Marla-Svenja Liebich

Marla-Svenja Liebich (* 19. September 1970 als Sven Liebich in Merseburg) gilt als eine der prägenden Figuren der rechtsextremen Szene in Sachsen-Anhalt und wurde durch Straftaten und Provokationen bundesweit bekannt. Von Liebich organisierte Demonstrationen führten wiederholt zu Gegenprotesten, von Personen der Zivilgesellschaft, Kirchen und antifaschistische Gruppen. Liebichs Änderung des Geschlechtseintrags wird wegen voriger queerfeindlicher Äußerungen als Provokation aufgefasst.

Leben

Liebich wuchs in Halle (Saale) auf und hat zwei Schwestern.[1] Liebich war anfangs beim Finanzamt tätig.

Im Januar 2025 wurde Liebichs Änderung des Vornamens und des Geschlechtseintrages auf „weiblich“ gültig und öffentlich.[2][3] Der Jurist und Journalist[4] Christian Rath bezeichnete die Änderung des Geschlechtseintrags als „missbräuchlich“ sowie als „reine Provokation“. „Wer das Geschlecht nur zu Provokationszwecken ändert, wird im Strafvollzug voraussichtlich weiter als Mann behandelt.“ Der als queerfeindlich geltende[5] Liebich selbst hatte queere Menschen „Parasiten der Gesellschaft“ genannt.[6] Der Geschlechtswechsel zog Kritik am möglichen Missbrauch des neuen Selbstbestimmungsrechtes auf sich.[7]

Rechtsextremismus

Bereits in den 1990er-Jahren trat Liebich durch Aktivitäten in rechtsextremen Kreisen in Erscheinung, zunächst als Kopf des Netzwerkes Blood and Honour in Sachsen-Anhalt.[8] Mitte der 1990er-Jahre baute Liebich einen Versandhandel für Rechtsrock auf und betrieb bis zur Gewerbeuntersagung durch die Stadt Halle im Jahr 2023 den Hetzblog Halle Leaks[9] und den Versandhandel l & h-shirtzshop GmbH, der vor allem durch hetzerische Slogans auf T-Shirts und Buttons Aufmerksamkeit erregte.[10]

Liebich entwickelte sich zu einer zentralen Neonazifigur in Sachsen-Anhalt.[11] Liebich organisierte zahlreiche Demonstrationen, vor allem in Halle (Saale), unter anderem gegen die Asylpolitik der Bundesregierung, die Europäische Union und nannte die Medien wiederholt „Lügenpresse“. Dabei fiel Liebich regelmäßig durch das Verbreiten von Verschwörungstheorien, Antisemitismus, rassistischen, homophoben Aussagen und Beleidigungen auf. Zu Liebichs Positionen gehörte unter anderem eine Unterstützung des russischen Angriffskrieges in der Ukraine. Liebich zeigte mehrfach das Z-Propagandasymbol.

Kritiker werfen Liebich vor, gezielt zu polarisieren und eine Stimmung der Einschüchterung in Halle und Umgebung zu fördern. Liebichs Aktionen sind laut Verfassungsschutzbericht 2022 und 2023 des Verfassungsschutz Sachsen-Anhalt bundesweit „ohne Beispiel“ und der Verfassungsschutzbericht widmet Liebich im Bereich Rechtsextremismus ein eigenes mehrseitiges Unterkapitel.[10][12]

Verschwörungstheorien zur COVID-19-Pandemie

Ab Mai 2020 verbreitete Liebich Verschwörungstheorien insbesondere zur COVID-19-Pandemie in Deutschland und organisierte Proteste gegen Schutzmaßnahmen zur COVID-19-Pandemie in Deutschland mit oder rief dazu auf.[13]

Des Weiteren tätowierte sich Liebich während der Corona-Pandemie einen Judenstern mit dem Wort „ungeimpft“ und vertrieb derartige Sternanstecker auch im eigenen Onlineshop. Die Gleichsetzung der Judenverfolgung mit der Behandlung „Ungeimpfter“ während der Corona-Pandemie sorgte für Entsetzen. Es folgte eine Durchsuchung des Onlineshops.[14]

Liebich galt als eine zentrale Person der Querdenker-Bewegung in Halle.[15]

Juristische Auseinandersetzungen

Liebich war mehrfach Ziel strafrechtlicher Ermittlungen. Die Vorwürfe lauteten unter anderem Volksverhetzung, Beleidigung und die Verbreitung von verfassungsfeindlicher Propaganda. In mehreren Verfahren wurde Liebich verurteilt, darunter zu Geldstrafen und Freiheitsstrafen, unter anderem wegen Volksverhetzung.

