Tropenkreischeule

Tropenkreischeule

Tropenkreischeulen, zwei verschiedene Farbmorphen

Systematik
Klasse: Vögel (Aves)
Ordnung: Eulen (Strigiformes)
Familie: Eigentliche Eulen (Strigidae)
Gattung: Kreischeulen (Megascops)
Art: Tropenkreischeule
Wissenschaftlicher Name
Megascops choliba
(Vieillot, 1817)

Die Tropenkreischeule[1] (Megascops choliba, Syn.: Otus choliba), gelegentlich auch Choliba-Kreischeule oder Cholibaeule genannt,[2] ist eine Art aus der Familie der Eigentlichen Eulen. Sie kommt in neun Unterarten ausschließlich in Süd- und Zentralamerika vor.

Erscheinungsbild

Mit einer Körpergröße von etwa 22 Zentimetern ist die Tropenkreischeule innerhalb ihrer Gattung eine mittelgroße Art.[3] Sie hat kurze Federohren und gelbe Augen. Die Art ist auffällig polymorph. Es gibt graubraune, braune und rotbraune Farbmorphen.

Verbreitung und Lebensraum

Das Verbreitungsgebiet der Tropenkreischeule reicht von Costa Rica bis weit in den Süden von Südamerika. Sie besiedelt allerdings nur die Region östlich der Anden und kommt bis in den Norden von Argentinien und Uruguay vor. Sie fehlt im Westen von Ecuador, Peru und Chile. Sie gilt als Standvogel. Ihr Lebensraum sind offene Wälder, Savannen mit einzelnen Bäumen oder kleinen Waldgebieten, baumbestandenes Farmland, Waldränder und -lichtungen, Stadtparks, Weideland und Plantagen. Sie meidet dichten primären Wald. Sie kommt nur selten in Höhenlagen über 1500 m vor.[4]

Lebensweise

Die Tropenkreischeule ist eine nachtaktive Eule. Sie übertagt im dichten Blattwerk von Bäumen oder Büschen. Sehr gerne nutzt sie dabei den Schutz eines Dornbusches oder sitzt im dichten Epiphytenwachstum unmittelbar in Baumstammnähe. Der Gesang der Männchen ist häufig auch am Tage zu hören. Das Nahrungsspektrum umfasst vor allem Insekten. Dazu zählen Nachtfalter, Zikaden, Grashüpfer und Käfer sowie auch Spinnen und gelegentlich kleine Wirbeltiere.

Südlich des Äquators lassen die Männchen ihren Gesang ab August oder Anfang September erklingen. Dort fällt die Hauptbalz in den Monat September. Sie nisten überwiegend in Baumhöhlen. Das Gelege besteht aus einem bis drei weißen Eiern. Es brütet nur das Weibchen, das vom Männchen mit Nahrung versorgt wird.

Systematik

In Südamerika scheint es keine Eulenart zu geben, die sehr eng mit der Tropenkreischeule verwandt ist. Die zahlreichen Unterarten bedürfen nach Ansicht des Ornithologen Claus König einer genaueren Untersuchung und sind möglicherweise eigenständige Arten. Die Andenkreischeule beispielsweise, die ihren Namen zu Ehren der Ornithologin Maria Koepcke trägt, wurde zunächst als Rasse der Tropenkreischeule beschrieben.[5]

Unterarten

Es werden folgende Unterarten unterschieden.[6]

  • Megascops choliba luctisonus (Bangs & Penard, TE, 1921)[7] kommt von Costa Rica bis ins nordwestliche Kolumbien vor.
  • Megascops choliba margaritae (Cory, 1915)[8] kommt auf der Isla Margarita vor.
  • Megascops choliba duidae (Chapman, 1929)[9] kommt im südlichen Venezuela vor.
  • Megascops choliba cruciger (Spix, 1824)[10] ist im östlichen Kolumbien und dem östlichen Peru über Venezuela, die Guyanas bis ins nordöstliche Brasilien verbreitet
  • Megascops choliba surutus (Kelso, L, 1941)[11] kommt in Bolivien vor.
  • Megascops choliba decussatus (Lichtenstein, MHC, 1823)[12] ist im zentralen und östlichen Brasilien verbreitet.
  • Megascops choliba choliba (Vieillot, 1817)[13] kommt vom südlichen Brasilien bis ins östliche Paraguay vor.
  • Megascops choliba wetmorei (Brodkorb, 1937)[14] ist im westlichen Paraguay und nördlichen Argentinien verbreitet.
  • Megascops choliba uruguaii (Hekstra, 1982)[15] kommt im südöstlichen Brasilien, in Uruguay und dem nordöstlichen Argentinien vor.

