Technikethik
Die Technikethik ist als Disziplin der angewandten Ethik, damit der Ethik und der Philosophie zuzordnen. Sie ist mit der Technikphilosophie auf der einen Seite und mit anderen Disziplinen der angewandten Ethik, namentlich zum Beispiel der Bioethik, Informationsethik und der Computerethik verwandt. Dabei ist die Technikethik keine Disziplin, die ausschließlich der Philosophie zuzuordnen ist, sondern sie hat Schnittmengen auch in andere Wissenschaften, zum Beispiel dem Maschinenbau oder der Informatik.[1]
Inhalt der Technikethik ist die Frage nach der moralischen Beurteilung von Technik und die Frage nach dem Zusammenspiel von Mensch und Technik und die Veränderung des Selbstbilds des Menschen durch Technik.[2]
Geschichte der Technikethik
Die Technikethik ist eine vergleichweise junge Disziplin in der angewandten Ethik. Als ein wichtiger Vertreter, mit dem die Debatte um die Technikethik begonnen hat, war Hans Jonas, der mit seinem Buch Das Prinzip Verantwortung ein viel diskutiertes Buch über die menschliche Verantwortung. Dank Jonas wurde der Begriff der Verantwortung Teil der philosophischen Praxis und Forschung.[3]
Anwendung der Technikethik
Mit den zunehmenden Auswirkungen neuer Technologien auf die Gesellschaft gewinnt die Bewertung ethischer und sozialer Fragen immer mehr an Bedeutung (Luppicini, 2008).[4] Zwar bieten diese Technologien Möglichkeiten für neuartige Anwendungen und das Potenzial, die Gesellschaft auf globaler Ebene zu verändern, doch geht ihr Aufstieg mit neuen ethischen Herausforderungen und Problemen einher, die berücksichtigt werden müssen.[5] Dies wird umso schwieriger, je schneller der technologische Fortschritt voranschreitet und je stärker er sich auf das gesellschaftliche Verständnis auswirkt, da er sich der menschlichen Kontrolle zu entziehen scheint.[6] Das Konzept der Technoethik zielt darauf ab, das Wissen der bestehenden Forschung in den Bereichen Technologie und Ethik zu erweitern, um ein ganzheitliches Konstrukt für die verschiedenen Aspekte und Unterdisziplinen der Ethik im Zusammenhang mit technologiebezogenen menschlichen Aktivitäten wie Wirtschaft, Politik, Globalisierung und wissenschaftlichen Forschung (Wissenschaftsethik) zu schaffen.[4] Sie befasst sich auch mit den Rechten und Pflichten, die Designer und Entwickler in Bezug auf die Ergebnisse der jeweiligen Technologie haben.[4][7] Dies ist besonders wichtig mit dem Aufkommen algorithmischer Technologie, die in der Lage ist, Entscheidungen autonom zu treffen, und den damit verbundenen Problemen der Voreingenommenheit von Entwicklern oder Daten, die diese Entscheidungen beeinflussen.[7] Um der Manifestation dieser Voreingenommenheit entgegenzuwirken, muss das Gleichgewicht zwischen menschlicher und technologischer Verantwortung für ethisches Versagen sorgfältig bewertet werden, und die Sichtweise hat sich von der Technologie als rein positivem Werkzeug hin zur Wahrnehmung der Technologie als von Natur aus neutral verschoben.[6][8] Die Technoethik muss sich daher auf beide Seiten der Mensch-Technik-Gleichung konzentrieren, wenn sie mit kommenden technologischen Innovationen und Anwendungen konfrontiert wird.[7]
Arten von Technikethik
Die Technikethik beschäftigt sich mit der Bewertung von Technologien im Hinblick auf deren Entwicklung und Anwendung unter moralischen und sozialen Gesichtspunkten. Es werden verschiedene Arten der Technikethik unterschieden. Eine Auswahl dieser ist in der folgenden Liste aufgeführt:[9]
- Zugangsrechte: Recht auf Zugang zu leistungsfähiger Technologie.
- Verantwortlichkeit: Entscheidungen darüber, wer für den Erfolg oder Schaden technologischer Fortschritte verantwortlich ist.
- Digitale Rechte: Schutz der Rechte an geistigem Eigentum und des Rechts auf Privatsphäre.
- Umwelt: Wie können Technologien produziert werden, die der Umwelt schaden oder diese schützen könnten.
- Existenzielles Risiko: Technologien, die eine Bedrohung für die globale Lebensqualität im Hinblick auf das Aussterben darstellen.
- Freiheit: Technologie, die zur Kontrolle einer Gesellschaft eingesetzt wird, wirft Fragen in Bezug auf Freiheit und Unabhängigkeit auf.
- Gesundheit und Sicherheit: Gesundheits- und Sicherheitsrisiken, die durch Technologien erhöht und auferlegt werden.
- Menschliche Verbesserung: Anwendung von Gentechnik und die Integration von Mensch und Maschine, siehe auch Neuro-Enhancement.
- Menschliches Urteilsvermögen: Wann können Entscheidungen durch Automatisierung getroffen werden und wann werden sie von einem vernünftigen Menschen getroffen?
- Überautomatisierung: Ab wann verringert die Automatisierung die Lebensqualität und beeinträchtigt die Gesellschaft?
- Vorsorgeprinzip: Wer entscheidet, dass die Entwicklung dieser neuen Technologie sicher für die Welt ist?
- Privatsphäre: Schutz der Rechte auf Privatsphäre.
