W.O.M.A.N.

W.O.M.A.N. (Abkürzung für World Organization of Mothers of all Nations, Deutsch: Weltorganisation der Mütter Aller Nationen) war eine internationale Frauenfriedensorganisation, gegründet von Dorothy Thompson 1946 nach dem Zweiten Weltkrieg in den Vereinigten Staaten. W.O.M.A.N. war davon überzeugt, dass Frauen als Mütter entscheidend zum Weltfrieden beitragen können. Die Organisation, die sich als überparteilich und überkonfessionell verstand, engagierte sich auch für Gleichberechtigung, organisierte humanitäre Projekte und verfügte über ein internationales Netzwerk. In Deutschland gründete sich 1948 ein unabhängiger Zweig von W.O.M.A.N., der bis 2010 bestand.

Gründung

Die Gründung der W.O.M.A.N. geht auf die amerikanische Journalistin und Antifaschistin Dorothy Thompson zurück, die 1946 vor dem Sicherheitsrat der Vereinten Nationen in New York eine dramatische Ansprache hielt. Der Appell, der sich unter dem Titel „Das Zimmer Deiner Mutter darfst du nur unbewaffnet betreten“[1] in der ganzen Welt verbreitete, stieß besonders bei Frauen auf starke Resonanz und führte 1946 zur Gründung einer Frauen-Friedensorganisation in den Vereinigten Staaten.[2]

„Wir haben Ihnen unsere Söhne gegeben. Einige sind tot, andere sind blind, einige stammeln hinter Gittern, einige gehen ohne Füße und arbeiten ohne Hände, und jeder einzelne ist einer von uns so wertvoll wie die ganze Welt, für deren Rettung wir sie Ihnen gaben. Aber es gibt einen Schmerz, der alle diese Schmerzen weit übertrifft: nämlich, dass man unsere Kinder verraten hat; dass Sie, meine Herren, mit ihnen gespielt haben – mit dem Leben unserer Kinder. [...] Während Ihr hier Eure Reden haltet über mächtige Armeen bis zu den Atombomben, sterben Millionen kleiner Kinder und deren Mütter vor Hunger. Ob sie nun schwarz oder weiß, braun oder gelb von Hautfarbe sind, haben sie alle die gleichen Bedürfnisse, Hoffnungen und Wünsche. [...].“[3]

Ein zentrales Prinzip der Organisation war die von Albert Schweitzer formulierte Ethik der „Ehrfurcht vor dem Leben“. Nach Auffassung von W.O.M.A.N. kam Müttern nicht nur die Verantwortung für das Wohl ihrer eigenen Kinder zu, sondern sie sollten eine gesellschaftliche Verantwortung für das Wohlergehen aller Menschen übernehmen. Deshalb organisierten die Frauen unter diesem Motto zahlreiche Petitionen gegen Krieg, führten Protestaktionen gegen Kriegsspielzeug durch, organisierten politische Aufklärungsarbeit gegen Aufrüstung und Atomwaffen und knüpften internationale Kontaktnetzwerke.[4]

Deutscher Zweig von W.O.M.A.N.

Die deutsche Zentrale von W.O.M.A.N. wurde am 15. Juni 1948 in Hamburg gegründet und gehörte zu den ersten Frauenverbänden, die sich nach Ende des Nationalsozialismus von den Alliierten als Verein registrieren ließen. Zu den deutschen Gründerinnen zählten unter anderem die Leiterinnen des Frauenkomitees der Europa-Union Ilse Bentler und Elisabeth Gleichmann von Oven. Bentler wanderte kurz darauf nach Amerika aus und Marie Pieper, die zweite Vorsitzende des Verbands, wurde vom Alliierten Kontrollrat zum Rücktritt gezwungen, weil sie die US-amerikanischen Atombombenabwürfe auf Hiroshima und Nagasaki ein ‚Verbrechen gegen die Menschlichkeit‘ genannt hatte.[4]

Statt Pieper übernahm Vilma Mönckeberg-Kollmar die Leitung der deutschen W.O.M.A.N und sollte den Verband 16 Jahre lang führen. Nach dem Vorbild der amerikanischen Organisation baute W.O.M.A.N. in Deutschland eine eigenständige Struktur auf, die nicht nur aus Landesverbänden, sondern auch aus lokalen Arbeitskreisen und Einzelmitgliedern bestand.[5] Zu letzeren zählten weltbekannte Persönlichkeiten wie die Schriftstellerin Nelly Sachs und die Tänzerin und Sängerin Josephine Baker.[4]