Otus choliba chapadensis Hekstra, 1982[15] wird heute als Synonym zur Nominatform betrachtet. Otus choliba alticola Kelso, L, 1937[16], Otus choliba caucae Hekstra, 1982[17], Otus choliba portoricensis Kelso, L, 1942[18], Otus choliba kelsoi Hekstra, 1982[19], Otus choliba montanus Hekstra, 1982[19] und Otus choliba guyanensis Hekstra, 1982[17] werden als Synonyme zu M. c. cruciger gesehen, Otus choliba caatingensis Hekstra, 1982[15] als Synonym zu M. c. decussatus und Otus choliba alilicuco Hekstra, 1982[15] als Synonym zu M. c. wetmorei.

Etymologie und Forschungsgeschichte

Die Erstbeschreibung der Tropenkreischeule erfolgte 1817 durch Louis Pierre Vieillot unter dem wissenschaftlichen Namen Strix choliba. Als Verbreitungsgebiet gab er Paraguay basierend auf Aves nocturnas de rapiña de la chóliba von Félix de Azara[20] an.[13] 1842 führte Johann Jakob Kaup die Gattung Megascops ein.[21] Der Begriff leitet sich von μεγας, μεγαλη megas, megalē, deutsch ‚groß‘ für σκωψ, σκωπος skōps, skōpos, deutsch ‚kleine Eule mit Ohren‘ ab.[22] Der Artname »choliba« hat seinen Ursprung in der Aragonesischen Sprache, da diese Eule Azara an die Zwergohreule (Otus scops) erinnerte.[23] Margaritae bezieht sich auf die Isla Margarita[8], duidae auf den Cerro Duida[9], uruguaii auf Uruguay[15], chapadensis auf Chapada dos Guimarães[15], caucae auf das Departamento del Cauca[17], portoricensis auf Puerto Rico[18], surutus auf den Río Surutu[11] und guyanensis auf Guyana[17]. Wetmorei ist Alexander Wetmore gewidmet[14], kelsoi Leon Hugh Kelso.[19] Luctisonus hat seinen Ursprung in lateinisch luctisonus,luctus, lugere ‚trauervoll, traurig klingend, klagend, klagen‘ und lateinisch sonare ‚klingen‘[24], cruciger in lateinisch crux, crucis ‚Kreuz‘ und lateinisch -gera, gerere ‚-tragend, tragen‘[25] decussatus in lateinisch decussatus, decussis ‚mit Kreuzen markiert, X in den römischen Zahlen‘[26], alticola in lateinisch altus, alere ‚Höhe, nähren‘ und lateinisch -cola, colere ‚-bewohnend, Bewohner‘[27] und montanus in lateinisch montanus, mons, montis ‚in den Bergen lebend, Berge‘.[28] Alilicuco ist der lokale Name der Eule in der Provinz Tucumán.[15] Schließlich bezieht sich caatingensis auf Caatinga.[15] Alfred Laubmann hatte für sein Werk Die Vögel von Paraguay drei Bälge, gesammelt von Eugen Josef Robert Schuhmacher (1906–1973) in Puerto Casado und Nueva Germania zur Verfügung. In der Literatur betrachtete er in einem von Richard Otto Rohde (1855–1912) gesammelten Exemplar aus Lambaré beschrieben durch Hans Hermann Carl Ludwig von Berlepsch[29], am Río Pilcomayo[30] und Río Paraguay durch John Graham Kerr, in Bernalcue[31] durch Carl Eduard Hellmayr, in Sapucai[32] durch Charles Chubb, im Departamento Alto Paraná[33] und Monte Sociedad[34] durch Arnaldo de Winkelried Bertoni und in Concepción[35] durch sich selbst als Nachweise für das Land. Außerdem lagen ihm noch Exemplare von Emil Weiske (1867–1950) und Berthold Krüger aus Concepción und von Adolf Neunteufel (1909–1979) aus Cambyretá zur Analyse vor.[36]

