Vincent Kaufmann
Vincent Kaufmann (* 14. Mai 1955 in Bern)[1] ist ein Schweizer romanistischer Literaturwissenschaftler und Buchwissenschaftler. Von 1996 bis 2020 war er Professor an der Universität St. Gallen.[2]
Leben
Vincent Kaufmann machte 1973 seine Matura. Danach studierte er Romanistik an der Universität Genf. Er sagte später, seine Entscheidung, in Genf Literatur zu studieren, sei mit einer vagen politisch-kulturellen Perspektive verbunden gewesen: „Die Idee war eigentlich: Man muss sich mit Kultur beschäftigen, weil man damit die nächste grosse Revolution mit vorbereiten könne.“ Er situiert sich damit selbst im Übergäng zwischen dem politischen Aktivismus der 68er-Bewegung und dem kulturellen Aktivismus.[3] 1979 erwarb er an der Universität Genf das Lizenziat.[4] Von 1979 bis 1984 war er Assistent an der Universität Genf, wo er 1984 promovierte.[5]
Von 1984 bis 1986 lehrte er als Visiting Assistant Professor an verschiedenen Universitäten in den USA: in Michigan (1984), in Berkeley (1985) und an der Johns Hopkins University (1985–1986). Von 1986 bis 1990 war er Assistenzprofessor in Genf, ehe er nach Berkeley zurückkehrte, wo er zunächst als Associate Professor und ab 1991 als Full Professor lehrte. Von 1993 bis 1996 war er zudem Vorsteher des Departments of French.[5]
Von 1996 bis zu seiner Emeritierung 2020 war er ordentlicher Professor für französische Literatur und Kultur an der Universität St. Gallen. 14 Jahre lang leitete er den Studiengang Contextual Studies. Zugleich übernahm er 2009 die Co-Leitung des Instituts für Medien- und Kommunikationsmanagement. Nebenbei war er auch Dekan des Departements für Kulturwissenschaften und leitete die HSG-Programme Buchwissenschaft und Wirtschaftsjournalismus. Kaufmann hat mit anderen Dozierenden interdisziplinäres Co-Teaching praktiziert. Zu den rund 15 Co-Teachers gehören Martin Kolmar mit dem Kurs „Narrative Lost: Was für Helden wir uns wünschen und wieso sie verschwunden sind“; Jörg Metelmann mit „Kapitalismus, Konsum und Pornographie“; oder Christine Benesch mit „Medien zwischen Ökonomie und Kultur“. Alleine unterrichtete er „Medien und Zensur“ oder „Ökonomie der Aufmerksamkeit und Sichtbarkeit“.
Er nahm Gastprofessuren in Berkeley (1998 und 2000), an der ETH Zürich (1999–2000), an der Universität Lausanne (2005/06 und 2007) und an der Universität Neuenburg (2010–2012) wahr. Ausserdem hat er einen Filmstudiengang (Réseau Cinéma Suisse) aufgebaut (2001–2006) und als Direktor von mehreren Journalismusschulen fungiert (unter anderem an der Universität Neuenburg).[5] Er war auch als App-Entwickler tätig, seine Bux-App wurde mit dem Swiss Apps Award ausgezeichnet.[4]
Forschungsschwerpunkte
Seine Forschungsschwerpunkte sind Literatur- und Kulturgeschichte Frankreichs (19. und 20. Jahrhundert): Literatur, Politik, Religion, Medien, Medizin, Avantgarden, Geschichte der Literaturtheorie.
Mit seinen Forschungen blieb er seiner angestammten Disziplin treu, zum Beispiel mit seinen zehn in französischer Sprache publizierten Monographien (Éditions de Minuit, Seuil, Gallimard). Einige seiner Bücher wurden in eine oder mehrere Sprachen übersetzt. Seiner Dissertation über die Adressaten literarischer Texte, vor allem über Mallarmés relatives Desinteresse an der Leserschaft, folgte eine Arbeit über den Briefroman, die ins Englische (Harvard University Press) und Italienische übersetzt wurde; seine Studie über Guy Debord wurde ins Deutsche, Englische und Chinesische übersetzt. Seine jüngste Monografie über Guy Debords Theorie des Spektakels, die 2017 erschien, stand in der Übersetzung auf Platz 1 der Sachbuch-Bestsellerliste in China.
Schriften (Auswahl)
Monografien
- Le livre et ses adresses. (Mallarmé, Ponge, Valéry, Blanchot). Méridiens-Klincksieck, Paris 1986, ISBN 2-86563-159-1.
- L’équivoque épistolaire. Éditions Minuit, Paris 1990, ISBN 2-7073-1342-4.
- Englische Übersetzung: Post Scripts. Harvard University Press, Cambridge 1994.
- Poétique des groupes littéraires. (Avant-gardes 1920–1970). PUF, Paris 1997, ISBN 2-13-048086-1.
- Guy Debord. La révolution au service de la poésie. Fayard, Paris 2001, ISBN 2-213-61059-2.
- Deutsche Übersetzung: Guy Debord. Die Revolution im Dienste der Poesie. Übers. Wolfgang Kukulies. Tiamat Verlag, Berlin 2004, ISBN 978-3-89320-065-8.
- Englische Übersetzung: Guy Debord. Revolution in the Service of Poetry. The University of Minnesota Press, Minneapolis 2006.
- Ménages à trois. La littérature à l’épreuve du médico-religieux. Presses universitaires du Septentrion, Lille 2007.
- La Faute à Mallarmé. L’aventure de la théorie littéraire. Seuil, Paris 2011.
- Déshéritages. Furor, Genf 2015.
- Dernières nouvelles du spectacle (Ce que les médias font à la littérature). Seuil, Paris 2017.
Herausgeberschaft
- Medien und nationale Kulturen. Paul Haupt, Bern 2004, ISBN 978-3-258-06538-0.
- mit Ulrich Schmid, Dieter Thomä: Das öffentliche Ich. Selbstdarstellungen im literarischen und medialen Kontext. Transcript, Bielefeld 2014, ISBN 978-3-8376-2409-0.
- mit Ulrich Schmid, Dieter Thomä: Der Einfall des Lebens. Theorie als geheime Autobiographie. Hanser, München 2015, ISBN 978-3-446-24914-1.
- Vermarktungsstrategien für das Buch im multimedialen Raum. Eine interdisziplinäre Untersuchung (= Buchwissenschaftliche Beiträge. 90). Harrassowitz, Wiesbaden 2015, ISBN 978-3-447-10355-8.
Weblinks
- Vincent Kaufmann an der Universität St. Gallen
Einzelnachweise
- ↑ Kaufmann, Vincent. In: Kürschners Deutscher Gelehrten-Kalender Online. degruyter.com, abgerufen am 27. Mai 2020 (Begründet von Joseph Kürschner, ständig aktualisierte zugangsbeschränkte Onlineausgabe).
- ↑ Vincent Kaufmann. Abgerufen am 5. Juni 2021.
- ↑ Amelie Scholl: «In Berkeley begraben werden, wollte ich nicht». prisma – Das HSG-Studentenmagazin, 14. November 2016, abgerufen am 5. Juni 2021.
- ↑ a b Yvette Sánchez: Grosse Fussstapfen: Prof. Dr. Vincent Kaufmann wird emeritiert. In: HSG Focus - Das Magazin der Universität St. Gallen. 2020, abgerufen am 12. Juli 2025.
- ↑ a b c Vincent Kaufmann. In: Universität St. Gallen. Abgerufen am 23. August 2025 (englisch).