Villa Wurmbach

Villa Wurmbach, 2010
Die im Jahr 2018 errichtete Gedenktafel vor der Villa Wurmbach erinnert an den jüdischen Vorbesitzer Hugo Heymann und seine Frau Maria[1]

Die Villa Wurmbach ist eine Villa in der Pücklerstraße 14 in Berlin-Dahlem, die seit 2004 als Dienstvilla des Bundespräsidenten genutzt wird. Sie ist nach ihrem ersten Besitzer benannt, dem Unternehmer Julius Wurmbach.

Geschichte

Besitzer und Nutzung

Die Villa wurde in den Jahren 1912/13 in Dahlem, das damals südwestlich von Berlin lag, im Auftrag des Unternehmers Julius Wurmbach im Reformstil erbaut.[2] Wurmbach geriet durch die Inflation 1914 bis 1923 in wirtschaftliche Schwierigkeiten und beging im Oktober 1926 Suizid.

Im November 1926[2] kaufte Hugo Heymann die Villa aus Wurmbachs Nachlass, mit 400 m² Wohnfläche zuzüglich Dach und Keller, für 150.000 Reichsmark. Er investierte weitere 20.000 Reichsmark in Um- und Ausbauten.[3]

Im Februar 1933 verkaufte Heymann die Villa an den Verleger Waldemar Gerber (1888–1968) aus Potsdam, den Herausgeber der Potsdamer Tageszeitung. Gerber verkaufte das Haus im Jahr 1953 an den Energiekonzern AEG.

1962 kaufte die Bundesrepublik Deutschland die Villa Wurmbach von der AEG und nutzte sie als Gästehaus. Im Jahr 1998 millionenteuer renoviert, war die Villa Wurmbach vor der Fertigstellung des Bundeskanzleramts von 1999 bis 2001 Wohnsitz des Bundeskanzlers Gerhard Schröder.[4]

Seit 2004 ist die Villa Wurmbach die Dienstvilla des Bundespräsidenten. So war sie Wohnsitz von Horst Köhler,[5] Christian Wulff und Joachim Gauck. Derzeit wird sie von Frank-Walter Steinmeier bewohnt.[6]

Bewertung des Verkaufs von Heymann an Gerber

Der Reichstagsabgeordnete Wilhelm Sollmann (SPD), ein langjähriger Freund der Heymanns, warnte das Ehepaar im Herbst 1932, dass für die Juden in Deutschland „furchtbare Zeiten“ bevorstünden. Heymann nahm die Warnung ernst und beauftragte im Dezember 1932 einen Makler, einen Käufer für die Villa zu finden. Der Verkauf der Villa an Waldemar Gerber fand dann am 7. Februar 1933 statt, eine Woche nach der Machtergreifung des NS-Regimes.[7] Der Kaufpreis betrug nur 86.000 Reichsmark. Im Vergleich zu dem Preis, den Heymann selbst bezahlt hatte, entsprach dies kaufkraftbereinigt einem Verlust von etwa 40 Prozent.[8]

Heymanns Witwe Maria stellte 1948 einen Antrag auf Restitution der Villa. Der jüdische Notar Georg Lehmann, der den Kaufvertrag beurkundet hatte und im Jahr 1940 selbst nach Argentinien geflohen war, schrieb im Dezember 1949 in einem Brief an Waldemar Gerber: „Von einem Verkauf unter Zwang kann keine Rede sein. Ich als Jude hätte niemals daran mitgewirkt, wenn die geringsten Anzeichen dafür vorhanden gewesen wären.“[9] Das Landgericht Berlin lehnte im Jahr 1951 den Antrag auf Restitution der Villa ab. Es urteilte, dass Heymann, der bis zu seinem Tod im Jahr 1938 in Deutschland blieb, mit dem Verkauf hätte warten können. Er hätte dann später einen besseren Preis erzielen können als 1933, als die Immobilienpreise im freien Fall waren.[10]

Der vom Bundespräsidialamt 2016 als Gutachter beauftragte Historiker Michael Wildt[6] geht davon aus, „dass Gerber Heymanns Notlage ausnutzte“. Die Heymanns sahen sich nach Warnungen von gut vernetzten Freunden vor 1933, die sie sehr ernst nahmen, in unmittelbarer Gefahr. Der Käufer der Villa, der Potsdamer Verleger Waldemar Gerber, sei dem NS-Regime „vielfältig verbunden“ gewesen, er verlegte unter anderem bis zuletzt Durchhalteschriften für die Wehrmacht. Damit sei der Verkauf verfolgungsbedingt gewesen.[10]

