Tislelizumab
| Tislelizumab | ||
|---|---|---|
| ||
| Bezeichner | ||
| Externe IDs |
| |
| Arzneistoffangaben | ||
| ATC-Code | L01FF09 | |
| DrugBank | DB14922 | |
| Wirkstoffklasse | Monoklonaler Antikörper | |
Tislelizumab (Handelsname Tevimbra; Hersteller BeiGene) ist ein Arzneistoff aus der Gruppe der monoklonalen Antikörper zur Behandlung erwachsener Patienten mit bestimmten Formen von Speiseröhrenkrebs (Plattenepithelkarzinom des Ösophagus, OSCC), Lungenkrebs (nicht-kleinzelliges Lungenkarzinom, NSCLC und kleinzelliges Lungenkarzinom, SCLC), Magenkrebs oder Tumoren des gastroösophagealen Übergangs (Adenokarzinom des Magens oder gastroösophagealen Übergangs, GC/GEJC) und Nasopharynxkarzinom (NPC).[1] Tislelizumab zählt als PD-1-Inhibitor zu den Immuncheckpoint-Inhibitoren.[1][2]
Der Wirkstoff ist ein im Fc-Teil modifizierter humanisierter monoklonaler IgG4-Antikörper und wurde mit dem Ziel entwickelt, die Bindung an Fcγ-Rezeptoren auf Makrophagen zu minimieren und die funktionelle Aktivität von T-Zellen zu steigern, was in zellbasierten in-vitro-Tests nachgewiesen werden konnte.[1][3]
Indikationen
Tislelizumab ist durch die Europäische Kommission zur Behandlung erwachsener Patienten in mehreren Anwendungsgebieten zugelassen:[1]
- Plattenepithelkarzinom des Ösophagus (OSCC), seit September 2023
- in Kombination mit platinbasierter Chemotherapie zur Erstlinienbehandlung des nicht resezierbaren, lokal fortgeschrittenen oder metastasierten OSCC bei erwachsenen Patienten, deren Tumore eine PD-L1-Expression mit einem TAP-Score von ≥ 5 % aufweisen.
- als Monotherapie zur Behandlung des nicht resezierbaren, lokal fortgeschrittenen oder metastasierten OSCC nach vorheriger platinbasierter Chemotherapie.
- Nicht-kleinzelliges Lungenkarzinom (NSCLC), seit Juli 2024
- als Kombinationstherapie mit platinbasierter Chemotherapie zur neoadjuvanten und anschließend als Monotherapie zur adjuvanten Behandlung des resezierbaren NSCLC mit hohem Rezidivrisiko (seit August 2025 zugelassen)
- zur Erstlinienbehandlung als Kombinationstherapie
- mit Pemetrexed und platinhaltiger Chemotherapie bei nicht-plattenepithelialem NSCLC mit programmed cell death ligand 1 (PD-L1)-Expression auf ≥ 50 % der Tumorzellen ohne Epidermal Growth Factor Receptor (EGFR)- oder anaplastische Lymphomkinase (ALK)-positive Mutationen bei Patienten, die ein lokal fortgeschrittenes NSCLC haben und nicht für eine chirurgische Resektion oder eine platinbasierte Radiochemotherapie in Frage kommen oder ein metastasiertes NSCLC haben.
- mit Carboplatin und entweder Paclitaxel oder nab-Paclitaxel bei plattenepithelialem NSCLC bei Patienten, die ein lokal fortgeschrittenes NSCLC haben und nicht für eine chirurgische Resektion oder eine platinbasierte Radiochemotherapie in Frage kommen oder ein metastasiertes NSCLC haben.
- als Monotherapie zur Behandlung des lokal fortgeschrittenen oder metastasierten NSCLC nach vorheriger platinbasierter Therapie. Patienten mit EGFR-mutiertem oder ALK-positivem NSCLC sollen vor der Behandlung mit Tislelizumab ebenfalls zielgerichtete Therapien erhalten haben.