Einzelnachweise

  1. H. Barthel, C. Barthel, E. Bezzel, P. Eckhoff, R. van den Elzen, C. Hinkelmann, F. D. Steinheimer: Die Vögel der Erde – Arten, Unterarten, Verbreitung und deutsche Namen. In: Deutsche Ornithologen-Gesellschaft (Hrsg.): Vogelwarte. 3. Auflage. 60, Sonderheft, 2022, ISSN 0049-6650, doi:10.17617/2.3418299 (mpg.de [PDF; 4,7 MB]).
  2. Tropenkreischeule. zootierliste.de, abgerufen am 16. September 2024.
  3. König et al., S. 289.
  4. König et al., S. 290.
  5. König et al., S. 291.
  6. IOC World Bird List Owls
  7. Outram Bangs u. a. (1921), S. 89–90.
  8. a b Charles Barney Cory (1915), S. 298–299.
  9. a b Frank Michler Chapman (1929), S. 7–8.
  10. Johann Baptist von Spix (1824), S. 22–23 Tafel 9.
  11. a b Leon Hugh Kelso (1941), S. 1.
  12. Martin Hinrich Lichtenstein (1823), S. 59.
  13. a b Louis Pierre Vieillot (1817), S. 39.
  14. a b Pierce Brodkorb (1937), S. 33–34.
  15. a b c d e f g h Gerrit Paulus Hekstra (1982), S. 59.
  16. Leon Hugh Kelso (1937), S. 1.
  17. a b c d Gerrit Paulus Hekstra (1982), S. 60.
  18. a b Leon Hugh Kelso (1942), S. 2.
  19. a b c Gerrit Paulus Hekstra (1982), S. 61.
  20. Félix de Azara (1802), S. 218–235.
  21. Johann Jakob Kaup (1842), S. 769
  22. Megascops The Key to Scientific Names Edited by James A. Jobling
  23. choliba The Key to Scientific Names Edited by James A. Jobling
  24. luctisonus The Key to Scientific Names Edited by James A. Jobling
  25. cruciger The Key to Scientific Names Edited by James A. Jobling
  26. decussatus The Key to Scientific Names Edited by James A. Jobling
  27. alticola The Key to Scientific Names Edited by James A. Jobling
  28. montanus The Key to Scientific Names Edited by James A. Jobling
  29. Hans Hermann Carl Ludwig von Berlepsch (1887), S. 27.
  30. John Graham Kerr (1892), S. 141
  31. Carl Eduard Hellmayr (1906), S. 575.
  32. Charles Chubb (1910), S. 75
  33. Arnaldo de Winkelried Bertoni (1914), S. 44.
  34. Arnaldo de Winkelried Bertoni (1930), S. 246.
  35. Alfred Laubmann (1930), S. 159
  36. Alfred Laubmann (1939), S. 226–227

