Studiosus

Die Bezeichnungen studiosus (stud.) und candidatus (cand.) bezeichnen Studierende (lateinisch Studiosi) in verschiedenen Phasen ihres Studiums. Es sind im deutschsprachigen Raum keine Bezeichnungen von akademischen Graden. Beide Bezeichnungen sind im deutschen Sprachraum nicht Teil des Hochschulrechts eines Landes und weder offiziell noch flächendeckend einheitlich zugeordnet oder abgegrenzt. Verwendung finden sie zuweilen noch in der Anrede im Briefkopf: Herrn stud. Franz Müller, Frau cand. Gerlinde Glück etc. In der Regel folgt auf die Bezeichnung der Name der Fakultät, also heißt es vollständig z. B.: Herrn stud. phil. Franz Müller bzw. Frau cand. med. Gerlinde Glück. Als Studiosus (männlich) oder Studiosa (weiblich) werden in der Regel Studierende vor dem erfolgreichen Abschluss der Zwischenprüfung, eines Vorexamens oder – seit Einführung des Bachelorgrades durch die Bologna-Reform – auch der Bachelorprüfung bezeichnet. In der folgenden Studienphase wurden Studierende bis zum Bestehen aller Abschlussprüfungen als Candidatus (männlich) oder Candidata (weiblich) bezeichnet; seit Einführung von Bachelorstudiengängen als grundständiges Hochschulstudium, die dem Masterstudium vorausgehen und für die Zulassung dazu Voraussetzung sind, werden Studierende mit Bachelorgrad in der Regel so tituliert: Franz Müller B.A. oder Franz Müller B.Sc. o. ä.; die Abkürzung des Bachelortitels variiert entsprechend dem studierten Fach (A. für Arts, was z. B. die Fächer der Philosophischen Fakultät einschließt; Sc. für Science, also Naturwissenschaften.) Die Anrede Cand. ist daher heute selten.

Arten und Unterscheidung

Die seit dem Mittelalter verwendete lateinische Bezeichnung studiosus ist von studium im Sinne einer wissenschaftlichen Ausbildung an einer Universität abgeleitet.

Die antike lateinische Bezeichnung candidatus stand ursprünglich für den mit weißer (candidus „weiß“) Toga bekleideten Anwärter auf ein Amt im Römischen Reich.

Als es früher (bis in die 1980er Jahre) auch eine „grundständige Promotion“ gab, also eine Promotion ohne vorher erworbenen akademischen Grad, konnte ein von einem Professor angenommener Doktorand als Candidatus bezeichnet werden.[1] Absolventen der Ersten juristischen Prüfung werden von manchen Justizprüfungsämtern als geprüfte Rechtskandidaten bezeichnet, wenn das Landesrecht nicht zu Bezeichnungen wie z. B. Referendar jur.[2] befugt.

Für den Doktor­grad gibt es ebenfalls inoffizielle Selbstbezeichnungen, so z. B. Drs. (doctorandus) für eine Person, die eine Doktorarbeit schreibt, und Dr. des. (doctor designatus) für den designierten, also bestätigten, aber noch nicht verliehenen Grad. Einige Universitäten verbieten deren Gebrauch explizit.[3]

Verwendung

Die Kürzel werden in Deutschland, der Schweiz und z. T. auch Österreich von traditionsbewussten Studierenden (z. B. Studentenverbindungen) im „hochschulinternen Gebrauch“ dem Namen mit der Fachabkürzung vorangestellt. Sie stellen aber keinen von einer staatlichen Behörde oder Hochschule verliehenen Titel oder akademischen Grad dar. In Österreich wird das Kürzel stud. teilweise in Protokollen von Organen der akademischen Selbstverwaltung verwendet, um studentische Mitglieder dieser Gremien unabhängig vom Studienfortschritt zu kennzeichnen und von akademischen Graden zu unterscheiden. In den meisten Universitäten findet diese Bezeichnung heute keine Verwendung mehr, vielmehr wird gemäß der aktuellen Sprachleitfäden[4][5] die Ansprache als „Studierende(r)“ empfohlen.

Potentielle Verwechslungsgefahr mit ausländischen akademischen Graden

In Dänemark, Island und Norwegen werden mit Kandidat bzw. der Abkürzung cand. akademische Grade bezeichnet, die einem Master vergleichbar sind. In einigen Staaten des ehemaligen Ostblocks wiederum bezeichnet der Kandidat der Wissenschaften einen akademischen Grad, der einer Promotion in Deutschland gleichwertig ist (der Grad eines Doktor der Wissenschaften entspricht in diesem System der deutschen Habilitation).