Ziele und Konflikte

Der deutsche Verband sprach sich gegen Aufrüstung und Atomwaffen aus und engagierte sich für einen Dialog zwischen den beiden, in Ost und West geteilten, deutschen Besatzungszonen. Weil W.O.M.A.N. Verbindungen zu Frauenorganisationen in der DDR, in der Sowjetunion sowie im sogenannten Ostblock unterhielt, geriet sie schnell in Verdacht, kommunistisch unterwandert zu sein – ein Misstrauen, das mit dem Ost-West-Konflikt und der Atmosphäre des beginnenden Kalten Kriegs zusammenhing.[4] Durch ihre erklärte Überparteilichkeit und ihren Versuch, sich der Polarisierung des Kalten Kriegs zu entziehen, machte die W.O.M.A.N. sich nach beiden Seiten hin angreifbar.[6] So lud der Deutsche Frauenring, der nach dem Krieg einen Zusammenschluss aller Frauenvereinigungen in Deutschland anstrebte, die W.O.M.A.N. bewusst nicht zur Gründung ein, weil deren Kernbegriffe wie „Frieden“ oder „Mütterlichkeit“ auch in den Statuten des Demokratischen Frauenbunds Deutschlands (DFD) in der damaligen DDR vorkamen.[5] Da half es auch nicht, dass W.O.M.A.N. sich mehreren Stellungnahmen von kommunistischen Ideen distanzierte.[7]

Ein weiteres Konfliktfeld war die Frage, welche inhaltliche Orientierung die Mütterbewegung verfolgen und welcher Verband die neu entstandenen Müttergruppen in Deutschland vertreten sollte. In Frankreich hatte sich bereits die Weltmütterbewegung „Mouvement Mondial des Mères“ (MMM) gegründet, deren deutsche Sektion Klara Maria Faßbinder von 1947 bis 1952 leitete. Faßbinder plante 1949 gemeinsam mit W.O.M.A.N. die Gründung einer „Mütterliga“ in Berlin, die als zentrale Interessenvertretung der Mütterbewegung gedacht war. Das Vorhaben scheiterte jedoch an den unterschiedlichen politischen Zielsetzungen der Verbände. Faßbinder schwebte vor, „der Mutter wieder ihren Platz in einem geordneten Familienleben zu geben, die Frau mit dem Bewußtsein ihrer gottgewollten Aufgabe zu erfüllen“.[7] Vilma Mönckeberg-Kollmar und W.O.M.A.N. wollten Frauen dagegen nicht auf die Mutterrrolle begrenzen. Nach ihren Vorstellungen sollten die Sorge um das Wohlergehen der Kinder vor allem im politischen Raum zur Prioriät werden. Mit ihrem Konzept der geistigen Mütterlichkeit bezog W.O.M.A.N. sich auf politische Ideen von Frauenrechtlerinnen der Vorkriegszeit wie Helene Lange.[5] Als Faßbinder die MMM 1952 auflöste und in die Westdeutsche Frauenfriedensbewegung (WFFB) überführte, blieb die W.O.M.A.N. die einzige Organisation, die weiterhin das Konzept einer weltweiten politischen Verantwortung der Mütter vertrat.[8]

Aktivitäten in Deutschland

In den 50er Jahren gründeten sich W.O.M.A.N.-Arbeitskreise in ganz Westdeutschland wie in Hamburg, Schleswig, Rendsburg, Kiel, Hannover, Detmold, Lemgo, München, Stuttgart, Freiburg und in anderen Städten, wobei jede Gruppe eigene Schwerpunkte setzen konnte. Ihr gemeinsames Motto lautete: „We agree to differ“ („Wir stimmen darin überein, unterschiedlich zu sein“): Verschiedene Meinungen sollten akzeptiert werden, verschiedene Arbeitsformen nebeneinander bestehen können.[9] Im Lauf der Jahre schlossen sich weitere Frauenverbände der W.O.M.A.N. an wie der Berliner Frauenbund 1945 um Agnes von Zahn-Harnack, die Berliner Mütterliga, der Niedersächsische Frauenbund mit Großherzogin Victoria Luise, der Schwedische Frauenbund und die Weltkinderfreundschaft USA.[9]