- Adenokarzinom des Magens oder des gastroösophagealen Übergangs (GC/GEJC), seit November 2024
- in Kombination mit platin- und fluoropyrimidinbasierter Chemotherapie zur Erstlinienbehandlung des lokal fortgeschrittenen, nicht resezierbaren oder metastasierten HER-2-negativen Adenokarzinom des Magens oder des gastroösophagealen Übergangs (G/GEJ) bei erwachsenen Patienten, deren Tumore eine PD-L1-Expression mit einem TAP-Score (Tumour Area Positivity) von ≥ 5 % aufweisen.
- Kleinzelliges Lungenkarzinom (SCLC), seit Mai 2025
- in Kombination mit Etoposid und Platin-Chemotherapie zur Erstlinienbehandlung des SCLC im fortgeschrittenen Stadium bei Erwachsenen.
- Nasopharynxkarzinom (NPC), seit Juli 2025
- in Kombination mit Gemcitabin und Cisplatin Erstlinienbehandlung erwachsener Patienten mit rezidivierendem, für eine kurative Operation oder Strahlentherapie nicht infrage kommendem oder metastasiertem NPC.
Tislelizumab hatte in Europa für die Behandlungen des Speiseröhrenkarzinoms,[4] des Leberzellkarzinoms[5] und des Nasopharynxkarzinoms[6] bis 2023 bzw. 2024 einen Status als „Arzneimittel zur Behandlung seltener Erkrankungen“.
Die chinesische Zulassungsbehörde National Medical Products Administration (NMPA) hat Tislelizumab für insgesamt elf Indikationen zugelassen, u. a. bei Leberkrebs bei bereits behandeltem hepatozellulärem Karzinom, für die Behandlung von Patienten mit klassischem Hodgkin-Lymphom (cHL), die mindestens zwei vorherige Therapien erhalten haben, für die Behandlung von Patienten mit lokal fortgeschrittenem oder metastasiertem Urothelkarzinom (UC) mit hoher PD-L1-Expression, deren Krankheit während oder nach einer platinhaltigen Chemotherapie oder innerhalb von 12 Monaten nach einer neoadjuvanten oder adjuvanten Behandlung mit einer platinhaltigen Chemotherapie fortschreitet, und für die Behandlung von Patienten mit hepatozellulärem Karzinom (HCC), die mindestens eine systemische Therapie erhalten haben.[7] In der EU ist Tislelizumab für die Behandlung des cHL, UC und HCC nicht zugelassen.
Anwendung
Tislelizumab wird in der Mono- und Kombinationstherapie als intravenöse Infusion verabreicht.[1]
Werden bei Kombinationstherapie Tislelizumab und die Chemotherapie am selben Tag verabreicht, muss Tislelizumab vor der Chemotherapie verabreicht werden. Zudem sollten Empfehlungen zur Anwendung von Kortikosteroiden als Prämedikation zur Vorbeugung chemotherapiebedingter Nebenwirkungen in der Fachinformation des jeweiligen Chemotherapeutikums beachtet werden.[1]
Wirkmechanismus
Programmed Cell Death Protein 1 (PD-1) ist ein immunsuppresiver Rezeptor und wird vor allem von T-Zellen exprimiert. PD-1 bindet an dessen Liganden Programmed Cell Death Ligand 1 (PD-L1). PD-L1 wird auf antigenpräsentierenden Zellen und Tumorzellen exprimiert. Die Bindung von PD-1 an PD-L1 führt zur Deaktivierung von T-Zellen und schützt damit Tumorzellen vor einer Zerstörung durch das körpereigene Immunsystem.[8]
Tislelizumab ist ein Immun-Checkpoint-Inhibitor und bindet spezifisch PD-1.[1] PD-1 wird vor allem von aktivierten T-Zellen exprimiert. Eine erhöhte PD-1 Expression im Tumormikromilieu wurden in vielen Karzinomen dokumentiert.[2]
Durch Tislelizumab wird die Interaktion zwischen PD-1 und dessen Liganden PD-L1 blockiert und damit die Proliferation und Aktivität von T-Zellen gegenüber Tumorzellen (antitumorale Antwort) aktiviert.[2]
