TASD-Studie
Die TASD-Studie („Türkische Akademiker und Studierende in Deutschland“) ist eine Sozialstudie aus den Jahren 2009 und 2010, die die Lebenseinstellungen, Gewohnheiten und Einstellungen der türkischen und türkeistämmigen Akademiker und Studierenden erhebt und analysiert.
Initiator und Unterstützer
Initiator der TASD-Studie ist das futureorg-Institut für angewandte Zukunfts- und Organisationsforschung aus Krefeld, ein privatwirtschaftliches Forschungsinstitut, welches mit wissenschaftlichen Methoden auf dem Gebiet der Zukunfts- und der Trendforschung aktiv ist.
Anlass
Die zentrale Annahme der TASD-Studie lautet: „Akademiker und Studierende gehören im Allgemeinen zur Bildungselite einer Gesellschaft. Aufgrund ihrer Ausbildung werden sie befähigt, wichtige Positionen in Wirtschaft, Wissenschaft, Politik sowie Verwaltung einzunehmen, durch welche sie die Zukunft einer Gesellschaft prägen. Damit stellen sie eine wichtige Ressource in einer Gesellschaft dar.“.[1] Die Relevanz dieser Annahme werde durch verschiedene sozioökonomische Veränderungsprozesse wie demografischer Wandel, Fachkräftemangel und Multikulturalisierung der deutschen Gesellschaft verstärkt. In Korrespondenz dazu stehe den Studienerstellern zufolge das Problem, dass über die türkischen Bildungseliten bzw. über Bildungseliten mit Migrationshintergrund kaum zuverlässige und fundierte Erkenntnisse vorliegen.
Erhebungsmethode
Weil Ämter und Behörden in Deutschland, beispielsweise Universitäten oder das Statistische Bundesamt, ausschließlich die Staatsbürgerschaft und nicht das Herkunftsland in Deutschland ansässiger Personen erfassen,[2] sah sich futureorg nach eigenen Angaben bei der Erhebung erheblichen Schwierigkeiten ausgesetzt. Der Feldzugang wurde mithilfe zahlreicher Migrantenorganisationen hergestellt: Der „Türkischen Gemeinde in Deutschland“, der „Föderation Türkischer Elternvereine in NRW“, der „Türkisch-Deutsche Akademiker- und Studentenplattform“, der „European Assembly of Turkish Academics“, des „Türkischen Wissenschafts- und Technologiezentrum“ und des „Türkischen Studentenvereins in Münster“.[3]
Futureorg befragte türkische und türkeistämmige Akademiker und Studierende vor allem im Internet durch einen Fragebogen, den 254 Personen beantworteten und von denen ungefähr drei Viertel in Deutschland geboren wurden.[4][5] Der Online-Fragebogen umfasste 370 Fragen bzw. 800 Items die auf zwölf Themenbereiche entfielen:
- Demografische Daten
- Beruf / Studium
- Finanzen / Sparverhalten
- Familie / Ehe / Partnerschaft
- Einkaufsverhalten
- Freizeitverhalten
- Internetnutzungsverhalten
- Medienkonsum
- Wohnsituation
- Politik
- Ehrenamtliches Engagement und
- Religion
Ausgewählte Ergebnisse
Eine überwiegende Mehrheit von 73 % der Befragten wurde in Deutschland geboren. Ebenso ist eine übergroße Mehrheit mit ihrem Leben in der Bundesrepublik zufrieden. Im Fragenbereich zur Familie ergab die Auswertung, dass nur eine verschwindend geringe Minderheit ein überwiegend schlechtes Verhältnis zu ihren Eltern haben. In ihren Elternhäusern ist bei knapp 77 % der Befragten der Bildung als Aufstiegsmöglichkeit eine große Bedeutung beigemessen worden, wobei sich die Unterstützung oft mangels kulturellen Kapitals auf Sachleistungen wie Bücher oder Computer beschränkte. Bezüglich politischer Zusammenhänge bezeichneten sich 83 % der Befragten als interessiert. Die überwältigende Mehrheit von 80 % bescheinigte der deutschen Integrationspolitik eine geringe bis fehlende Glaubwürdigkeit. Auch sind 38 % in die Türkei abwanderungswillig.[6] Von diesen geben 42 % an, keine Verbundenheit mit Deutschland zu empfinden.