Literatur

  • Félix de Azara: Apuntamientos para la historia natural de los páxaros del Paragüay y Rio de la Plata. Band 1. Impr. de la viuda de Ibarra, Madrid 1802, S. 218–225 (google.de).
  • Outram Bangs, Thomas Edward Penard: Descriptions of six new subspecies of American birds. In: Proceedings of The Biological Society of Washington. Band 34, 1921, S. 89–92 (biodiversitylibrary.org).
  • Hans Hermann Carl Ludwig von Berlepsch: Systematisches Verzeichniss der von Herrn Ricardo Rohde in Paraguay gesammelten Vögel. In: Journal für Ornithologie (= 4. Band 15). Nr. 177, 1887, S. 1–37 (biodiversitylibrary.org).
  • Arnaldo de Winkelried Bertoni in Mosè Giacomo Bertoni: Fauna paraguaya. Catálogos sistemáticos de los vertebrados del Paraguay : peces, batracios, reptiles, aves, y mamíferos conocidos hasta 1913. In: Descripcion fisica y economica del Paraguay. Band 59, Nr. 1. Establecimiento Gráfico M. Brossa, Asunción 1914, S. 1–86 (google.de).
  • Arnaldo de Winkelried Bertoni: Sobre ornitología del Chaco Paraguayo. Aves colectadas por Félix Posner en la Colonia „Monte Sociedad“, hoy Benjamin Aceval (Villa Hayes). In: Revista de la Sociedad Científica del Paraguay. Band 2, Nr. 6, 1930, S. 241–258.
  • Pierce Brodkorb: Additions to the Avifauna of Paraguay. In: Proceedings of the Biological Society of Washington. Band 50, 1937, S. 33–34 (biodiversitylibrary.org).
  • Frank Michler Chapman: Descriptions of new birds from Mt. Duida, Venezuela. In: American Museum novitates. Nr. 380, 1929, S. 1–28 (amnh.org [PDF; 2,7 MB]).
  • Charles Chubb: On the Birds of Paraguay. In: The Ibis (= 9. Band 4). Nr. 13, 1910, S. 53–78 (biodiversitylibrary.org).
  • Charles Barney Cory: Descriptions of new birds from South America and adjacent islands. In: Field Museum of Natural History Publication 182 (= Ornithological Series. Band 1). Nr. 8, 1915, S. 293–302 (biodiversitylibrary.org).
  • Carl Eduard Hellmayr: Revision der Spix'schen Typen brasilianischer Vögel. In: Abhandlungen der Mathematisch-Physikalischen Klasse der Königlich Bayerischen Akademie der Wissenschaften. Band 22, 1906, S. 561–726 (biodiversitylibrary.org).
  • Gerrit Paulus Hekstra: Description of twenty four new subspecies of American Otus (Aves, Strigidae). In: Bulletin Zoölogisch Museum, Universiteit van Amsterdam. Band 9, Nr. 7, 1983, S. 49–63 (englisch, naturalis.nl [PDF; 1000 kB]).
  • Johann Jakob Kaup: Uebersicht der Eulen (Strigidæ). In: Isis von Oken. Band 40, Nr. 5, 1848, S. 753–774 (biodiversitylibrary.org).
  • Leon Hugh Kelso: Two new owls from South America. In: Biological Leaflet. Nr. 8, 24. Juli 1937, S. 1–2.
  • Leon Hugh Kelso: Additional races of American owls. In: Biological Leaflet. Nr. 13, 31. Juli 1941, S. 1.
  • Leon Hugh Kelso: The ear of Otus asio. In: Biological Leaflet. Nr. 14, 9. Mai 1942, S. 1–2.
  • John Graham Kerr: On the Avifauna of the Lower Pilcomayo. In: The Ibis (= 6. Band 4). Nr. 13, 1892, S. 120–152 (biodiversitylibrary.org).
  • Claus König, Friedhelm Weick: Owls of the World. Christopher Helm, London 2008, ISBN 978-0-7136-6548-2.
  • Alfred Laubmann: Wissenschaftliche Ergebnisse der Deutschen Gran Chaco-Expedition: Vögel. Strecker und Schröder, Stuttgart 1930 (google.de).
  • Alfred Laubmann: Die Vögel von Paraguay. Band 1. Strecker und Schröder, Stuttgart 1939, S. 226–227 (google.de).
  • Martin Hinrich Lichtenstein: Verzeichniss der Doubletten des Zoologischen Museums der Königl. Universität zu Berlin : nebst Beschreibung vieler bisher unbekannter Arten von Säugethieren, Vögeln, Amphibien und Fischen. In Commission bei T. Trautwein, Berlin 1823 (biodiversitylibrary.org).
  • Johann Baptist von Spix: Avium species novae, quas in itinere annis MDCCCXVII-MDCCCXX per Brasiliam jussu et auspiciis Maximiliani Josephi I. Bavariae Regis Augustissini suscepto colleoit et descripsit. Band 1. Impensis editores, München 1824 (biodiversitylibrary.org).
  • Louis Pierre Vieillot: Nouveau dictionnaire d'histoire naturelle, appliquée aux arts, à l'agriculture, à l'économie rurale et domestique, à la médecine, etc. Par une société de naturalistes et d'agriculteurs. Band 7. Deterville, Paris 1817, S. 39 (biodiversitylibrary.org).
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