Viktor von Strauß und Torney
Friedrich Viktor Strauß (Victor Strauss)[1], ab 1852 von Strauß, ab 1872 von Strauß und Torney (* 18. September 1809 in Bückeburg, Fürstentum Schaumburg-Lippe, heute Niedersachsen; † 1. April 1899 in Dresden) war fürstlich schaumburg-lippescher Minister, Kirchenlieddichter und Ehrenbürger der Stadt Dresden.
Leben
Er entstammte einer alten hannoverschen Familie, die mit dem Pfarrer Georg Burchard Strauß (um 1584–1632) in Rethmar, bei Lehrte in Hannover, erstmals urkundlich genannt ist.
Strauß heiratete am 12. Juni 1832 in Bückeburg Albertine von Torney (* 12. März 1814 auf Gut Hedern, Böhme, Niedersachsen; † 13. März 1905 in Bückeburg), die Letzte ihres niedersächsischen Adelsgeschlechts und Tochter des königlich großbritannischen und kurfürstlich hannoverschen Kapitäns und Hauptmanns Christian David von Torney, Gutsherr auf Hedern, und der Henriette von Honstedt. Aus dieser Ehe stammen die Söhne Albert (1833–1896), Lothar (1835–1903) und Hugo (1837–1919) sowie die Tochter Hedwig von Schreibershofen (1840–1922), die als Schriftstellerin Bekanntheit erlangte. Viktor von Strauß und Torney ist der Großvater der Schriftstellerin Lulu von Strauß und Torney.
Strauß wurde mit seinen Kindern am 2. Juni 1852 mit Diplom vom 20. August 1852 in Wien in den österreichischen Adelsstand erhoben und erhielt mit seinen Söhnen Albert und Lothar am 15. Mai 1872 in Bückeburg die fürstlich schaumburg-lippesche Genehmigung zur Namen- und Wappenvereinigung mit dem der Familie von Torney. Sein Sohn Hugo hatte die entsprechende preußische Genehmigung bereits am 19. Februar 1872 in Berlin erhalten. Von Strauß und Torney verstarb 1899 in Dresden, wurde jedoch in seiner Heimatstadt Bückeburg beigesetzt.[2]
Werk
Strauß war fürstlich schaumburg-lippischer Gesandter und Minister. Außerdem war er D. theol. der Universität Leipzig, schaumburg-lippischer Wirklicher Geheimrat und Ehrenbürger der Stadt Dresden. Schließlich erlangte er Bekanntheit als Religionshistoriker, Dichter und Übersetzer.
Weithin anerkannt wurde seine gewissenhafte Übertragung des Tao Te King von Lao Tse aus dem Chinesischen ins Deutsche, dem wissenschaftlichen Stand der Zeit entsprechend von ihm kommentiert.[3] Sie erschien 1870, nur kurz nach der zwar ersten kompletten Ausgabe von Reinhold von Plaenckner,[4] die aber aufgrund ihrer erheblichen Subjektivität[5] vielfach kritisiert wurde.[6][7] Im internationalen Vergleich beurteilte Wilhelm Grube 1902 die von Strauß'sche Pionierleistung: „Ich wage nicht zu behaupten, daß seine Wiedergabe die korrekteste von allen sei, – die geistvollste ist sie sicherlich.“[8] Für Karl Jaspers war sie die „Grundlage des Studiums“.[9] Seine Übersetzung ist bis heute gebräuchlich, sie wurde 1951 im Manesse Verlag in der von W. Y. Tonn revidierten Fassung neu aufgelegt und erschien dort 2004 in bereits 11. Auflage. Seine Übersetzung des Shijing (Buch der Lieder) von 1880 war die erste Gesamtübersetzung dieser ältesten chinesischen Gedichtsammlung aus dem Chinesischen ins Deutsche.
Bewegt von der lutherischen Erweckung dichtete er Kirchenlieder, von denen drei noch heute in offiziellen Gesangbüchern stehen: Ach komm, füll unsre Seelen ganz (Am vierten Sonntage nach Trinitatis, d. h. zu Lk 6,36-42, 1843, EG Baden, Elsass, Lothringen/Pfalz 656, EG Württemberg 648, RG 802)[10] Herr, vor dein Antlitz treten zwei (Vor der Trauung, 1843, EG 238) und Des Jahres schöner Schmuck entweicht (Im Herbst, 1848, EG Hessen u. Nassau/Kurhessen-Waldeck 648, RG 544). Des Weiteren war er theologisch engagiert im Mitarbeiterkreis der Neuen Kirchlichen Zeitschrift (NKZ).
Während seines Studiums wurde er 1827 Mitglied der Burschenschaft Arminia Erlangen.[11] Strauß dichtete außerdem 1867 das Bundeslied[12] des Wingolfsbundes, er war bereits 1856 Ehrenmitglied des Erlanger Wingolfs geworden.
Sein schriftlicher Nachlass befindet sich im Staatsarchiv Bückeburg.
Schriften (Auswahl)
- Gedichte, Bielefeld 1841
- Lieder aus der Gemeine für das christliche Kirchenjahr, Hamburg 1843
- Das Kirchenjahr im Hause, Heidelberg 1845
- Das kirchliche Bekenntniss und die lehramtliche Verpflichtung; mit nächster Beziehung auf des Herrn Dr. Julius Müller's Schrift "Die erste Generalsynode der evangelischen Landeskirche Preussens und die kirchlichen Befugnisse", Halle 1847
- Lieder über die vier Jahreszeiten und Beleuchtung der Lichtfreunde und ihrer Grundlehren, in: Christoterpe. Ein Taschenbuch für christliche Leser auf das Jahr 1848, hrsg. [...] von Albert Knapp, Heidelberg [1848?]
