Stefano Fiorentino

Stefano di Ricco, (Florenz, vor 1295–um 1350?), Stefano Fiorentino genannt, war ein wahrscheinlich überwiegend in der Toskana tätiger Maler der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts. Trotzdem er im 14. Jahrhundert in Quellen aus Florenz und Pistoia als einer der besten Maler nach Giotto genannt wird, fehlt es an dokumentierten Informationen zu seinem Leben und ihm sicher zuzuschreibenden Werken. Die von der Kunstwissenschaft diskutierten Gemälde sind weder signiert noch durch zeitgenössische Quellen gesichert.
Leben
Zu Stefanos Ausbildung und Leben gibt es kaum sichere Dokumente. Vermutet wird, dass er sich zwischen 1315 und 1320 in der für Maler zuständigen Florentiner Zunft der Ärzte und Apotheker (Arte dei Medici e Speziali) immatrikulierte. 1347 wird er als Maler eines verschollenen Altarbildes des Hauptaltars der Kirche San Giovanni Fuorcivitas in Pistoia genannt.
Rezeption
Stefano taucht in einer um 1349 erstellten Liste der Baukommission (Operai) von San Giovanni Fuorcivitas in Pistoia auf, die die „besten Meister der Malerei, die es in Florenz gibt“ („migliori maestri di dipingiere che siano in Firenze“) umfasst. Sein Name steht dort an zweiter Stelle nach Taddeo Gaddi. Zu den frühen Zeugnissen zählt zudem eine Erwähnung in Franco Sacchettis vielgelesenen Trecentonovelle (ca. 1385–1400, Novelle CXXXVI), nach der er einer der besten Meister nach Giotto sei. Der Florentiner Filippo Villani lobt ihn in seinem Liber de origine Florentinae et eiusdem famosis civibus (1381–1400) als „Affe der Natur“ („naturae symia“) im Sinne eines „Nachahmers der Natur“. Er stelle menschliche Körper mit der Präzision eines Arztes dar, sodass Giotto selbst meinte, dass ihnen nur noch der Atem fehle.
Als hervorragenden Giotto-Schüler erwähnt ihn auch Lorenzo Ghiberti in seinem Kunsttraktat (I Commentarii, 1450er Jahre) und nennt seine Werke „sehr bewunderwert und mit größter Gelehrtheit ausgeführt“ („molto mirabili e fatto con grandissima doctrina“). Ghiberti schreibt ihm einige Fresken in Florenz zu: drei Fresken im Kreuzgang von Santo Spirito, ein Porträt des Thomas von Aquin und weitere Gemälde in der Kirche Santa Maria Novella sowie in Assisi.
Die biografischen Informationen in Giorgio Vasaris Viten sind wegen ihres etwa zweihundertjährigen Abstands zweifelhaft, da sie überwiegend auf älteren Quellen – wie Sacchetti, Villani und Ghiberti – sowie unzuverlässigen lokalen Überlieferungen und Vasaris nicht immer korrekten eigenen Beobachtungen beruhen. Auch Vasaris positives, ja begeistertes Urteil über die Qualitäten von Stefanos Malweise geht wohl auf das Lob in der älteren Literatur zurück:
„… avanzò di tanto il suo maestro stesso [Giotto] che fu, e meritamente, tenuto il miglior di quanti pittori erano stati infino a quel tempo, come chiaramente dimostrano l’opere sue.“
„… er übertraf so sehr selbst seinen Meister, dass er verdientermaßen als bester Maler bis zu jener Zeit betrachtet wurde, wie seine Werke klar zeigen.“
In Vasaris Modell eines stetigen Fortschritts der Entwicklung der Künste kommt Stefano im Unterschied zu dem heftig kritisierten Agnolo Gaddi die Rolle zu, auf die kommenden Generationen vorauszuweisen („Es scheint, als beginne man hier ein gewisses Licht der guten und perfekten Maniera zu sehen“, im Italienischen: „che pare ch’è cominciasse a vedere un certo lume della buona e perfetta maniera de’ moderni“)[1]
Nach Vasaris Darstellung nahm Stefanos Sohn Tommaso den Namen Giottino („kleiner Giotto“) an.
