Tagelswangen (Lindau ZH)

Tagelswangen
Wappen von Tagelswangen
Staat: Schweiz Schweiz
Kanton: Kanton Zürich Zürich (ZH)
Bezirk: Pfäffikonw
Politische Gemeinde: Lindau ZHi2
Postleitzahl: 8317
UN/LOCODE: CH TWG (Tagelswangen)
Koordinaten: 692973 / 254011
Höhe: 515 m ü. M.
Einwohner: 2511 (1. Januar 2025)
Karte
Tagelswangen (Lindau ZH) (Schweiz)
Tagelswangen (Lindau ZH) (Schweiz)
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Tagelswangen ist ein Dorf in der politischen Gemeinde Lindau im Bezirk Pfäffikon des Kantons Zürich in der Schweiz.

Geographie

Tagelswangen liegt zwischen Lindau und Effretikon an der ehemaligen Landstrasse von Zürich nach Winterthur (heutige Hauptstrasse 1) am Übergang vom Glatttal zur Kempt auf 511 m ü. M.

Zwischen Tagelswangen und Effretikon im Süden verläuft die Autobahn A1.

Einwohner

Entwicklung Einwohner[1][2]
Jahr Total
1908 0332
2025 2511
2024 2509
2023 2383
2022 2343
2021 2308

Geschichte

Der Name ist alemannischer Herkunft und bedeutet Wang des Tekilin.[1]

Mittelalter

Herrschaftlich gehörte Tagelswangen zur Grafschaft Kyburg, wo das Zürcher Kloster Oetenbach und das Kloster Allerheiligen grössere Güterkomplexe besassen.

Im ausgehenden Mittelalter umfasste das für die damalige Zeit vergleichsweise grosse bäuerliche Dorf acht Höfe. Diese waren gemäss Steuerverzeichnis zwar nicht allzu wohlhabend, aber doch so gross, dass meistens auch ein Knecht erwähnt wird.[3] Wie andere Ortschaften besass Tagelswangen eine eigene Kapelle, blieb aber bis 1711 Teil der grossen Pfarrei Illnau, bevor sie zur Kirchgemeinde Lindau kam. Nach der Reformation und der Aufhebung der Gottesdienste in der Kapelle, blieb diese mit seinem Glockentürmchen ein identitätsstiftendes Wahrzeichen des Ortes und diente zunächst als Gemeindelokal und später als Schulhaus, ehe es 1853 durch einen Neubau (ebenfalls mit Zeittürmchen) ersetzt wurde. Dass der Bau so lange erhalten blieb, hing sowohl mit der Signalfunktion der Glocke im dörflichen Alltag zusammen, als auch mit dem Kirchenvermögen, das zur Kapelle gehörte. Im Laufe der Jahrhunderte hatte sich das Kirchengut vermehrt und übernahm die Aufgaben eines «Sonderkässelis». Ausschliesslich die Dorfbevölkerung verfügte darüber und gab Darlehen an Einwohnerinnen und Einwohner, unterstützte aber auch Hebammen, Schulmeister oder Arme.[4]

Familie Wegmann

Kapelle in Tagelswangen, 1841

Eine wichtige Rolle in der Geschichte des Dorfes spielte bis in die Neuzeit hinein immer wieder die Familie Wegmann, die seit dem 15. Jahrhundert nachgewiesen ist. 1479 erhielt ein Hans Wegmann vom Kloster Allerheiligen ein Kirchengut zu Lehen.[5] In der Mitte des 16. Jahrhunderts war ein Peter Wegmann von Tagelswangen Untervogt im Amt Illnau. Er war Bindeglied zwischen dem Landvogt auf der Kyburg und der ländlichen Bevölkerung und gehörte zu den angesehensten und einflussreichsten Einwohnern der Region. Ein Nachfahre von Peter Wegmann war Jakob Wegmann, der als Fähnrich ebenfalls zur ländlichen Oberschicht gehörte. Er wurde allerdings verurteilt da er 1655 mit seiner Schwiegertochter ein Verhältnis einging und flüchtete daraufhin ins Elsass, wo sie zuletzt gesichtet wurden.[6] Der Landvogt auf der Kyburg beschlagnahmte und inventarisierte daraufhin das beträchtliche Vermögen des Flüchtigen.