- Weltliches und Geistliches, Heidelberg 1856
- Ein Prediger in der Wüste, Erlangen 1871
- Novellen, Leipzig 1871
- Der Hannoversche Gesangbuchsentwurf und der Herr Schulinspector Backhaus, Hannover 1880
- Offenes Sendeschreiben an Herrn Oberstlieutnant von Egidy: Eine Beleuchtung seiner Schrift "Ernste Gedanken", Dresden 1881
- Der altägyptische Götterglaube, 2 Bde., Heidelberg 1889–1891.
Übersetzungen (Auswahl)
- Laò-Tsè’s Taò Tĕ Kīng. Friedrich Fleischer, Leipzig 1870; Nachdruck: Asia major, Leipzig 1924; Neuausgabe als „Lao-Tse: Tao Tê King“, Bearb. u. Einl. v. W. Y. Tonn. Manesse, Zürich [1951] (Manesse-Bibliothek der Weltliteratur). (Text revidiert, dabei Orthographie und Stil modernisiert, Kommentare gekürzt)
Literatur
- Wolfgang Deilseit: Strauß und Torney, Victor von. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 25, Duncker & Humblot, Berlin 2013, ISBN 978-3-428-11206-7, S. 519 (Digitalisat).
- Helge Dvorak: Biographisches Lexikon der Deutschen Burschenschaft. Band I: Politiker. Teilband 5: R–S. Winter, Heidelberg 2002, ISBN 3-8253-1256-9, S. 540–541.
- Deutsches Geschlechterbuch: Strauß aus Rethmar bei Lehrte in Hannover. Einzeldruck aus dem 9. Niedersachsenband (DGB 141). C.A. Starke Verlag (kartoniert, DIN B 6, 72 Seiten).
- Genealogisches Handbuch des Adels, Adelige Häuser B Band VI, Band 32 der Gesamtreihe. C. A. Starke Verlag, Limburg (Lahn) 1964, ISSN 0435-2408, S. 365.
- Victor von Strauß und Torney an August von Arnswaldt. Briefe aus der Erweckungsbewegung in Niedersachsen. Hg. von Paul Fleisch. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1960.
- Franz Brümmer: Strauß und Torney, Viktor von. In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB). Band 54, Duncker & Humblot, Leipzig 1908, S. 614–616.
Weblinks
- Literatur von und über Viktor von Strauß und Torney im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Viktor von Strauß und Torney im Lexikon Westfälischer Autorinnen und Autoren
- Literaturliste im Online-Katalog der Staatsbibliothek zu Berlin
Einzelnachweise
- ↑ Eine Vereinheitlichung der „ß“-Schreibweise fand erst mit der Rechtschreibreform von 1901 statt. Daher ist bei älteren Schriften ggf. Victor (von) Strauss korrekt.
- ↑ Todtenschau. In: Dresdner Geschichtsblätter, Nr. 3, 1899, S. 200.
- ↑ Victor von Strauss – Lao-tse's Tao Te King - Das klassische China
- ↑ Reinhold von Plaenckner: Lao-tse Táo-tĕ-king. Der Weg zur Tugend. Aus dem Chinesischen übersetzt und erklärt. F. A. Brockhaus, Leipzig 1870
- ↑ R. v. Plaenckner: „Ich hätte es nicht über mich vermocht, Ansichten niederzuschreiben, oder auch nur andern nachzuschreiben, die so schnurstracks den meinen […] zuwider sind.“ (S. 147–148) „M e i n Traum ist der geworden, dass ungemein viel christliche Ideen in dem Táo-tĕ-king sind.“ (S. 219)
- ↑ Ernst Faber: „Die deutsche Bearbeitung von R. v. Plaenkner bietet wohl Herrn v. Pl.‘s Ideen, doch kaum etwas von Lao Tan’s.“ Eine Staatslehre auf ethischer Grundlage oder Lehrbegriff des chinesischen Philosophen Mencius. Aus dem Urtexte übersetzt, in systematische Ordnung gebracht und mit Anmerkungen und Einleitungen versehen. Verlag R. L. Fridrichs, Elberfeld 1877, S. 29, Anm. 2.
- ↑ Wilhelm Grube: „Die deutschen Übersetzungen des Tao-teh-king von R. v. P l ä n c k n e r und N o a c k bleiben am besten unerwähnt.“ Die Litteraturen des Ostens in Einzeldarstellungen. Achter Band: Geschichte der chinesischen Litteratur. C. F. Amelangs Verlag, Leipzig 1902, S. 144, Anm.
- ↑ Geschichte der chinesischen Litteratur. C. F. Amelangs Verlag, Leipzig 1902, S. 145.
- ↑ „Selbst wo seine Aufstellungen nicht gültig sind, ist seine Begründung noch lehrreich. Mit diesem überragenden Werk sind beim Studium zusammenzunehmen die neueren Übersetzungen. Bei Abweichungen dieser Neueren gegenüber Strauß überzeuge man sich in Strauß’ Kommentar, wie er seine Übersetzung begründet und manchmal die späteren Einwände schon vorwegnimmt.“ Karl Jaspers: Die großen Philosophen. Erster Band. R. Piper & Co., München 1957 (Neuausgabe 1988), S. 898–933.
- ↑ Lk 6,36-42. In: Bibel. Abgerufen am 11. Dezember 2024.
- ↑ Helge Dvorak: Biographisches Lexikon der Deutschen Burschenschaft. Band I: Politiker. Teilband 5: R–S. Winter, Heidelberg 2002, ISBN 3-8253-1256-9, S. 540.
- ↑ Webseite des Erlanger Wingolfs: Bundeslied ( des vom 14. Mai 2010 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.