Der Vita zufolge stammten folgende Werke von Stefano Fiorentino:
- Madonna, Fresko (1944 zerstört), Camposanto, Pisa
- Szenen aus dem Leben Christi, Fresko (im 15. Jahrhundert zerstört), Santo Spirito, Florenz
- Verklärung Christi
- Christus befreit eine Besessene
- Arbeiten für Matteo Visconti (vielleicht in der Visconti-Kapelle der Kirche Sant’Eustorgio oder in der Abtei von Chiaravalle)
- Martyrium des hl. Markus, Fresko (zerstört), Cappella degli Asini (abgerissen), Santa Croce, Florenz
- Szenen aus dem Leben Christi, Fresko (zerstört), Apsis, Alt-Sankt Peter (abgerissen), Rom
- hl. Ludwig von Toulouse, Santa Maria in Aracoeli, Rom
- „eine Geschichte der himmlische Glorie“ („una storia della gloria celeste“), Fresko (unvollendet, 1622 zerstört), Cappella Maggiore, Basilica inferiore, Assisi
- Madonna, Fresko (zerstört), Straßentabernakel der Familie Gianfigliazzi, Lungarno – Nähe Ponte alla Carraia, Florenz
- Fresken (zerstört), Cappella di San Jacopo, San Zeno, Pistoia
- Fresken (unvollendet, zerstört), Cappella di Santa Catharina, San Domenico, Perugia
Werke
Als für Stefano gesichert gilt das Fresko mit dem hl. Thomas von Aquin, das der Maler laut Lorenzo Ghiberti in Santa Maria Novella, Florenz gemalt hat. Das 1858 abgenommene Fresko wurde 2016 identifiziert.[2] Außerdem werden ihm seit Roberto Longhi einige der Fresken im Turm der Zisterzienserabtei von Chiaravalle bei Mailand zugeschrieben;[3] die jüngere Forschung geht von einem „ersten Chiaravalle-Meister“ (1315) beziehungsweise mehreren Malern aus, die in der Werkstatt Stefanos tätig waren.[4][5] Die Fresken wurden 2004–2010 restauriert.[6]
Bildergalerie
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Die 1944 verlorene Himmelfahrt auf dem Camposanto di Pisa -
Die zerstörte Himmelfahrt, Detail -
Stefano Fiorentino zugeschriebenes Fresko in der Abtei von Chiaravalle -
Fresko im Tiburio von Chiaravalle -
Fresko im Tiburio von Chiaravalle, Detail -
Kreuzigung im grünen Kreuzgang (Chiostro Verde) von Santa Maria Novella
Literatur
- Jane Turner (Hrsg.): Stefano Fiorentino, In: The Dictionary of Art. Band 29: Södermark to Summerson. Grove, New York 1996, ISBN 1-884446-00-0, S. 598–599.
- Alberto Lenza: Stefano di Ricco: una precisazione documentaria, In: Arte cristiana, Nr. 96, Mailand, 2008, S. 469–473.
Weblinks
Einzelnachweise
- ↑ Giorgio Vasari: Vita di Stefano pittor fiorentino e Ugolino Sanese. In: Rosanna Bettarini, Paolo Barocchi (Hrsg.): Le vite de' più eccellenti pittori, scultori e architettori nelle redazioni del 1550 e 1568. Band 2. Sansoni, Florenz, S. 134.
- ↑ Serena Pini: Gli affreschi della navata di Santa Maria Novella: testimonianze del passato e recenti scoperte a confronto. In: Anna Bisceglia (Hrsg.): Ricerche a Santa Maria Novella. Gli affreschi ritrovati di Bruno, Stefano e gli altri. Mandragora, Florenz 2016, ISBN 978-88-7461-301-4, S. 65–96.
- ↑ Serena Romano: Un poema cistercense. Affreschi giotteschi a Chiaravalle Milanese (Electa Mailand, 2010). In: Sandrina Bandera (Hrsg.): Giornale dell’arte. Nr. 299. Giornale dell'Arte, Mailand 2010, ISBN 978-88-370-7363-3 (italienisch, ilgiornaledellarte.com [abgerufen am 17. Mai 2018]).
- ↑ Anna Rosa Nicola Pisano, Valentina Parodi: Un approccio multidisciplinare finalizzato allo studio delle tecniche esecutive e al restauro dei cicli pittorici trecenteschi nell'abbazia di Chiaravalle milanese: il primo maestro a confronto con il cantiere giottesco. In: Guido Biscontin, Guido Driussi (Hrsg.): Sulle pitture murali. Riflessioni, conoscenze, interventi – atti del convegno di studi, Bressanone 12-15 luglio 2005 (Scienza e beni culturali, 21). Edizioni Arcadia Ricerche, Marghera-Venezia 2005, ISBN 978-88-95409-09-2.
- ↑ Sandrina Bandera (Hrsg.): Un poema cistercense. Affreschi giotteschi a Chiaravalle Milanese. Electa, Mailand 2010, ISBN 978-88-370-7363-3.
- ↑ Anna Rosa Nicola Pisano: The restoration of the 14th century frescos of the Chiaravalle Milanese Abbey. The Primo Maestro compared to the Giotto's workshop. In: Nicola Restauri. Anna Rosa Nicola Pisano, 2010, abgerufen am 25. April 2025 (englisch).