Rezeption
Repräsentativität
Bei der TASD-Studie handelt es sich um keine repräsentative Studie, da über die Grundgesamtheit der türkischen Akademiker und Studierenden in Deutschland keine Daten vorliegen. Es ist unbekannt, wie viele türkische bzw. türkischstämmiger Akademiker und Studierende in Deutschland leben, wie die Geschlechter- oder Altersverteilung aussieht. Folglich zeigt die TASD-Studie Tendenzen der Befragten zu den abgefragten Themengebieten.[7]
Politik und Medien
Die TASD-Studie erfuhr politische und mediale Aufmerksamkeit. So griff beispielsweise die grüne Fraktion im nordrhein-westfälischen Landtag als Teil ihres migrationspolitischen Deliberationsprozesses auf.[8]
Literatur
- Kamuran Sezer, Nilgün Dağlar: TASD-Spektrum 1: Die Wohnsituation der TASD, Krefeld/Dortmund 2009
- Kamuran Sezer, Nilgün Dağlar: TASD-Spektrum 2: Die Identifikation der TASD mit Deutschland, Krefeld/Dortmund 2009
- Michael Sontheimer: Jung, gut und unerwünscht. In: Der Spiegel. Nr. 21, 2008 (online).
Weblinks
- Offizielle Internetpräsenz des Futureorg-Instituts
- Publikationen im Zusammenhang mit der TASD-Studie
- Kamuran Sezer: Generation Heimweh: Die türkischen Akademiker und Studierenden im Kontext des Fachkräftemangels. migration-boell.de
- Nimet Seker: Viele türkischstämmige Akademiker wollen aus Deutschland abwandern. telepolis, Interview mit Kamuran Sezer, 26. Oktober 2009
- Janine Flocke: Zu Hause in zwei Kulturen. (PDF; 1,1 MB) In: FAZ Hochschulanzeiger, Ausgabe 92, Oktober 2007.
Einzelnachweise
- ↑ Zwischenauswertung, S. 5
- ↑ Janine Flocke: Der vergessene Brain Drain. ZEIT Online, 31. März 2008; abgerufen am 30. Januar 2010.
- ↑ Futureorg - Institut für angewandte Zukunfts- und Organisationsforschnung. Abgerufen am 2. April 2025.
- ↑ Michael Sontheimer: Jung, gut und unerwünscht. In: Der Spiegel. Nr. 21, 2008 (online). „Das Krefelder Institut futureorg hat gerade 250 türkische und türkischstämmige Akademiker befragt, von denen knapp drei Viertel in der Bundesrepublik geboren wurden.“
- ↑ Nimet Seker: Verschenktes Potenzial. In: qantara.de, 2008; abgerufen am 30. Januar 2010.
- ↑ Exodus von Mustermigranten – Abschied aus Almanya. In: UniSpiegel, 10. September 2009; abgerufen am 30. Januar 2010. „In einer aktuellen Studie zu den Einstellungen deutschtürkischer Akademiker und Studenten kommt das Krefelder sozialwissenschaftliche Institut Futureorg zu dem Ergebnis, dass fast 40 Prozent von ihnen planen, in das Land ihrer Eltern auszuwandern.“ In: Lenz Jacobsen:
- ↑ Leben in zwei Kulturen in: Focus Online „‚Natürlich erheben wir nicht den Anspruch, eine repräsentative Studie zu erstellen‘, so Sezer. Das sei schon deshalb nicht möglich, weil es keine gesicherte Zahl über die deutsch-türkische Bildungselite in Deutschland gebe. Die aber sei Voraussetzung für eine repräsentative Stichprobe. Doch seien „auch amtliche Statistiken über Studierende kritisch zu hinterfragen.“ Türken mit deutscher Staatsangehörigkeit werden dort nämlich nicht immer erfasst“.
- ↑ „Auswandern statt Einwandern? Warum wir den Kampf um Köpfe verlieren“. Podiumsdiskussion der Grünen im Landtag NRW, 31. Oktober 2008, andrea-asch.de; abgerufen am 22. März 2013.