Victor Urbancic
Victor Urbancic (* 9. August 1903 in Wien, Österreich-Ungarn; † 4. April 1958 in Reykjavík) war ein österreichischer Komponist, Dirigent, Pädagoge und Musikwissenschaftler, der in Island wirkte.
Leben
Urbancic (Urbantschitsch) studierte an der Universität Wien Musikwissenschaft und an der Wiener Akademie für Musik und darstellende Kunst u. a. Komposition bei Joseph Marx und Dirigieren bei Clemens Krauss. 1925 wurde er bei Guido Adler promoviert.[1] Er arbeitete ab 1926 am Stadttheater Mainz als Solorepetitor und Operettenkapellmeister, ab 1930 auch als Opernkapellmeister. Nach der Machtübertragung an die Nationalsozialisten 1933 wurde er aus rassistischen und politischen Gründen gekündigt. Ab 1934 arbeitete er am Konservatorium in Graz. Nach dem Anschluss Österreichs emigrierten Urbancic und seine Frau aus jüdischer Familie, Melitta geb. Grünbaum, mit ihren drei Kindern Peter (* 1931), Ruth (* 1932) und Sibyl (* 1937) nach Island. Einer seiner Studienkollegen, Franz Mixa, selbst ein gebildeter Musiker aus Österreich, tauschte teilweise die Stellung mit ihm. Urbancic verbrachte die zweite Hälfte seines Lebens in Island und hatte zu dieser Zeit einen immensen Einfluss auf die dortige Musik und ihre Entwicklung.[2]
Bevor er nach Island fliehen musste, war er u. a. Vizedirektor des Konservatoriums in Graz und Direktor des Musikwissenschaftlichen Instituts der Universität Graz. In seinen letzten Lebensjahren war er musikalischer Direktor des Isländischen Nationaltheaters in Reykjavík. So dirigierte er im Jahr 1951 die erste Oper, die in Island aufgeführt wurde, Rigoletto von Giuseppe Verdi.[3] Zu seinen zahlreichen Tätigkeiten gehörte auch die des Organisten und Chorleiters der Landakotskirkja in Reykjavík. Bei ihm studierten isländische Komponisten wie Karl Ottó Runólfsson und Jón Nordal.[1] Urbancic erhielt das Ritterkreuz des Falkenordens. Er starb am Karfreitag 1958.
Er war der Enkel des Ohrenarztes Viktor Urbantschitsch, der Neffe des Psychoanalytikers Rudolf Urbantschitsch, der Onkel der Kostümbildnerin und Bühnenbildnerin Elisabeth Urbancic und der Großonkel von Elisabeths Sohn, dem Schauspieler Christoph Waltz.[4]
Im Jahr 2025 erschien eine Biographie von Urbancic und zwei weiteren exilierten Musikern: Music at World’s End: Three Exiled Musicians from Nazi Germany and Austria and Their Contribution to Music in Iceland, verfasst von dem isländischen Musikwissenschaftler Árni Heimir Ingólfsson.
Literatur
- Hannes Heer; Sven Fritz; Heike Brummer; Jutta Zwilling: Verstummte Stimmen: die Vertreibung der „Juden“ und „politisch Untragbaren“ aus den hessischen Theatern 1933 bis 1945. Metropol, Berlin 2011, ISBN 978-3-86331-013-4.
- Urbancic, Victor, in: Werner Röder; Herbert A. Strauss (Hrsg.): International Biographical Dictionary of Central European Emigrés 1933–1945. Band 2,2. Saur, München 1983, ISBN 3-598-11420-6, S. 1186
- Monika Kornberger, Rudolf Flotzinger: Urbantschitsch (Urbancic), Familie. In: Oesterreichisches Musiklexikon. Online-Ausgabe, Wien 2002 ff., ISBN 3-7001-3077-5; Druckausgabe: Band 5, Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, Wien 2006, ISBN 3-7001-3067-8., Stand 30. Oktober 2023
- Árni Heimir Ingólfsson: Music at World’s End: Three Exiled Musicians from Nazi Germany and Austria and Their Contribution to Music in Iceland. State University of New York Press, Albany 2025, ISBN 979-88-5580068-5.
Weblinks
- Ein beispielloser Kulturtransfer im Exil: Melitta Urbancic (1902–1984) Biographie des Monats der ÖAW
Einzelnachweise
- ↑ a b Monika Kornberger, Rudolf Flotzinger: Urbantschitsch (Urbancic), Familie. In: Oesterreichisches Musiklexikon. Online-Ausgabe, Wien 2002 ff., ISBN 3-7001-3077-5; Druckausgabe: Band 5, Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, Wien 2006, ISBN 3-7001-3067-8., Stand 30. Oktober 2023
- ↑ Rudolf Habringer: Emigration an den Rand der Welt. Die Geschichte des Musikers Victor Urbancic. In: Theodor Kramer Gesellschaft (Hrsg.): Zwischenwelt. Literatur, Widerstand, Exil, Jg. 20 (2003), Heft 2, S. 33–41, ISSN 1606-4321
- ↑ Rudolf Habringer: Victor Urbancic im Lexikon verfolgter Musiker und Musikerinnen der NS-Zeit (LexM), Stand: 11. März 2020
- ↑ Urbantschitsch, Viktor von (1847–1921), Otologe. Österreichisches Biographisches Lexikon, abgerufen am 10. Juni 2025.