860). Im beerbte zunächst Carl Heinrich von Helldorff (1832–1905) als Fideikommissherr,[3] und dann dessen jüngerer Bruder Roderich von Helldorff (1848–1913), verheiratet mit Elisabeth Gräfin von der Schulenburg. Zu diesem Zeitpunkt war St. Ulrich bereits lange ein Familienfideikommiss.[4]

Anfang der 1920er Jahre gehörten 468 ha zum Rittergut St. Ulrich ohne Nebengüter. Fr. Wasser war Oberinspektor.[5] Gutsherr war hier bereits Karl Roderich von Helldorff, ein ausgebilder Jurist. Er ließ von 1921 bis 1925 das Wasserschloss durch die Berliner Architekten Alfred Breslauer und Paul Salinger umbauen. Unter anderem wurde der schlichte sechsachsige Barockflügel auf der Westseite auf dreizehn Achsen verbreitert und mit einer neubarocken Fassade versehen. Helldorff stattete das Schloss mit zahlreichen, nach 1918 erworbenen Barock- und Rokokomöbeln aus, unter anderem aus den Residenzschlössern von Bamberg und Würzburg. Als Familiengenealoge veröffentlichte er 1931 als Herausgeber eine zweibändige Familienchronik.

Die letzte Bewohnerinnen des Herrensitzes[6] waren die Witwe des Karl Roderich von Helldorff, Reinhild von Helldorff geb. Freiin von Werthern (1901–1990), und ihre beiden Töchter. Zeitweise wohnten 1944 im Schloss auch die Familie des verhafteten Carl-Hans Graf von Hardenberg-Neuhardenberg. Er war um 1939 zum Vormund der Kinder bestimmt worden. Die Aufgabe hatte aber dann Hardenbergs brandenburgischer Gutsnachbar Bodo-Gottfried von der Marwitz-Friedersdorf übernommen.[7][8] Frau von Helldorff, seit 1940 Witwe,[9] musste am 14. Oktober 1945 mit ihren Kindern das Schloss verlassen. Reinhild von Helldorff heiratete später erneut, die beiden auf St. Ulrich geborenen Töchter Uta und Reinhild heirateten Architekten und lebten dann in der Schweiz.

Schloss, Rittergut, Schlosspark und Terrassengarten blieben bis zur entschädigungslosen Enteignung 1945/1946 im Besitz der Familie von Helldorff.

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde das Schloss Jugendwerkhof und von 1948 bis 1993 Kinderheim. Der Bau befand sich 2010 in sanierungsbedürftigem Zustand, die entsprechenden Arbeiten erfolgen schrittweise.

Der Wirtschaftshof des Ritterguts St. Ulrich besteht aus imposanten und sehr soliden Gebäuden. Zur DDR-Zeit war es Volkseigenes Gut (VEG). An den Wänden finden sich noch Losungen aus der frühen DDR-Zeit: „Die Nationale Front kämpft für die Verteidigung der deutschen Kultur“ (alles in Großbuchstaben und Schwarz-Rot-Gold an den Seiten). An anderer Stelle sieht man die aufgemalten Embleme von Jungen Pionieren, FDJ und FDGB.

Eine 1868 an Stelle einer ehemaligen Pulvermühle errichtete Herrenmühle oder Gutsmühle, stellte den eigentlichen Mühlenbetrieb 1933 ein und transportierte mit ihrem damals oberschlächtigen Mühlrad nur noch Wasser für den Gutsbedarf. Heute dreht sich hier ein unterschlächtiges Mühlrad bei spärlichem Wasserfluss.

Unweit des Schlosses steht die Schlosskirche oder Lutherkirche. Sie wurde 1790–1795 in spätbarockem Stil nach Plänen des Merseburger Stiftsbaumeisters J. W. Crysellius erbaut. Die ansprechende Innenausstattung ist erhalten. Ende der 1980er Jahre erfolgte eine Innensanierung, Anfang der 1990er Jahre die Außensanierung.

Inschrift zur Erneuerung von 1934 im Wirtschaftshof.

Literatur

Commons: Wasserschloss St. Ulrich – Sammlung von Bildern

Einzelnachweise

  1. Friedrich Wilhelm Lehmann (Hrsg.): Beschreibung der Stadt Magdeburg und deren Umgebungen. 3. Auflage, Selbstverlag, Magdeburg 1839, S. 69.
  2. Vgl. Amts-Blatt-Bureau der Königlichen Regierung: Extra-Blatt zum 45. Stück des Amtsblattes der Königlichen Regierung zu Merseburg. [1852]. Kobitz-Erben. Selbstverlag, Ausgegeben zu Merseburg den 6. November 1852, S. 361.
  3. Gothaisches Genealogisches Taschenbuch der Adeligen Häuser. Der in Deutschland eingeborene Adel. (Uradel). 1906. Siebenter Jahrgang, Justus Perthes, Gotha 1905, S. 295.
  4. Hans Friedrich von Ehrenkrook, Carola von Ehrenkrook, Jürgen von Flotow, Johann Georg von Rappard: Genealogisches Handbuch der Adeligen Häuser A (Uradel). 1953. Band I, Band 5 der Gesamtreihe GHdA, Hrsg. Deutsches Adelsarchiv, C. A. Starke, Glücksburg/Ostsee 1953, S. 132 f.
  5. Oskar Köhler, Gustav Wesche, H. Krahmer: Landwirtschaftliches Güter-Adreßbuch der Provinz Sachsen. 1922. Verzeichnis sämtlicher Rittergüter und Güter von ungefähr 20 ha herab mit Angabe der Gutseigenschaft, des Grundsteuerertrages, der Gesamtfläche und des Flächeninhalts der einzelnen Kulturen, Hrsg. Mit Unterstützung der Landwirtschaftskammer zu Halle a. S., In: Niekammer’s Landwirtschaftliche Güter-Adreßbücher. Band V, (Paul Niekammer), 3. Auflage, Reichenbach’sche Verlagsbuchhandlung, Leipzig 1922, S. 180–181.
  6. Wolf Graf von Baudissin, Dagmar Gräfin von Dohna: ... als wären wir nie getrennt gewesen. Briefe 1941-1947. Hrsg. Elfriede Knoke, Bouvier, Bonn 2001, ISBN 3-416-02987-9, S. 28.
  7. Klaus Gerbet: Carl-Hans Graf von Hardenberg. 1891–1958. Ein preußischer Konservativer in Deutschland. Edition Hentrich, Berlin 1993, ISBN 3-89468-030-X, S. 172, S. 177.
  8. Wolf Graf von Baudissin, Dagmar Gräfin von Dohna: ... als wären wir nie getrennt gewesen. Briefe 1941-1947. Hrsg. Elfriede Knoke, Bouvier, Bonn 2001, ISBN 3-416-02987-9, S. 28.
  9. Gothaisches Genealogisches Taschenbuch der Gräflichen Häuser. Zugleich Adelsmatrikel der D.A.G. Teil A (Uradel). 1942. Jg. 115, Justus Perthes, Gotha 1941, S. 629.
  10. Reprint: Verlag Rockstuhl, Bad Langensalza 2022. ISBN 978-3-95966-331-1.

Koordinaten: 51° 18′ 2,7″ N, 11° 47′ 49,2″ O