Unsichtbare Behinderung

Eine unsichtbare Behinderung ist eine physische und/oder psychische Behinderung oder Erkrankung, die für einen Dritten nicht sofort ersichtlich ist.[1]
Definition
Eine unsichtbare Behinderung wird als eine körperliche, geistige oder neurologische Beeinträchtigung eingestuft, die von außen nicht sichtbar ist, aber dennoch die Bewegungen, Sinne oder Aktivitäten einer Person einschränken oder erschweren kann. Menschen gehen in der Regel davon aus, dass Behinderungen körperlich oder anderweitig sichtbar sind, obwohl viele Behinderungen nicht offensichtlich erkennbar sind.[2]
Die Art der Einschränkung ist vielfältig und nicht an bestimmte Formen der Behinderung gebunden, einziges gemeinsames Merkmal ist die nicht offensichtliche Sichtbarkeit wie z. B. durch die Benutzung von Gehhilfen, Rollstühlen, sichtbaren Hörhilfen oder anderen Prothesen.
Zeitlich kann die Behinderung temporär oder dauerhaft oder situationsbezogen vorhanden sein. Neben visueller und auditiver Behinderung gehören ebenso körperliche, neurologische, neuroentwicklungsbezogene, kognitive, sensorische und verarbeitungsbezogene Behinderungen dazu. Ebenso sind seltene Krankheiten und viele chronische Leiden nicht sofort für Mitmenschen zu erkennen.
Behinderungen
Zu den nicht sichtbaren Behinderungen zählen beispielsweise Seh- und Hörbehinderungen, chronische Schmerzen, chronisch-entzündliche Darmerkrankungen, Fatigue, Atemwegserkrankungen, Arthritis, Multiple Sklerose, Diabetes, Krebserkrankungen, AIDS, Autismus, Lernschwierigkeiten, Legasthenie, Demenz, ADHS, ME/CFS, Parkinson-Krankheit, FASD, Schlafstörungen, Angststörungen, PTBS und andere psychische Erkrankungen.[3]
Menschen mit unsichtbarer Behinderung sind häufig Opfer von Ableismus, denn ihre Behinderung, da nicht offensichtlich, wird nicht ernst genommen. Beispielsweise hören Eltern von Kindern mit Autismus-Spektrum-Störung häufig: „Das Kind sieht gar nicht behindert aus. Das Kind wirkt normal, es soll sich nicht so anstellen.“[4]
Geschichte
Der Begriff der unsichtbaren Beeinträchtigung (engl. „invisible handicap“) wurde im angloamerikanischen Sprachgebrauch geprägt. Schon in den 1940er Jahren wurde der Begriff in den USA verwendet, etwa im Zusammenhang mit posttraumatischer Belastungsstörung bei Militärpersonal. Diese frühe Verwendung belegt, dass das Konzept unsichtbarer Einschränkungen älter ist als vermutet.[5]
Um 1970 begannen verschiedene Gruppen in Nordamerika – darunter Soziologen, Menschen mit Behinderungen und politisch engagierte Behindertenorganisationen – sich von der bis dahin dominierenden medizinischen Sichtweise auf Behinderung abzuwenden. Stattdessen rückten Themen wie Unterdrückung, Bürgerrechte und Barrierefreiheit in den Mittelpunkt der Diskussion. Dieser Wandel im Diskurs führte zu Konzeptualisierungen von Behinderung, die auf sozialen Konstrukten beruhten.[6]
In den 1980ern und 1990ern wurde der Ausdruck „invisible disabilities“ in Selbsthilfegruppen, medizinischen Texten und sozialwissenschaftlichen Diskursen häufiger verwendet. Der Begriff sollte verdeutlichen, dass viele Behinderungen nicht unmittelbar sichtbar, aber dennoch tiefgreifend einschränkend sind. Mit dem Americans with Disabilities Act (ADA, 1990) wurde in den USA rechtlich anerkannt, dass auch Personen mit nicht-sichtbaren Beeinträchtigungen Schutz verdienen – z. B. Menschen mit Lernstörungen, psychischen Erkrankungen oder chronischen Krankheiten.
Im November 1996 wurde in Deutschland in den Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz festgelegt, wie verschiedene Erkrankungen – auch unsichtbare – zur Feststellung eines Grades der Behinderung (GdB) herangezogen werden. Damit erhielten viele unsichtbare Erkrankungen erstmals in Deutschland systematische Anerkennung.[7]
Mit der Ratifizierung des Übereinkommens über die Rechte von Menschen mit Behinderungen verpflichtete sich Deutschland im Jahr 2009, den Behinderungsbegriff inklusiver zu verstehen. Seitdem ist klar: Auch unsichtbare Behinderungen müssen gleichwertig berücksichtigt werden.
Sichtbarkeit
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Im Jahr 2016 wurden Mitarbeiter des Unternehmens für Personalservice OCS am Flughafen London-Gatwick um Verbesserungen für Dienstleistungen an behinderten Passagieren gebeten.[8]
Aus den Ideen der Mitarbeiter entstand 2017 ein Umhängeband bedruckt mit Sonnenblumensymbolen, welches exklusiv von der englischen Privatfirma Hidden Disabilities Sunflower Scheme Limited (HDS) weltweit vertrieben wird.[9]
In Deutschland konnte sich das Sonnenblumensymbol außerhalb von Flughäfen bisher nicht durchsetzen, da das Logo der Sonnenblume in Deutschland bereits seit Beginn der 80er Jahre des 20. Jahrhunderts mit der Partei Bündnis 90/Die Grünen in Verbindung gebracht wird.[10]