Frank Bajohr kam hingegen zu dem Ergebnis, dass von den drei Kriterien, die üblicherweise zur Beurteilung eines Besitzwechsels als „NS-verfolgungsbedingt“ herangezogen werden, nur ein Kriterium bei Heymann zutreffe, nämlich die Einschätzung, dass der Verkauf ohne die Herrschaft des Nationalsozialismus nicht zustande gekommen wäre. Gegen die Bewertung als „verfolgungsbedingt“ spreche, dass der Kaufpreis letztlich angemessen gewesen sei und dass Heymann über den Erlös frei verfügen konnte. Bajohr wies auch darauf hin, dass Heymann im Zusammenhang mit dem Verkauf der Villa nicht unter repressiven Maßnahmen leiden musste, wie sie bei den späteren „Arisierungen“ typisch waren.[11]

Literatur

  • Claudia Kramatschek: Die Villa in der Pücklerstraße. Hugo Heymann und die Vernichtung der wirtschaftlichen Existenz von Juden im Nationalsozialismus (= Schriftenreihe. Band 10397). Bundeszentrale für politische Bildung, Bonn 2019, ISBN 978-3-7425-0397-8 (PDF; 14 MB).
  • Michael Wildt, Julia Hörath: Forschungsbericht zum Ehepaar Hugo Heymann und Maria Heymann/Kaps. Gutachten im Auftrag des Bundespräsidialamts, 6. Dezember 2016 (PDF; 921 kB).
  • Michael Wildt: Bericht über die Nachrecherchen zum Fall Heymann. Gutachten im Auftrag des Bundespräsidialamts, 9. April 2018 (PDF; 111 kB).
Commons: Villa Wurmbach – Sammlung von Bildern

Einzelnachweise

  1. Text der Gedenktafel.
  2. a b Claudia Kramatschek: Die Villa in der Pücklerstraße. Hugo Heymann und die Vernichtung der wirtschaftlichen Existenz von Juden im Nationalsozialismus. Bundeszentrale für politische Bildung, Bonn 2019, S. 12 (PDF; 14 MB).
  3. Sven Felix Kellerhoff: Das dunkle Erbe der Präsidentenvilla welt.de, 12. August 2017.
  4. Eva Schweitzer: Gerhard Schröder wohnt nicht mehr im Hotel „Four Seasons“, sondern an der Pücklerstraße in Dahlem. In: Der Tagesspiegel, 13. September 1999.
  5. Franziska von Mutius: Köhler zieht in Dienstvilla des Bundeskanzlers In: Die Welt, 1. Juni 2004.
  6. a b Dienstvilla Berlin-Dahlem. Bundespräsidialamt, abgerufen am 14. April 2025.
  7. Claudia Kramatschek: Die Villa in der Pücklerstraße. Hugo Heymann und die Vernichtung der wirtschaftlichen Existenz von Juden im Nationalsozialismus. Bundeszentrale für politische Bildung, Bonn 2019, S. 17 (PDF; 14 MB).
  8. Sven Felix Kellerhoff: Das dunkle Erbe der Präsidentenvilla welt.de, 12. August 2017. Laut diesem Artikel entsprachen die beiden Verkaufspreise zu den jeweiligen Zeitpunkten (November 1926 bzw. Februar 1933) etwa 90 bzw. etwa 56 durchschnittlichen Jahresgehältern. Verhältnis 56:90 = 0,62, somit betrug der kaufkraftbereinigte Verlust rund 40 Prozent (gerundete Angabe, weil die Berechnung mit Unsicherheiten verbunden ist).
  9. Michael Wildt: Bericht über die Nachrecherchen zum Fall Heymann, 9. April 2018 (PDF; 111 kB), S. 7.
  10. a b Andrea Dernbach: Geschichte der Präsidentenvilla: Ein Haus in Dahlem. In: Der Tagesspiegel. 25. Juni 2020, abgerufen am 30. Oktober 2023.
  11. Frank Bajohr: Stellungnahme zum Forschungsbericht zum Ehepaar Hugo Heymann und Maria Heymann/Kaps, Mai 2018 (PDF; 158 kB).

Koordinaten: 52° 28′ 9,2″ N, 13° 17′ 3,7″ O