19. Jahrhundert

Luftbild von Tagelswangen, um 1980

Die eher beschaulichen landwirtschaftlichen Verhältnisse von Tagelswangen änderten sich im 19. Jahrhundert, mit dem Bau der 1842 eröffneten Kantons­strasse und dem Bau der Bahnstrecke Zürich–Winterthur 1855. Durch die neue Kantonsstrasse lag Tagelswangen zunächst inmitten dieser neuen Verkehrsroute und erhielt 1844 mit dem «Löwen» ein repräsentatives Gasthaus, bevor das Dorf durch den aufkommenden Bahnverkehr wieder an Bedeutung als Etappenort verlor. Durch die Motorisierung der Gesellschaft und dem damit zusammenhängenden Ausbau der Landstrasse, vor allem nach dem Zweiten Weltkrieg, trat Tagelswangen dann wieder stärker in den Fokus der Verkehrspolitik, ehe die Eröffnung der Autobahn 1974 die Verkehrswege erneut verlagerte. Diese bewegte Verkehrsgeschichte prägte auch die wirtschaftliche Entwicklung, so gab es diverse Transportgewerbetreibende. Dank der verkehrsgünstigen Lage und vor allem dank der Nähe zu Effretikon erlebte der Ortsteil in jüngerer Zeit wie kein anderer in der Gemeinde einen Bauboom. So lebt heute beinahe die Hälfte der Lindauer Bevölkerung in Tagelswangen. Der Gasthof «Löwen» verlor mit dem Aufkommen des Bahnverkehrs rasch seine Bedeutung an der Landstrasse und wurde 1869 umgenutzt. Der Zürcher Philanthrop und Unternehmer Caspar Appenzeller (1820–1901) funktionierte ihn in eine Mädchenanstalt um.[7][8][9]

Mädchenanstalt Annagut in Tagelswangen, 19. Jh.

Caspar Appenzeller benannte seine neue Mädchenanstalt «Annagut» nach seiner Ehefrau, Anna Appenzeller-Landolt. Die Tochter der Appenzellers, die ebenfalls Anna hiess, übernahm anfänglich die Leitung.[10] Obwohl für die Anstaltsleitung aus dem Kreis der Familie Appenzeller und später der Familie Walder, der philanthropische Aspekt im Vordergrund stand, erlebten die Mädchen den Aufenthalt im Heim keineswegs immer als erfreulich. So berichtete eine Insassin, die 1940 eingewiesen wurde, von einer Art «Strafanstalt», wo Schläge und Strafen alltäglich waren und es immer wieder Fluchtversuche gab.[11] 1947 endete vor allem aus wirtschaftlichen Gründen der Anstaltsbetrieb. Das weiterhin von der Caspar Appenzeller-Stiftung getragene Landheim Brüttisellen führt das Erbe auf einer modernen sozialpädagogischen Grundlage weiter. Nachdem die markante Liegenschaft zeitweilig als Alters- und Pflegeheim gedient hatte, richtete die Familie Gantenbein 1960 das weitherum bekannte Gasthaus «Landhus» ein, das allerdings mittlerweile auch schon wieder Geschichte ist.

Schulen

In Tagelswangen befinden sich heute sowohl ein Kindergarten als auch ein Primarschulhaus, die beide zur Gesamtschule Lindau gehören.[12]

Sehenswürdigkeiten

Persönlichkeiten

Sonstiges

1987 wurde ein Speicherbau aus Tagelswangen abgebaut und im Freilichtmuseum Ballenberg wieder aufgebaut.[13] Dieser Wirtschaftsbau der vom früher landwirtschaftlich geprägten Tagelswangen zeugt, befand sich ursprünglich im Dorfkern als einer von vielen stattlichen Bauernhäusern und wurde 1534 errichtet sowie 1660 erweitert. Angeblich ist das Gebäude der älteste datierte Speicherbau im Kanton Zürich. Auf einem Steinsockel wurde ein Holzkubus aufgesetzt und an den Ecken des Baus finden sich bemerkenswerte schwalbenschwanzförmige Verzahnungen.