Für den tätlichen Angriff auf einen Fotografen auf einer Coronademonstration im November 2020 wurde Liebich vom Amtsgericht Leipzig im September 2023 wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer siebenmonatigen Freiheitsstrafe ohne Bewährung verurteilt. Auch in diesem Fall ging Liebich in Berufung.[16] Da auf Videos, die im Gericht gezeigt wurden, der Fotograf ebenfalls einen Schlag gegen Liebich ausgeführt hatte und die Situation insgesamt unklar war, wurde das Verfahren vom Landgericht Leipzig im Juli 2025 eingestellt.[17]

Seit der Namensänderung 2024 geht Liebich massenhaft juristisch gegen Nennungen des alten Namens vor. 1.000 Anzeigen nannte Liebichs X-Account im Sommer 2025 als bald erreichbares Ziel, mehr als 500 seien schon an die Polizei Halle geschickt worden.[18]

Nachdem Nius-Chefredakteur Julian Reichelt auf der Plattform „X“ Liebich das weibliche Geschlecht abgesprochen („Sven Liebich ist keine Frau“) und Liebich hiergegen eine einstweilige Verfügung beantragt hatte, entschied die zweite Zivilkammer des Landgerichts Berlin II am 18. August 2025 gegen Liebich, denn dieser Eingriff in das Persönlichkeitsrecht sei im vorliegenden Fall durch das überwiegende Recht auf Meinungsfreiheit gedeckt und deshalb nicht rechtswidrig.[19]

Verurteilung wegen Volksverhetzung

Wegen des Vertriebs von Baseballschlägern mit der Aufschrift „Abschiebehelfer“ und weiterer Taten wurde Liebich im Juli 2023 vom Amtsgericht Halle (Saale) erstinstanzlich (unter Einbeziehung der Strafen aus einem vorangegangenen Urteil des Amtsgerichts Halle) zu einem Jahr und sechs Monaten Freiheitsstrafe ohne Aussetzung zur Bewährung verurteilt.[20][21] Als Berufungsinstanz bestätigte das Landgericht Halle im August 2024 das Strafmaß und die Verurteilung unter anderem wegen Volksverhetzung, übler Nachrede und Beleidigung, woraufhin Liebich Revision einlegte.[20][22] Die Revision scheiterte am 14. Mai 2025 auch vor dem Oberlandesgericht Naumburg, der Schuldspruch wurde somit rechtskräftig.[20][23] Liebich wurde im August 2025 zum Haftantritt schließlich ins Frauengefängnis der JVA Chemnitz geladen. Dies ist nach Auskunft der Staatsanwaltschaft Halle für die erstmalige Ladung zum Strafantritt nach dem sächsischen Vollstreckungsplan geboten. Die endgültige Entscheidung über die Unterbringung in einem Frauen- oder Männergefängnis liegt allerdings bei der JVA selbst und wird nach individuellen Abwägungen getroffen.[24] Liebich blieb dem Haftantritt fern, der spätestens am 29. August 2025 hätte erfolgen sollen.[25] Nach Liebich wird gefahndet.[26] Nach eigenen Angaben hält Liebich sich in Russland auf.[5]

