Wahrhold Drascher

Wahrhold Ludwig Philipp Drascher (* 3. März 1892 in Mannheim; † 7. Juli 1968) war ein deutscher Überseekundler und Kolonialwissenschaftler. Er lehrte als außerordentlicher Professor für Weltpolitische Auslandskunde und Kolonialwissenschaften, später für Überseekunde an der Universität Tübingen.

Leben

Sein 1911 begonnenes Studium der Geschichte und Staatswissenschaft unterbrach Drascher 1912/13 für den Militärdienst als Einjährig-Freiwilliger, den er bei der Kriegsmarine in der damaligen deutschen Kolonie Tsingtau leistete. Im Ersten Weltkrieg diente er ab 1914 erneut im Militär, bis er 1916 schwer verwundet wurde. Mit einer Arbeit über Das Vordringen der Vereinigten Staaten im westindischen Mittelmeergebiet wurde er 1917/18 in Gießen zum Dr. phil. promoviert. Danach arbeitete er als wissenschaftlicher Assistent in der Hamburger Handelskammer. Ab 1920 war er Geschäftsführer der Deutschen Handelskammer in Valparaíso (Chile).[1]

Carl Uhlig holte ihn 1925 an das Deutsche Auslands-Institut in Stuttgart, wo Drascher als Archivleiter und Überseereferent wirkte. Daneben lehrte er ab 1929 als Dozent für Wirtschaftskunde des Auslands an der Universität Tübingen, wo er sich 1935 mit der Schrift Die Vorherrschaft der weißen Rasse. Die Ausbreitung der abendländischen Lebensbereiches auf die überseeischen Erdteile habilitierte. Obwohl diese Arbeit rassistisch geprägt war, stimmte sie nicht mit den vorherrschenden nationalsozialistischen Rassentheorien überein, weshalb ihr die parteiamtliche Prüfkommission der NSDAP den „Unbedenklichkeitsvermerk“ verweigerte.[2] Drascher beantragte am 23. Mai 1938 die Aufnahme in die NSDAP und wurde rückwirkend zum 1. Mai 1937 aufgenommen (Mitgliedsnummer 5.455.042).[3][4] 1939 wurde er zum außerordentlichen Professor für Weltpolitische Auslandskunde und Kolonialwissenschaften ernannt.[1]

Im Zuge der Entnazifizierung wurde er als „Mitläufer“ eingestuft. Sein Buch Die Vorherrschaft der weißen Rasse wurde dabei entlastend berücksichtigt, weil sein darin vertretener Rassebegriff nicht den nationalsozialistischen Rassentheorien entsprochen habe.[2] Ab 1951 lehrte er erneut als Professor an der Universität Tübingen, wobei sein Fachgebiet in „Überseekunde“ geändert wurde.[1] 1954 wurde er emeritiert. Bei seinem 1960 veröffentlichten Buch Schuld der Weißen? handelte es sich laut Carsten Gräbel um eine vom „NS-Jargon bereinigt[e] Neuauflage seiner rassenkundlichen Ansichten“.[5] Darin behauptete Drescher, der Kolonialismus habe „trotz vieler Irrtümer und auch Gewalttaten dem Streben des Menschen-Geschlechtes nach Vervollkommnung gedient“.[6]

Schriften (Auswahl)

  • Das Vordringen der Vereinigten Staaten im Westindischen Mittelmeergebiet. Eine Studie über die Entwicklung und die Methoden des Amerikanischen Imperialismus. Friederichsen, Hamburg 1918; Reprint De Gruyter, Berlin/Boston 2020, ISBN 978-3-11-117135-7.
  • Geopolitische und geoökonomische Chronik. I. Teil: Die weltpolitischen und weltwirtschaftlichen Geschehnisse der Nachkriegszeit und ihre Auswirkungen. Fleischhauer & Spohn, Stuttgart 1926.
  • Auslanddeutsche Charakterbilder. Strecker & Schröder, Stuttgart 1929.
  • Die Vorherrschaft der weißen Rasse. Die Ausbreitung des abendländischen Lebensbereiches auf die überseeischen Erdteile. Deutsche Verlagsanstalt, Stuttgart/Berlin 1936.
  • Schuld der Weißen? Die Spätzeit des Kolonialismus. Schlichtenmayer, Tübingen 1960.
  • Die Perioden der Kolonialgeschichte. Musterschmidt, Göttingen 1961.

Literatur

  • Ekkhard Verchau (Hrsg.): Mein Feld-die Welt. Wahrhold Drascher zum 70. Geburtstag am 3. März 1962 von seinen Freunden und Schülern in Deutschland und Übersee. Mainz 1963, OCLC 313096948.

Einzelnachweise

  1. a b c Akteure der Universität Tübingen, Arbeitsgruppe Kolonialismus in Tübingen, Forschungsbereich Wirtschaftsgeographie, Universität Tübingen.
  2. a b Karina Clara Moser: Ein Rassist macht Karriere? Wahrhold Drascher an der Universität Tübingen. In: histoischer-augenblick.de
  3. Bundesarchiv R 9361-VIII KARTEI/6840990
  4. Uwe Dietrich Adam: Hochschule und Nationalsozialismus - die Universität Tübingen im Dritten Reich. Tübingen 1977. S. 137
  5. Carsten Gräbel: Kolonialerfahrung als kulturelles Kapital. Gelehrtenbiografien und Profilierungsstrategien an der Universität Tübingen. In: Geschichte in Wissenschaft und Unterricht, Band 72 (2021), Nr. 9/10, S. 501–512, hier S. 510.
  6. zitiert nach Wahrhold Drascher: »Schuld der Weißen?« In: Der Spiegel, Nr. 4/1961.