Erst 1970 nahm der Deutsche Frauenrat W.O.M.A.N. schließlich in seine Dachorganisation auf. Doch W.O.M.A.N. fühlte sich nach wie vor zwischen allen Stühlen, umstritten nicht nur in der Friedens-, sondern auch in der Frauenbewegung der jüngeren Generation, wie ein Kommentar zu diesem Ereignis zeigt: „Die Friedensbewegung und die alternative Frauenbewegung zeigten sich aggressiv, davon nimmt die W.O.M.A.N. Abstand.“[10]

Die Aktivitäten von W.O.M.A.N. wurden in regelmäßigen Rundbriefen, Jahresberichten, Artikeln und Presseberichten dokumentiert.[11] Zu den von der Organisation ins Leben gerufenen sozialen Projekten zählt unter anderem die Gründung eines der ersten SOS-Kinderdörfer Deutschlands durch den W.O.M.A.N.-Arbeitskreises Freiburg.[4]

Internationale Arbeit

Der Schwerpunkt von W.O.M.A.N. lag in der internationalen Arbeit, die unter dem Begriff der Völkerverständigung geleistet wurde. Unmittelbar nach dem Krieg konzentrierte sich die Organisation angesichts der Verheerungen durch den Krieg vor allem auf materielle und ideelle Hilfen wie zum Beispiel auf Auslandsspenden an Kriegsopfer oder vergleichbare soziale Projekte. In den Folgejahren lag der Schwerpunkt der Arbeit auf der Vernetzung mit Frauen- und Mütterbewegungen in anderen Ländern und Versuchen, ihre Ziele in die politische Ebene zu vermitteln. In erster Linie durch Seminare, Konferenzen und Besuchsreisen knüpfte W.O.M.A.N. ein weitgespanntes Kontaktnetzwerk zu verschiedenen Frauen- und Friedensgruppen in den USA, Frankreich, Schweden, Schweiz, England (WILPF) und Irland (Mothers for Peace). Auch bestanden Kontakte und Kooperationen zu Frauengruppen oder vornehmlich von Frauen geleiteten Hilfswerken in Indien, Arabien, Israel, Malawi, Kenia, Uganda und Vietnam.[4]

Vertreterinnen von W.O.M.A.N. nahmen regelmäßig an internationalen Frauen- und Friedenskonferenzen teil wie zum Beispiel am Weltkongress der Frauen 1969 in Helsinki[12] und am Weltkongress der Friedenskräfte 1973 in Moskau[13]. Als die Dekade der UN-Frauenkonferenzen begann, beteiligten sich Delegierte von W.O.M.A.N. auch schon an den Planungsprozessen und waren bei sämtlichen UN-Frauenkonferenzen mit ihrer Organisation vertreten: an der ersten UN-Weltfrauenkonferenz 1975 in Mexiko,[6] der zweiten in Kopenhagen 1980, der dritten in Nairobi 1985 und an der vierten in Peking.[4]

Auflösung

Im Laufe der Zeit verlagerten sich Sitz und Vorsitz der deutschen W.O.M.A.N. mehrfach. 1964 zog die Geschäftsstelle um nach Königstein im Taunus. Prominente Frauen übernahmen die Präsidentschaft und prägten die Arbeit.[14] Ende 2010 löste sich die W.O.M.A.N. auf.[4] Einige Gruppen bestehen unter diesem Namen fort, sind aber nicht mehr der ursprünglichen Organisation zuzurechnen.