Kritikpunkt an dem Symbol der Sonnenblume ist auch der umfangreiche Markenschutz durch HDS. Das Unternehmen weist auf ihrer Webseite ausdrücklich auf den Schutz nach Abschnitt 10(2) Trade Marks Act von 1994 bzw. sinngemäß §14 Abs. 2 MarkenG[11] hin. Damit kann das Zeichen ausschließlich von HDS erworben werden und darf nicht privat genutzt werden. Auch ist nicht ersichtlich, in welchem Umfang behinderte Menschen von den generierten Einnahmen des Unternehmens profitieren.

Viele nicht sichtbar Körperbehinderte, insbesondere Nicht-Gehbehinderte, fühlen sich vom international bekannten Logo für Behinderungen nicht oder nur unzureichend angesprochen.
Weitere Symbole, Flaggen für Behinderungen oder Aufmerksamkeitsschleifen betreffen sehr spezifische Behinderungen oder Erkrankungen und eignen sich daher nicht für eine übergreifende Darstellung.
Im Rahmen einer deutschsprachigen Diskussionsgruppe für Behinderte mit Psoriasis-Arthritis hat sich 2025 ein weiteres Symbol für unsichtbare Behinderungen ergeben: die Blüte des Löwenzahns auf tiefblauem Grund. Dieses Logo ist, anders als das Sonnenblumenlogo, unter Creative Commons Attribution-Share Alike 4.0 International veröffentlicht und kann somit frei verwendet werden.
Weblinks
Einzelnachweise
- ↑ Franziska Seehausen: Unsichtbare Behinderungen und Erkrankungen. Abgerufen am 26. August 2025.
- ↑ Disabled World: Invisible Disabilities: List and General Information | DW. 1. Januar 2014, abgerufen am 27. August 2025 (amerikanisches Englisch).
- ↑ Unsichtbare Behinderung: Einschränkungen verstehen, Vorurteile abbauen. 17. Juni 2025, abgerufen am 27. August 2025.
- ↑ Leichter Autismus: Symptome bei Kindern und Erwachsenen. 20. Juni 2025, abgerufen am 27. August 2025.
- ↑ Elliot Harmon: No One Owns Invisible Disabilities. 4. Oktober 2016, abgerufen am 27. August 2025 (englisch).
- ↑ Jonas-Sébastien Beaudry: Beyond (Models of) Disability? In: The Journal of Medicine and Philosophy. Band 41, Nr. 2, April 2016, ISSN 1744-5019, S. 210–228, doi:10.1093/jmp/jhv063, PMID 26892249, PMC 4886464 (freier Volltext) – (nih.gov [abgerufen am 27. August 2025]).
- ↑ Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz: [Rechtsstand: November 1996]. Nachdr., Rechtsstand: November 1996 Auflage. Köllen, Bonn 1998 (uni-heidelberg.de [abgerufen am 27. August 2025]).
- ↑ danbarber: OCS: Pioneers of the Sunflower Lanyard Scheme. In: OCS - UK. 4. Januar 2024, abgerufen am 26. August 2025 (britisches Englisch).
- ↑ Our history. In: hdsunflower.com. 2025, abgerufen am 26. August 2025 (englisch).
- ↑ Das grüne Design. Abgerufen am 26. August 2025.
- ↑ §14 Abs.2 MarkenG