Surrogation
Der Begriff Surrogation bezeichnet im Zivilrecht einen gesetzlich angeordneten Austausch eines Gegenstands durch einen anderen. Der Begriff leitet sich vom lateinischen Surrogat (Ersatz) ab.
Allgemeines
In bestimmten Fällen, in denen die Geltendmachung eines Rechts für den Inhaber nicht (mehr) möglich oder sinnfrei geworden ist, gewährt die Rechtsordnung dem Inhaber anstelle dieses Rechts ein Ersatzgut. Solche Regelungen finden sich typischerweise dort, wo der Inhaber des Rechts das Recht verliert oder dessen Durchsetzung sinnfrei oder unmöglich wird, ohne dass ihm insoweit ein Vorwurf gemacht werden kann, etwa durch Zerstörung, Beschädigung oder Entzug einer Sache im Eigentum des Inhabers oder durch eine Vertragsverletzung oder eine unerlaubte Handlung eines Dritten. Der eingetretene (tatsächliche oder wirtschaftliche) Rechtsverlust soll aus Billigkeitsgründen kompensiert werden,[1] wobei die Einzelheiten zum Sinn und Zweck der Vorschrift juristisch umstritten sind.[2]
Gesetzliche Regelungen über eine Surrogation finden sich in verschiedenen Teilen des BGB, im Schuldrecht, im Sachenrecht, im Familienrecht und im Erbrecht. Es handelt sich insbesondere um Fälle, in denen ein bestimmter Gegenstand zu einer Sachgesamtheit (etwa dem Inventar eines Grundstücks im Fall des Nießbrauchs nach § 1048 Abs. 1 BGB) oder zu einem Sondervermögen gehört (etwa bei der Gesellschaft bürgerlichen Rechts: § 718 Abs. 2 BGB); beim Gesamtgut bei der vergleichsweise seltenen Gütergemeinschaft nach § 1473 Abs. 1 BGB, oder um Fälle, in denen ein dingliches Recht an dem ursprünglichen Gegenstand bestand und sich kraft Surrogation an dem Ersatzgegenstand fortsetzt (so beim Nießbrauch nach § 1046 Abs. 1 BGB und beim Pfandrecht nach § 1219 Abs. 2 Satz 1 BGB). Im Erbrecht finden sich Surrogationsvorschriften in § 2019 Abs. 1 BGB (Erbschaftsbesitzer), § 2041 (Erbengemeinschaft) und § 2111 (beim Vorerben zum Schutz des Nacherben).
Auch Forderungen können im Rahmen einer Surrogation ersatzweise übergehen, wobei zu beachten gilt, dass nur die Forderung ersatzweise übergeht, nicht jedoch der gesamte Vertrag. Die Surrogation ist kein Fall der gesetzlichen Vertragsübernahme.
Unabhängig davon, in welchen Teilen des BGB die einzelnen Fälle der Surrogation geregelt sind, wird zwischen der dinglichen Surrogation und der schuldrechtliche Surrogation unterschieden.[3][4]
Dingliche Surrogation
Bei einer dinglichen Surrogation, dem in der Praxis relevanteren Fall, sieht das Gesetz vor, dass ein Ersatzgegenstand unmittelbar in den Rechtskreis des Betroffenen hineinfällt.[3] Die Surrogation hat hier unmittelbare dingliche Wirkung, ein besonderer Übertragungsakt des Surrogats in das Vermögen des Betroffenen ist nicht erforderlich. Durch diese Regelung des automatischen Überganges werden die Vorschriften über den Eigentumsübergang, etwa nach §§ 929 ff. BGB, umgangen. Darüber hinaus können durch die gesetzlichen Regelungen über die Surrogation Beweisschwierigkeiten vermieden werden.
Beispiel 1: M und Hauseigentümerin H heiraten im Jahr 2005. M zieht zu H in ihr Haus. Im Haus befindet sich eine der H gehörende Waschmaschine. Die Waschmaschine geht 2007 kaputt. M und H schaffen eine neue Waschmaschine aus der gemeinsamen Haushaltskasse an. Später lassen sich M und H scheiden. Wem gehört die neu angeschaffte Waschmaschine?
Nach § 1370 BGB a.F. steht die Waschmaschine hier im alleinigen Eigentum der H, obwohl sie gemeinschaftlich mit M angeschafft wurde; die Vorschrift ordnet als Ersatz für das Eigentum an verlorenen oder wertlos gewordenen Haushaltsgegenstände den Eigentumserwerb an ersatzweise angeschafften neuen Gegenständen auf Seiten desjenigen Ehegatten an, dem die verlorenen oder wertlos gewordenen Gegenstände gehörten. Sie ist seit 1. September 2009 aufgehoben[5], wird jedoch auch bei späteren Scheidungen auf Haushaltsgegenstände, die vor dem Zeitpunkt der Aufhebung angeschafft wurden, weiterhin angewandt.[6]
Beispiel 2: X stirbt und hinterlässt 10.000 Euro in Bar in einer Geldkassette in der Wohnung seines Lebensgefährten M. Aus einer früheren Partnerschaft mit F hat X eine Tochter. M denkt, er sei Erbe des X und kauft mit dem Bargeld aus der Geldkassette ein Auto von V. Wem gehört das Auto?