Einzelnachweise

  1. Felix Huesmann: Wie ein Neonazi das Selbstbestimmungsgesetz für einen PR-Stunt nutzt. In: rnd.de. RedaktionsNetzwerkDeutschland, 16. Januar 2025, abgerufen am 17. Januar 2025.
  2. Marcel Laskus: Aus Sven wird Marla-Svenja. In: Süddeutsche Zeitung. 16. Januar 2025, abgerufen am 16. Januar 2025.
  3. Queerfeindlicher Rechtsextremist Sven Liebich hat Geschlechtseintrag ändern lassen. queer.de, 15. Januar 2025, abgerufen am 18. Januar 2025.
  4. Christian Rath - rechtspolitischer Korrespondent. Abgerufen am 28. August 2025.
  5. a b Nicholas Potter: Marla-Svenja Liebich auf der Flucht: Liebesgrüße aus Moskau. In: taz. 1. September 2025, ISSN 1434-4459, S. 13 (taz.de).
  6. Christian Rath: Missbräuchliche Geschlechtsänderung: Reine Provokation. In: TAZ. 17. Januar 2025, abgerufen am 19. Januar 2025.
  7. Niklas Ottersbach: Neonazi wechselt Geschlecht – was steckt dahinter? In: Deutschlandfunk. 6. Februar 2025, abgerufen am 9. Februar 2025.
  8. Stephanie Heide: Svens Welt. In: der rechte rand. 1. März 2021, abgerufen am 16. Januar 2025.
  9. mdr.de: Podcast Extrem rechts: Folge 5 zum Nachlesen | MDR.DE. Abgerufen am 17. Januar 2025.
  10. a b Verfassungsschutzbericht 2023. (PDF) In: Verfassungsschutzbericht des Landes Sachsen-Anhalt. Verfassungsschutz Sachsen-Anhalt, 26. November 2024, abgerufen am 16. Januar 2025.
  11. Fabian Dietrich: Halle mal herhören. In: Bundeszentrale für politische Bildung (Hrsg.): Fluter. Nr. 63, 1. Juni 2017, S. 39–41.
  12. Verfassungsschutz Sachsen Anhalt: Verfassungsschutzbericht 2022. (PDF) Ministerium für Inneres des Landes Sachsen-Anhalt, abgerufen am 16. Januar 2025.
  13. Halle, 9. Oktober - das Jahr danach. In: mdr.de. Abgerufen am 17. Januar 2025.
  14. Konrad Litschko: Razzia gegen rechten Provokateur. Tageszeitung, 28. April 2022, abgerufen am 17. Januar 2025.
  15. Konrad Litschko: Neonazis in der Corona-Protestbewegung: Ohne Abstand. In: Die Tageszeitung: taz. 31. März 2021, ISSN 0931-9085 (taz.de [abgerufen am 17. Januar 2025]).
  16. Angriff auf Fotografen. Erneut Haftstrafe für Rechtsextremist Sven Liebich. In: MDR.de. 22. September 2023, abgerufen am 14. Mai 2025.
  17. Verfahren gegen Rechtsextremistin Liebich eingestellt. In: sueddeutsche.de. 11. Juli 2025, abgerufen am 11. Juli 2025.
  18. Wehe, wenn der alte Name fällt: Rechtsextremistin Svenja Liebich im Anzeigenfieber. In: t-online.de. 4. Juli 2025, abgerufen am 6. Juli 2025.
  19. Frederik Schindler, Warum Rechtsextremist Marla-Svenja Liebich als Mann bezeichnet werden darf, in: Die Welt vom 20. August 2025, S. 4 (Online)
  20. a b c Oberlandesgericht. Revision der Angeklagten im Verfahren 1 ORs 21/25 (Verurteilung unter anderem wegen Volksverhetzung) erfolglos. Oberlandesgericht Naumburg, 14. Mai 2025, abgerufen am 15. Mai 2025 (Pressemitteilung).
  21. Prozess gegen Rechtsextremisten: Liebich und Staatsanwaltschaft legen Berufung ein. In: MDR Nachrichten. 24. Juli 2023, abgerufen am 17. Januar 2025.
  22. Thomas Vorreyer: Haftstrafe für Rechtsextremist Sven Liebich vorerst nicht rechtskräftig. In: MDR Nachrichten. 12. August 2024, abgerufen am 16. Januar 2025.
  23. Volksverhetzung und Beleidigung: Rechtsextremistin Marla-Svenja Liebich muss ins Gefängnis. In: Der Spiegel. 14. Mai 2025, abgerufen am 14. Mai 2025.
  24. Peyman Khaljani: Kommt Liebich wirklich ins Frauengefängnis? In: LTO. 20. August 2025, abgerufen am 21. August 2025.
  25. Neonazi Liebich erscheint offenbar nicht zu Haftantritt. In: t-online.de. 29. August 2025, abgerufen am 29. August 2025.
  26. Haft nicht angetreten: Rechtsextremistin Liebich untergetaucht. In: tagesschau.de. 30. August 2025, abgerufen am 30. August 2025.