- Sicherheit: Ist eine Sorgfaltspflicht zur Gewährleistung der Informationssicherheit erforderlich?
- Selbstreplizierende Technologie: Sollte die Selbstreplikation die Norm sein?
- Technologietransparenz: Klare Erläuterung der Funktionsweise einer Technologie und ihrer Absichten.
- Nutzungsbedingungen: Ethische Aspekte im Zusammenhang mit rechtlichen Vereinbarungen.
Anwendungsbereiche
Technoethik findet in verschiedenen Bereichen der Technik Anwendung. Die folgenden Schlüsselbereiche werden in der Literatur genannt:[4]
- Computerethik: Konzentriert sich auf die Nutzung von Technologie in Bereichen wie visuelle Technologie, künstliche Intelligenz und Robotik.
- Ethik der Künstlichen Intelligenz: behandelt ethische Fragen der Entwicklung und des Einsatzes von Systemen der künstlichen Intelligenz und des ethischen Verhaltens solcher Systeme.
- Ingenieur-Ethik: Beschäftigt sich mit den beruflichen Standards von Ingenieuren und ihrer moralischen Verantwortung gegenüber der Öffentlichkeit.
- Internetethik und Cyberethik: Befasst sich mit dem Schutz vor unethischen Internet-Aktivitäten.
- Medien- und Kommunikationstechnik-Ethik: Befasst sich mit ethischen Fragen und Verantwortlichkeiten bei der Nutzung von Massenmedien und Kommunikationstechnologie.
- Professionelle Technoethik: Betrifft alle ethischen Überlegungen, die sich um die Rolle der Technologie im Rahmen der Berufsausübung drehen, z. B. in den Bereichen Technik, Journalismus oder Medizin.
- Bildungstechnoethik: Befasst sich mit den ethischen Fragen und Ergebnissen, die mit dem Einsatz von Technologie zu Bildungszwecken verbunden sind.
- Biotech-Ethik: Steht im Zusammenhang mit Fortschritten in der Bioethik und der Medizinethik, z. B. mit Überlegungen zum Klonen, zur menschlichen Gentechnik und zur Stammzellenforschung.
- Umwelttechnoethik: Bezieht sich auf technologische Innovationen, die Auswirkungen auf die Umwelt und das Leben haben, siehe auch Umweltethik.
- Nanoethik: Ethische und soziale Fragen im Zusammenhang mit Entwicklungen bei der Veränderung von Materie auf der Ebene von Atomen und Molekülen in verschiedenen Disziplinen wie Informatik, Nanotechnologie und Biologie.
- Militärische Technoethik: Ethische Fragen im Zusammenhang mit dem Einsatz von Technologie bei militärischen Aktionen, siehe auch Militärethik.
Siehe auch
Literatur
- Armin Grunwald: Ethik in der Technikgestaltung. Praktische Relevanz und Legitimation. Springer, Berlin 1999, ISBN 3-540-65160-8.
- Armin Grundwald (Hg.): Handbuch Technikethik. Metzler, Stuttgart 2013.
- Christoph Hubig: Die Kunst des Möglichen. Grundlinien einer Philosophie der Technik, Band 2: Ethik der Technik als provisorische Moral. Transcript, Bielefeld 2007.
- Sven Nyholm: This is Technology Ethics: An Introduction., Blackwell, Oxford 2023.
- Hans Joachim Schliep: Werkzeug und Denkzeug – Zur Ethik der Technik. Lutherhaus-Verlag 1986, ISBN 3-87502-262-9
Einzelnachweise
- ↑ Handbuch Technikethik. 2., aktualisierte und erweiterte Auflage. J.B. Metzler Verlag, ein Teil von Springer Nature, Berlin 2021, ISBN 978-3-476-04900-1, S. 3–11.
- ↑ Handbuch Technikethik. 2., aktualisierte und erweiterte Auflage. J. B. Metzler Verlag, Berlin 2021, ISBN 978-3-476-04900-1, S. 5–6.
- ↑ Handbuch Technikethik. 2., aktualisierte und erweiterte Auflage. J. B. Metzler Verlag, Berlin 2021, ISBN 978-3-476-04900-1, S. 146.
- ↑ a b c d Rocci Luppicini: The Emerging Field of Technoethics. In: Rocci Luppicini, Rebecca Adell (Hrsg.): Handbook of Research on Technoethics. IGI Global, Hershey 2009, ISBN 978-1-60566-022-6, S. 1–19.
- ↑ James H. Moor: Why We Need Better Ethics for Emerging Technologies. In: Ethics and Information Technology. Band 7, Nr. 3, September 2005, ISSN 1388-1957, S. 111–119, doi:10.1007/s10676-006-0008-0 (springer.com [abgerufen am 7. Januar 2022]).
- ↑ a b Melvin Kranzberg: Technology and History: "Kranzberg's Laws". In: Technology and Culture. Band 27, Nr. 3, 1986, S. 544–560, doi:10.2307/3105385.
- ↑ a b c Sareeta Amrute: Of Techno-Ethics and Techno-Affects. In: Feminist Review. Band 123, Nr. 1, November 2019, ISSN 0141-7789, S. 56–73, doi:10.1177/0141778919879744 (sagepub.com [abgerufen am 7. Januar 2022]).
- ↑ José M Galvan: On technoethics. In: IEEE-RAS Magazine. Band 10, Nr. 4, 2003 (ieee.org [PDF]).
- ↑ John Spacey: 20 Types of Technology Ethics. In: Simplicable.com. Simplicable, 12. Dezember 2016, abgerufen am 7. Januar 2022.