Schreibweise

Die Bezeichnung wird klein sowie ohne Bindestrich geschrieben: z. B.: cand. ing., cand. med.

Alphabetische Liste der lateinischen Fachbezeichnungen

An der mittelalterlichen Universität bereiteten die Sieben Freie Künste auf die drei möglichen Fächer Theologie, Jura und Medizin vor; diese Ordnung wurde im Prinzip bei der Nennung des studierten Faches beibehalten.

theol. theologiae Theologie
iur. oder jur. iuris, iurisdictionis, iuris prudentiae, Rechtswissenschaft (Jura oder Jus)
med. medicinae, Medizin
phil. philosophiae, Geisteswissenschaft (trivium)
rer. nat. rerum naturalium, Naturwissenschaften (vgl. quadrivium)

Darüber hinaus sind mitunter von Studierenden erdachte latinisierte Fachbezeichnungen im informellen Umgang in Gebrauch. Für sie besteht jedoch keinerlei Verbindlichkeit; zudem sind sie nicht eindeutig und werden nie offiziell dem Namen vorangestellt:

Philosophiae: Studierende an einer Philosophischen Fakultät verwenden u. U. eine dieser erfundenen Fachbezeichnungen:

angl. rerum Anglicarum, Anglistik
arch. archaeologiae, Archäologie
cur. curae, Pflegewissenschaft
disci. disciplinae, Bildungswissenschaft
ethn. ethnologiae, Völkerkunde
geogr. geographiae, Geographie
ger. rerum Germanicarum, Germanistik
grae. linguae Graecae, Griechisch / Graecum
hist. historiae, Geschichtswissenschaft
lat. linguae Latinae, Latein
oec. inf. oeconomiae informaticae, Wirtschaftsinformatik
paed. paedagogiae, Pädagogik
psych. psychologiae, Psychologie
rer. oec. rerum oeconomiacarum, Volks- oder Betriebswirtschaftslehre
rer. phil. rerum philosophiacarum, Philosophie
rer. pol. rerum politicarum, Politik- oder auch Wirtschaftswissenschaft
rer. publ. rerum publicarum, Verwaltungswissenschaft
rer. soc. rerum socialium, Gesellschaftswissenschaft
rer. soc. oec. rerum socialium oeconomicarumque, 〈österr.〉 Sozial- und Wirtschaftswissenschaften
rhet. rhetoricae, Rhetorik

Rerum naturalium: Mathematiker, Ingenieure und Naturwissenschaftler geben sich u. U. folgende latinisierte Fachbezeichnungen:

aer. aeronauticus, Luft- und Raumfahrttechnik
agr. agrarius, Agrarwissenschaften
arch. architecturae, Architektur
arch. nav. architecturae navalis, Schiffbau
biol. biologiae, Biologie
chem. chemistriae, Chemie
el. electricarum, Elektrotechnik
forest. forestarius, Forstwissenschaft
geod. Geodäsie, Vermessungswesen
geol. geologiae, Geologie
inf., inform. informaticensis, Informatik
ing. ingenium, Bauingenieurwesen
sonstige Ingenieurwissenschaften
mach. machinae, Maschinenbau
math. mathematicensis, mathematicae, Mathematik
pharm. pharmaciae, Pharmazie
phys. physicae, Physik
psych. psychologiae, Psychologie
rer. mont. rerum montanum, Bergbau

Fachhochschulen

Bei Fachhochschulen wird häufig der Zusatz (FH) verwendet. Beispielsweise in der Form cand. ing. (FH)

Fußnoten

  1. Glossar Uni Basel (Memento des Originals vom 16. Mai 2007 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/pages.unibas.ch
  2. § 25 Absatz 3 Juristenausbildungsgesetz (JAG) des Landes Hessen
  3. Universität Kiel, Promotionsordnung, § 23 Vollzug der Promotion, Absatz 3: (Memento des Originals vom 21. Juli 2007 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.uni-kiel.de „Mit dem Empfang der Promotionsurkunde erhält die Bewerberin oder der Bewerber die Berechtigung zur Führung des Doktorgrades. Vor diesem Zeitpunkt darf der Grad in keiner Form, auch nicht als Dr. des., geführt werden.“
  4. https://www.mw.tum.de/fileadmin/w00btx/mw/MW-Personal/Frauenbeauftragte/Diversity_Sprachleitfaden_MW_TUM.pdf
  5. https://www.frauenbeauftragte.uni-bayreuth.de/pool/dokumente/Sprachleitfaden_2020.pdf