Die mittlere terminale Halbwertszeit beträgt etwa 23,8 Tage.[1]
Unerwünschte Wirkungen
Die Sicherheit von Tislelizumab als Monotherapie basiert auf gepoolten Daten von Patienten, die 200 mg Tislelizumab alle 3 Wochen erhalten haben.[1] Die häufigsten unerwünschten Wirkungen waren Anämie (27,7 %), Ermüdung/Fatigue (24,6 %), ein Anstieg der Aspartat-Aminotransferase (24,7 %) und ein Anstieg der Alanin-Aminotransferase (22,0 %).[1]
Die häufigsten Grad-3/4-Nebenwirkungen waren Anämie (4,8 %), erhöhte Aspartat-Aminotransferase (3,7 %), Pneumonie (3,6 %), Hyponatriämie (2,9 %), erhöhtes Bilirubin im Blut (2,8 %), Hypertonie (2,4 %) und Ermüdung/Fatigue (2,1 %). Bei 1,0 % der Patienten traten Nebenwirkungen auf, die zum Tod führten.[1]
Die Sicherheit von Tislelizumab in Kombination mit einer Chemotherapie basiert auf Daten von Patienten mit mehreren Tumorarten.[1]
Die häufigsten Nebenwirkungen waren Neutropenie (71,6 %), Anämie (67,2 %), Thrombozytopenie (48,7 %), Übelkeit (43,3 %), Ermüdung/Fatigue (40,8 %), verminderter Appetit (40,1 %), erhöhte Aspartat-Aminotransferase (30,3 %) erhöhte Alanin-Aminotransferase (30,6 %), Diarrhö (20,3 %) und Ausschlag (21,4 %).[1]
Die häufigsten Grad-3/4-Nebenwirkungen waren Neutropenie (45,2 %), Anämie (14,5 %), Thrombozytopenie (14,1 %), Hyponatriämie (4,6 %), Hypokaliämie (4,5 %), Ermüdung/Fatigue (4,2 %), Pneumonie (4,0 %), Lymphopenie (3,1 %), Ausschlag (2,9 %), verminderter Appetit (2,6 %), erhöhte Aspartat-Aminotransferase (2,2 %), erhöhte Alanin-Aminotransferase (2,1 %). Bei 1,3 % der Patienten traten Nebenwirkungen auf, die zum Tod führten.
Literatur
- Qiu MZ et al. Tislelizumab plus chemotherapy versus placebo plus chemotherapy as first line treatment for advanced gastric or gastro-oesophageal junction adenocarcinoma: RATIONALE-305 randomised, double blind, phase 3 trial. BMJ 2024; 385: e078876. Data Cut-Off 28.02.2023. PMID 38806195, doi:10.1136/bmj-2023-078876
- Xu J et al. Tislelizumab plus chemotherapy versus placebo plus chemotherapy as first-line treatment for advanced or metastatic oesophageal squamous cell carcinoma (RATIONALE-306): a global, randomised, placebo-controlled, phase 3 study. Lancet Oncol 2023; 24: 483-495. Data Cut-Off 28.02.2022. PMID 37080222, doi:10.1016/S1470-2045(23)00108-0
- Shen L et al. Tislelizumab versus chemotherapy as second-line treatment for advanced or metastatic esophageal squamous cell carcinoma (RATIONALE-302): A randomized phase III study. J Clin Oncol 2022. 40: 3065–3075. Data Cut-Off 01.12.2020. doi:10.1200/JCO.21.01926
- Ajani J et al. Randomized, phase 3 study of second-line Tislelizumab vs chemotherapy in advanced or metastatic esophageal squamous cell carcinoma (RATIONALE-302) in the overall population and the Europe/North America subgroup. Presented at ESMO 2021. doi:10.1016/j.annonc.2021.05.807
- Zhou C et al. Tislelizumab vs Docetaxel in patients with previously treated advanced NSCLC (RATIONALE-303): A phase 3, openlabel, randomized controlled trial. J Thorac Oncol 2022; 18: 93–105. Data Cut-off: 15.07.2021. doi:10.1016/j.jtho.2022.09.217
