Tomasz Schulz
Tomasz Schulz, auch Thomas Schulz, (* 1951 in Nakło nad Notecią) ist ein deutsch-polnischer Konzeptkünstler, Dadaist und Pionier der internationalen Mail-Art-Bewegung. Er gilt als eine der zentralen Figuren der osteuropäischen Netzwerkkunst und ist bekannt für seine subversiven, sprachkritischen und kollaborativen Arbeiten, die sich zwischen konkreter Poesie, visueller Kommunikation und politischer Intervention bewegen.
Leben
Schulz studierte Polnische Philologie und Kunsttheorie an der Nikolaus-Kopernikus-Universität in Toruń (Thorn). 1975 zog er nach Ladek-Zdrój (Bad Landeck) in Niederschlesien, wo er als Lehrer für Kunst und Literatur tätig war. In dieser Zeit begann er, sich intensiv mit Mail Art auseinanderzusetzen und wurde Teil eines globalen Netzwerks von Künstlern, die über die Post miteinander kommunizierten und kollaborierten.[1]
Seit 2001 lebt Schulz in Potsdam, wo er als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Deutschen Kulturforum östliches Europa tätig war. Er bewahrt ein umfangreiches Privatarchiv mit Mail Art-Dokumenten, darunter die Coop-Bücher und zahlreiche Visitenkartenprojekte.[1]
Künstlerisches Werk
Schulz' Arbeiten sind geprägt von einer konzeptuellen Haltung, die sich gegen traditionelle Kunstformen richtet. Er nutzte Visitenkarten, Kopien, Stempel, Adresslisten und Notizbücher als künstlerische Medien. Zu seinen bekanntesten Projekten zählen:
- Atomizacia Stowa („Wortatomisierung“, 1975): Konkrete Poesie, die Sprache in visuelle Fragmente zerlegt.[2]
- Red-Y Made Center (1981–88): Ein fiktives Zentrum, das Duchamps Ready-Made-Idee ironisch auf Identität und Adresse überträgt.
- Coop-Books (1979–81): Kollaborative Notizbücher, die weltweit zirkulierten und von Künstlern gestaltet wurden.
- Solidarnosé z Solidarnoscia (1980–81): Politisch motivierte Kunst zur Unterstützung der Solidarnosé-Bewegung in Polen.
- 1985/86 MY, MY, MY (künstlerische Visitenkarten)
- 1987/88 Mona Lisa Show
Seine Werke enthalten oft subversive Botschaften, die sich kritisch mit politischen Systemen und Kommunikationsstrukturen auseinandersetzen. Aufgrund seiner Aktivitäten wurde Schulz mehrfach von der polnischen Staatssicherheit verhaftet.[2]
Einfluss und Bedeutung
Tomasz Schulz spielte eine Schlüsselrolle in der Vernetzung von Künstlern aus Ost- und Westeuropa. Er arbeitete eng mit Akteuren wie Robert Rehfeldt, Ruth Wolf-Rehfeldt und Friedrich Winnes zusammen und war an über 350 Mail Art-Projekten und Ausstellungen beteiligt.[2]
Sein Werk beeinflusste zahlreiche Künstler, die Kunst als Kommunikationsform und Widerstand begreifen. Schulz gilt als Brückenbauer zwischen Kulturen, als Mentor für konzeptuelle Kunst und als Chronist einer alternativen Kunstgeschichte, die sich jenseits offizieller Institutionen entfaltet.
Werke in Museen und Archiven
Die Werke von Tomasz Schulz sind vor allem in spezialisierten Archiven und kuratierten Ausstellungen zur Netzwerkkunst dokumentiert. Besonders hervorzuheben ist das Lomholt Mail Art Archive in Dänemark, das zahlreiche Originalarbeiten von Schulz enthält, darunter Mail Art-Karten, Stempelprojekte und Beiträge zu internationalen Kollaborationen.[2] Auch das Forschungsprojekt Art in Networks der Technischen Universität Dresden präsentiert Schulz als zentrale Figur der osteuropäischen Mail Art und zeigt ausgewählte Werke sowie ein Interview mit dem Künstler.[1]
Darüber hinaus bewahrt Schulz ein umfangreiches Privatarchiv in Potsdam-Babelsberg, das seine berühmten Coop-Bücher, Visitenkartenprojekte und konzeptuellen Arbeiten umfasst. Dieses Archiv wurde mehrfach für Ausstellungen und Forschungsprojekte genutzt, ist jedoch nicht öffentlich zugänglich.[1]
Seine Werke wurden in thematischen Präsentationen gezeigt, etwa in der Galerie Chert Lüdde Berlin im Kontext von Mail Art aus der DDR und Polen, im Kunsthaus Dresden sowie im Museum für Kommunikation (Berlin), wo die Schnittstelle von Kunst und Post thematisiert wurde. Weitere Ausstellungen von Schulz' Werken erfolgten etwa in der Akademie der Künste (Berlin), im Staatlichen Museum Schwerin, in DAS MINSK Kunsthaus in Potsdam[3] und im Museo Cavelliniano (Italien).[4] Die Arbeiten von Schulz sind somit Teil einer musealen Auseinandersetzung mit alternativen Kommunikationsformen und konzeptueller Kunst im politischen Kontext.
Literatur
- Kornelia von Berswordt-Wallrabe: Mail Art – Osteuropa im internationalen Netzwerk. Schwerin 1996, S. 224–250
Einzelnachweise
- ↑ a b c d Eine Öffnung zur Welt: Mail Art aus Polen von Thomas Schulz, Art in Networks — The GDR and its Global Relations, abgerufen am 25. August 2025
- ↑ a b c d Tomasz Schulz, Lomholt Mail Art Archive, abgerufen am 25. August 2025
- ↑ DAS MINSK Kunsthaus in Potsdam: Begleitheft der Ausstellung "Im Dialog" (01.02.-10.08. 2025) Seite 31–32, 34
- ↑ Kornelia von Berswordt-Wallrabe (Herausgeberin) : Osteuropa im internationalen Netzwerk " Schwerin 1996: 288