Erbe des X ist nach § 1924 BGB seine Tochter, der nach § 2018 BGB ein Herausgabeanspruch gegen den sich als Erbe betrachtenden M (Erbschaftsbesitzer) bezüglich des Bargelds zusteht. Dieser Herausgabeanspruch erstreckt sich nach der dinglichen Surrogation des § 2019 BGB nunmehr auch auf das Auto, welches mit dem Bargeld erworben wurde. Das Auto ist im Hinblick auf die Erbschaft als Surrogat für das Bargeld anzusehen. Es geht schon bei dem Erwerbsvorgang zwischen M und V kraft Gesetzes in die Erbmasse und damit in das Eigentum der Erbin X über.[7]
Schuldrechtliche Surrogation
Die schuldrechtliche (auch obligatorische[7]) Surrogation ist dadurch gekennzeichnet, dass das Surrogat nicht unmittelbar in das Vermögen des Betroffenen übergeht, sondern er lediglich einen Anspruch bezüglich des Surrogats erwirbt. Prominentester Fall der schuldrechtlichen Surrogation ist der Anspruch auf Herausgabe des stellvertretenden Commodum nach § 285 BGB. Demnach ist der Schuldner einer unmöglich gewordenen Leistung, der durch den Eintritt der Unmöglichkeit für den Gegenstand der geschuldeten Leistung einen Ersatz oder einen Ersatzanspruch erlangt hat, zur Herausgabe dieses Ersatzes bzw. zur Abtretung des Ersatzanspruchs an den Gläubiger der ursprünglichen Leistung verpflichtet.
Beispiel 3: K kauft von X ein Haus für 200.000 Euro, das X gegen Zerstörung bei Versicherung V mit einer Versicherungssumme von 300.000 Euro versichert hat. Das Eigentum wurde noch nicht übertragen, weil die Eintragung im Grundbuch noch nicht erfolgt ist. Das Haus wird durch einen Brand vollständig zerstört.
K kann in diesem Fall nach § 285 BGB von X die Abtretung seines Anspruchs gegen die Versicherung V auf Zahlung der Versicherungssumme verlangen. Der Anspruch gegen die Versicherung geht (anders als bei der dinglichen Surrogation) nicht direkt auf den K über; die Übertragung muss erst durch Erfüllung des entsprechenden Anspruchs umgesetzt werden. Der Anspruch erstreckt sich dabei auf den gesamten Ersatz, auch wenn dieser wertmäßig höher ist, als der Wert der unmöglich gewordenen Leistung,[8] K kann also die Abtretung des Anspruchs gegen die Versicherung in voller Höhe von X verlangen.
Weitere Beispiele schuldrechtlicher Surrogation sind die Ansprüche aus § 667 BGB, § 816 BGB und § 1258 Abs. 3 BGB.[4]
Einzelnachweise
- ↑ BGH, Urteil vom 9. September 2020 – VIII ZR 255/19 –, juris.bundesgerichtshof.de Rn. 30 = BeckRS 2020, 32016 Rn. 30
- ↑ Volker Emmerich: Münchener Kommentar zum BGB. Hrsg.: Franz Jürgen Säcker. 9. Auflage. C.H.BECK, München 2022, BGB § 285 Rn. 2.
- ↑ a b schon RG, Urteil vom 8. Oktober 1918 – VII 164/18 –, dejure.org = RGZ 94, 20
- ↑ a b Stephan Lorenz: BeckOK BGB. Hrsg.: Wolfgang Hau, Roman Poseck. 75. Edition. C.H.BECK, München 1. August 2025, BGB § 285 Rn. 14.
- ↑ Bundesanzeiger: Gesetz zur Änderung des Zugewinnausgleichs- und Vormundschaftsrechts vom 6. Juli 2009. Abgerufen am 16. September 2025.
- ↑ Elisabeth Koch: Münchener Kommentar zum BGB. Hrsg.: Franz Jürgen Säcker. 9. Auflage. C.H.BECK, München 2022, BGB § 1370 Rn. 2.
- ↑ a b Bernd Müller-Christmann: BeckOK BGB. Hrsg.: Wolfgang Hau, Roman Poseck. 75. Edition. C.H.BECK, München 1. August 2025, BGB § 2019 Rn. 10.
- ↑ BGH, Urteil vom 9. September 2020 – VIII ZR 71/19 –, juris.bundesgerichtshof.de Rn. 34 = BeckRS 2020, 36328 Rn. 34