Als man den Speicherbau abreissen wollte, intervenierte die zuvor lange Zeit passive Denkmalpflege und erreichte eine notdürftige Sicherung der baufälligen Gebäudegruppe, bevor schliesslich die Idee mit Ballenberg zu einer glücklichen Lösung führte. Dort steht der Speicherbau heute neben einem Bauernhaus von Wila und Wirtschaftsbauten aus Wellhausen TG und beherbergt jetzt die Werkstatt eines Küfers.

Literatur

  • Ueli Müller: Lindau (ZH). In: Historisches Lexikon der Schweiz.
  • Emil Honegger: Die Gemeinde Lindau: Ihre Gemeindegeschichte, ihre Kirchengeschichte und ihre Schulgeschichte. Hrsg.: Lindau (Kanton Zürich). Gemeinderat; Reformierte Kirchgemeinde Lindau. Kirchenpflege; Schulpflege Lindau. 2. unveränderte Auflage. Band 1, 2013 (uzh.ch).
  • Die neuere Geschichte - Gemeinde, Kirche, Schule. In: Verein LindauLebt (Hrsg.): Die Gemeinde Lindau. Band 2, 2013 (uzh.ch).
Commons: Lindau ZH – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. a b Charles Knapp, Maurice Borel, Victor Attinger, Heinrich Brunner, Société neuchâteloise de géographie (Hrsg.): Geographisches Lexikon der Schweiz. Band 5: Schweiz – Tavetsch. Verlag Gebrüder Attinger, Neuenburg 1908, S. 751, Stichwort Tagelswangen  (Scan der Lexikon-Seite).
  2. Einwohnerstatistik. In: Lindau. Gemeindeverwaltung Lindau, 2025, abgerufen am 31. Juli 2025.
  3. Hans Nabholz, Friedrich Hegi (Hrsg.): Die Steuerbücher von Stadt und Landschaft Zürich des XIV. und XV. Jahrhunderts. Band 4. Zürich 1942, S. 223 f.
  4. Emil Honegger: Die Gemeinde Lindau: Ihre Gemeindegeschichte, ihre Kirchengeschichte und ihre Schulgeschichte. In: Die Gemeinde Lindau. Band 1. Lindau ZH 2013, S. 62–65.
  5. StAZH C IV 5.3, Nr. 9.
  6. StAZH A 11, Nr. 9.
  7. Heinrich Walder-Appenzeller: Caspar Appenzeller. Lebensbild eines zürcherischen Kaufmanns und Armenfreundes. In: Neujahrsblatt der zürcherischen Hülfsgesellschaft. Zürich 1903.
  8. Edith Ehrensperger: Mehrfach «zweckentfremdeter» Gasthof. Geschichtsträchtige Bauten im Bezirk (5): der Gasthof Landhus in Tagelswangen. In: Der Zürcher Oberländer. 29. August 1992, S. 25.
  9. Peter Niederhäuser: Schuhe schreiben Geschichte. 150 Jahre Walder-Schuhe. In: Heimatspiegel. Zürcher Oberländer und Anzeiger von Uster, 2024, S. 65–72.
  10. StAZH MM 2.199, S. 828–830.
  11. Sandra Milert: «Es war wie in einer Strafanstalt!». Ein ehemaliger Zögling des früheren Mädchenerziehungsheims im Tagelswanger Landhus erinnert sich. In: Der Zürcher Oberländer. 31. Oktober 1992, S. 23.
  12. Gesamtschule Lindau & Schulpflege. In: Lindau. Gemeindeverwaltung Lindau, 2025, abgerufen am 31. Juli 2025.
  13. Eva Schäfer: Speicherzeile Tagelswangen ZH, um 1523, 1660/61 und 1819 … der Weg zum Museumsgebäude, Baudokumentation 642. Hofstetten 2023.