- Lu S et al. Tislelizumab plus chemotherapy as first-line treatment for locally advanced or metastatic nonsquamous NSCLC (RATIONALE 304): A randomized phase 3 trial. J Thorac Oncol 2021; 16: 1512–1522 Data Cut-Off: 23.01.2020. doi:10.1016/j.jtho.2021.05.005
- Wang J et al. Tislelizumab plus chemotherapy vs chemotherapy alone as first-line treatment for advanced squamous non–small-cell lung cancer. JAMA Oncol 2021; 7: 709–717. Data Cut-Off: 06.12.2019. doi:10.1016/j.esmoop.2024.103727
- Cheng Y et al. Tislelizumab plus platinum and Etoposide versus placebo plus platinum and Etoposide as first-line treatment for extensive-stage SCLC (RATIONALE-312): a multicenter, double-blind, placebo-controlled, randomized, phase 3 clinical trial. J Thorac Oncol 2024; 19(7): 1073–1085. Data Cut-Off: 19.04.2023. PMID 38460751, doi:10.1016/j.jtho.2024.03.008
- Yang Y et al. Tislelizumab plus chemotherapy as fi rst-line treatment for recurrent or metastatic nasopharyngeal cancer: a multicenter phase 3 trial (RATIONALE-309). Cancer Cell 2023; 41: 1061–1072. Data Cut-Off: 26.03.2021. PMID 37207654, doi:10.1016/j.ccell.2023.04.014
- Yue D et al. Perioperative tislelizumab plus neoadjuvant chemotherapy for patients with resectable non-small-cell lung cancer (RATIONALE-315): an interim analysis of a randomised clinical trial. Lancet Respir Med. 2025; 13(2): 119–129. doi:10.1016/S2213-2600(24)00269-8.
Einzelnachweise
- ↑ a b c d e f g h i j k l m Tevimbra - Zusammenfassung der Merkmale des Arzneimittels. European Medicines Agency (EMA), 2023, abgerufen am 10. Oktober 2024 (englisch).
- ↑ a b c Jayesh Desai, Sanjeev Deva, Jong Seok Lee, Chia-Chi Lin, Chia-Jui Yen, Yee Chao, Bhumsuk Keam, Michael Jameson, Ming-Mo Hou, Yoon-Koo Kang, Ben Markman, Chang-Hsien Lu, Kun-Ming Rau, Kyung-Hun Lee, Lisa Horvath, Michael Friedlander, Andrew Hill, Shahneen Sandhu, Paula Barlow, Chi-Yuan Wu, Yun Zhang, Liang Liang, John Wu, Virginia Paton, Michael Millward: Phase IA/IB study of single-agent tislelizumab, an investigational anti-PD-1 antibody, in solid tumors. In: Journal for ImmunoTherapy of Cancer. Band 8, Nr. 1, 2020, S. e000453, doi:10.1136/jitc-2019-000453, PMID 32540858.
- ↑ Tong Zhang, Xiaomin Song, Lanlan Xu, Jie Ma, Yanjuan Zhang, Wenfeng Gong, Yilu Zhang, Xiaosui Zhou, Zuobai Wang, Yali Wang, Yingdi Shi, Huichen Bai, Ning Liu, Xiaolong Yang, Xinxin Cui, Yanping Cao, Qi Liu, Jing Song, Yucheng Li, Zhiyu Tang, Mingming Guo, Lai Wang, Kang Li: The binding of an anti-PD-1 antibody to FcγRΙ has a profound impact on its biological functions. In: Cancer Immunology, Immunotherapy. Band 67, Nr. 7, 2018, S. 1079–1090, doi:10.1007/s00262-018-2160-x, PMID 29687231, PMC 6006217 (freier Volltext).
- ↑ https://ec.europa.eu/health/documents/community-register/html/o2357.htm
- ↑ https://ec.europa.eu/health/documents/community-register/html/o2269.htm
- ↑ https://ec.europa.eu/health/documents/community-register/html/o2446.htm
- ↑ China NMPA Approves Tislelizumab in Non-Small Cell Lung Cancer and Hepatocellular Carcinoma, Businesswire vom 23. Juni 2021, abgerufen am 22. März 2025
- ↑ Jannie Borst, Julia Busselaar, Douwe M. T. Bosma, Ferry Ossendorp: Mechanism of action of PD‐1 receptor/ligand targeted cancer immunotherapy. In: European Journal of Immunology. Band 51, Nr. 8, August 2021, S. 1911–1920, doi:10.1002/eji.202048994, PMID 34106465, PMC 8453912 (freier Volltext).