Der schriftliche Nachlass von W.O.M.A.N. ist unter anderem im Archiv der deutschen Frauenbewegung dokumentiert.[11]

Literatur

  • Helen Laville: World Organization of Mothers of All Nations. In: Cold War women. The international activities of American women's organisations. Manchester University Press 2024, ebook ISBN 978-1-5261-8393-4, DOI:10.7765/9781526183934.00012
  • Irene Stoehr: Die W.O.M.A.N. und der Kalte Krieg. Die ersten Jahre der Mütterbewegung in Westdeutschland, in: W.O.M.A.N. (Hrsg.): 50 Jahre W.O.M.A.N. World Organisation of Mothers of all Nations. Weltorganisation der Mütter aller Nationen. Festschrift, Wilhelmshaven 1998, S. 36–40.
  • Dorothy Thompson: Kassandra spricht. Antifaschistische Publizistik 1932-1942, Wiesbaden 1988.
  • Dorothy Thompson: Women, Peace and History: Notes for an Historical Overview. In: Ruth Roach Pierson (Hrsg.): Women and Peace. Theoretical, Historical and Practical Perspectives. Routledge, London 2019. eBook ISBN 978-0-429-42667-4, DOI:10.4324/9780429426674
  • Peter Kurth: American Cassandra: The Life of Dorothy Thompson, Little Brown & Co (1991), ISBN 0-316-50724-5.

Einzelnachweise

  1. Dorothy Thompson: Das Zimmer Deiner Mutter darfst du nur unbewaffnet betreten. In: Treuhilde von Alten-Schnappauf (Hrsg.): I saw Hitler (von Dorotthy Thompson). Farrar & Reinhard Inc., On Murray Hill, New York, S. 144–185.
  2. Ingrid Kaluza: 50 Jahre W.O.M.E.N. World Organization of Mothers of all Nations (Weltorganisation der Mütter aller Nationen), Deutscher Frauenverband e.V. 1948-1998. Hrsg.: W.O.M.E.N. Festschrift, Wilhelmshaven 1998.
  3. Dorothy Thompson: 50 Jahre W.O.M.E.N. World Organization of Mothers of all Nations (Weltorganisation der Mütter aller Nationen), Deutscher Frauenverband e.V. 1948-1998. Hrsg.: W.O.M.E.N. Festschrift. Festschrift von W.O.M.E.N., Wilhelmshaven 1998, S. 46.
  4. a b c d e f g h Pia Kühltrunk, Helke Dreier: W.O.M.A.N.- Weltorganisation der Mütter Aller Nationen. In: Archiv der Deutschen Frauenbewegung in Kassel. Abgerufen am 6. September 2025.
  5. a b c Stoehr, Irene: Die W.O.M.A.N. und der Kalte Krieg. Die ersten Jahre der Mütterbewegung in Westdeutschland. In: W.O.M.A.N. (Hg.): 50 Jahre W.O.M.A.N. World Organisation of Mothers of all Nations. Weltorganisation der Mütter aller Nationen. Deutscher Frauenverband e.V. 1948 – 1998, Festschrift. Wilhelmshaven 1998, S. 39 ff.
  6. a b W.O.M.A.N. (Hrsg.): W.O.M.A.N. überparteilich, überkonfessionell. Auslandsarbeit 1980-1985. Wilhelmshaven 1985, S. 11.
  7. a b Irene Stoehr: Die W.O.M.A.N. und der Kalte Krieg. Die ersten Jahre der Mütterbewegung in Westdeutschland. 1998, S. 38.
  8. Hermann Rockmann: Dorothy Thompson: "Wir sind gegen den Krieg als solchen". Abgerufen am 6. September 2025.
  9. a b Charlotte Malorny: 40 Jahre W.O.M.A.N. Hrsg.: W.O.M.A.N. Wilhelmshaven 1988, S. 21.
  10. Charlotte Malorny: 40 Jahre W.O.M.A.N. Hrsg.: W.O.M.A.N. Wiesbaden 1988, S. 23.
  11. a b Findbuecher Vereine/NL-K-05_WOMAN. In: Archiv der deutschen Frauenbewegung. Abgerufen am 6. September 2025.
  12. Weltkongress der Frauen in Helsinki vom 14.-18.6.1969 - Deutsche Digitale Bibliothek. Abgerufen am 6. September 2025.
  13. Moskau II. Weltkongress der Friedenskräfte in Moskau 1973 - Deutsche Digitale Bibliothek. Abgerufen am 6. September 2025.
  14. Sabine Dolezalek: 60 Jahre W.O.M.A.N. Beobachtungen und Gedanken beim Streifzug durch die Zeit. Hrsg.: W.O.M.A.N. Rundbrief, Nr. 22. Wiesbaden 2008, S. 6–15.