Umkehrregel




Die Umkehrregel[1][2] ist eine Formel der Differentialrechnung. Sie besagt, dass für eine umkehrbare (das heißt bijektive) reelle Funktion ,

  • die monoton ist,
  • die an der Stelle differenzierbar ist und
  • dort keine waagerechte Tangente besitzt, d. h. für die gilt,

auch ihre Umkehrfunktion an der Stelle differenzierbar ist mit Ableitung

Die Gültigkeit dieser Gleichung kann man sich gut an einer Skizze verdeutlichen: Die Bildung der Umkehrfunktion entspricht einer Vertauschung der Koordinaten und . Die Graphen der Funktion und ihrer Umkehrfunktion sind also zueinander symmetrisch bezüglich der Winkelhalbierenden des I. und III. Quadranten mit der Gleichung . Die Ableitung einer Funktion an einer bestimmten Stelle entspricht der Steigung der zugehörigen Tangente, also gleich dem Tangens des Neigungswinkels gegenüber der Waagrechten. Damit erhält man:

Man findet stellenweise eine im Allgemeinen falsche[3] Variante der Umkehrregel, bei der die Voraussetzung der Monotonie fehlt.

Beweisskizzen

Die Umkehrregel kann direkt gezeigt werden, indem man den Differenzenquotient

dahingehend umformt, dass er zu

wird, um anschließend mit zu substituieren.

Man kann unter Nutzung von Monotonie und Stetigkeit von zeigen, dass auch stetig ist (betrachte dazu das Bild von unter , dies ist ein offenes Intervall, das enthält, was sich leicht per Widerspruch zeigen lässt). Deswegen gilt für und es folgt

und somit

Alternativ ergibt unter Nutzung der Kettenregel die Eigenschaft

der Umkehrfunktion bei Differenzieren nach auf beiden Seiten der Gleichung ebenfalls die Umkehrregel (mit ):

Allerdings wird dabei die Differenzierbarkeit von an der Stelle schon vorausgesetzt, während sie in der ersten Beweisskizze mitbewiesen wird.

Beispiele

Die Umkehrfunktion der Exponentialfunktion ist der natürliche Logarithmus

Wegen gilt also

Eine weitere wichtige Anwendung der Umkehrregel sind die Ableitungen der Umkehrfunktionen der trigonometrischen Funktionen. So gilt z. B. für die Ableitung des Arkussinus für wegen

Stellt man den trigonometrischen Pythagoras nach dem Kosinus um, erhält man

.

Wegen folgt daraus:

Analoges gilt für die Ableitungen des Arkuskosinus und des Arkustangens.

Alternative Formulierungen und Verallgemeinerungen

Fordert man die Stetigkeit der ersten Ableitung von , so genügt bereits die Voraussetzung , da daraus direkt auf einem kleinen Bereich um und daraus wiederum die Existenz der Umkehrfunktion von auf diesem kleinen Bereich folgt (man betrachte dazu die Monotonie von !). Von dieser Grundidee geht man bei der mehrdimensionalen Verallgemeinerung der Umkehrregel, dem Satz von der inversen Abbildung, aus.

Abweichende Schreibweisen in der Physik und anderen Naturwissenschaften

In der Physik und anderen Naturwissenschaften wird manchmal die leibnizsche Schreibweise mit Differentialen benutzt. Die Umkehrregel nimmt dann die folgende Gestalt an:

Literatur

  • Steffen Goebbels, Stefan Ritter: Mathematik verstehen und anwenden: Differenzial- und Integralrechnung, Lineare Algebra. 4. Auflage. Springer Spektrum, 2023, ISBN 978-3-662-68366-8, S. 344–347.
  • Konrad Königsberger: Analysis 1. 6. Auflage. Springer, Berlin u. a. 2004, ISBN 3-540-40371-X, S. 143.
  • Richard Courant: Vorlesungen über Differential- und Integralrechnung 1. Springer, Berlin / Heidelberg / New York 1971, 3-540-05466-9, S. 128–130.
  • Karl Strubecker: Einführung in die Höhere Mathematik. Band II: Differentialrechnung einer reellen Veränderlichen. Oldenbourg, München / Wien 1967, S. 153–156.
  • Georg Prange, Werner von Koppenfels: Vorlesungen über Integral- und Differentialrechnung. Erster Band: Funktionen einer reellen Veränderlichen. Springer, Berlin / Heidelberg 1943, ISBN 978-3-540-01337-2, S. 210–211 und S. 266–267.

Einzelnachweise

  1. Harald Scheid, Wolfgang Schwarz: Elemente der Linearen Algebra und der Analysis. Spektrum, Heidelberg 2009, ISBN 978-3-8274-1971-2, S. 244.
  2. Georg Prange, Werner von Koppenfels: Vorlesungen über Integral- und Differentialrechnung, S. 211.
  3. Gegenbeispiel zur Umkehrregel ohne Monotonievoraussetzung