Stefan Gelbhaar

Stefan Gelbhaar (2020)

Stefan Gelbhaar (* 9. Juli 1976 in Ost-Berlin) ist ein deutscher Politiker (Bündnis 90/Die Grünen). Von April 2008 bis März 2011 war er Landesvorsitzender von Bündnis 90/Die Grünen Berlin. Gelbhaar war von 2011 bis 2017 Mitglied des Abgeordnetenhauses von Berlin und von 2017 bis 2025 Mitglied des Deutschen Bundestages.

Leben

Gelbhaar wurde in Berlin-Friedrichshain geboren und wuchs im Berliner Stadtbezirk/Bezirk Pankow auf. Er besuchte die 30. POS und das Carl-von-Ossietzky-Gymnasium im Ortsteil Berlin-Pankow. Nach seinem Abitur leistete er Zivildienst in der Tagesbetreuungsstätte im Haus Immanuel.[1] Ab 1997 studierte er Rechtswissenschaften an der Humboldt-Universität zu Berlin, 2002 schloss er das Studium mit dem 1. Staatsexamen ab. Sein Referendariat absolvierte er im Land Brandenburg, 2004 schloss er das Referendariat mit dem 2. Staatsexamen ab. Er ist als Rechtsanwalt zugelassen[2] und war u. a. als Strafverteidiger[3] tätig. Gelbhaar ist Vater von zwei Kindern.[1]

Politik

Gelbhaar ist seit 2000 Mitglied von Bündnis 90/Die Grünen. Von 2004 bis 2005 war er Beisitzer und von Ende 2005 bis Anfang 2008 Vorsitzender im Vorstand des Pankower Kreisverbandes. Laut der Welt war es ihm gelungen, den zerstrittenen Kreisverband Pankow zu einen.[4] Von März 2007 bis April 2008 war er zudem Beisitzer im Landesvorstand Berlin. Er wurde 2008 als Nachfolger Barbara Oesterhelds von der Berliner Landesdelegiertenkonferenz im ersten Wahlgang mit 61 % zum Landesvorsitzenden gewählt, seine Gegenkandidatin Pia Paust-Lassen erhielt 35 % der Stimmen.[5]

Mit der Wahl im September 2011 zum Mitglied des Abgeordnetenhauses von Berlin schied Gelbhaar aus dem Parteivorstand aus. In der Fraktion war er Sprecher für Verkehrs- sowie Medien- und Netzpolitik und seit November 2011 stellvertretender Fraktionsvorsitzender.[6] Bei der Wahl zum Abgeordnetenhaus von Berlin 2016 kandidierte Gelbhaar für den Wahlkreis Pankow 8 und gewann mit einem Erststimmenergebnis von 29,8 % das Direktmandat. Gelbhaar legte sein Mandat im Abgeordnetenhaus von Berlin im Dezember 2017 nieder, da er im Oktober 2017 Mitglied des Bundestages geworden war.[7]

Bei der Bundestagswahl 2017 kandidierte Gelbhaar als Direktkandidat für den Wahlkreis 76 – Pankow und wurde als Zweiter der Landesliste in den 19. Deutschen Bundestag gewählt.[8][9] Dort war er Obmann seiner Fraktion im Ausschuss für Verkehr und digitale Infrastruktur und Sprecher für städtische Mobilität und Radverkehr.[10][11][12] Ab Oktober 2020 war Gelbhaar als Nachfolger von Stephan Kühn zudem verkehrspolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion.[12][13] Er war stellvertretendes Mitglied im 2. Untersuchungsausschuss der 19. Wahlperiode des Deutschen Bundestages.

Zur Bundestagswahl 2021 sowie der teilweisen Wahlwiederholung trat Gelbhaar erneut für den Wahlkreis Berlin-Pankow an und führte mit Lisa Paus die Grüne Landesliste von Berlin an.[14] Er gewann das Direktmandat und zog in den 20. Deutschen Bundestag ein. Gelbhaar war innerhalb seiner Bundestagsfraktion Leiter der AG Mobilität,[15] ab 2020 war er Sprecher für Verkehrspolitik. Er war zudem ordentliches Mitglied im Verkehrsausschuss sowie stellvertretendes Mitglied im Haushaltsausschuss und im Ausschuss für Digitales.[16][17] Ab 2022 hatte er einen Sitz im Aufsichtsrat der DB Netz inne.[18]

Für die Bundestagswahl 2025 wurde Gelbhaar im November 2024 mit 98 % Zustimmung erneut als Direktkandidat der Grünen für den Bundestagswahlkreis Berlin-Pankow aufgestellt. Mitte Dezember 2024 zog er seine Kandidatur für die Berliner Landesliste der Grünen zurück. Anfang Januar 2025 wurde die Wahl um die Direktkandidatur wiederholt; hierbei verlor er gegen Julia Schneider.[19] Schneider gewann im Februar 2025 das Direktmandat im Wahlkreis und zog in den Deutschen Bundestag ein; Gelbhaar schied am 25. März 2025 aus dem Bundestag aus.

Falschberichterstattung durch den RBB 2024 und andere Medien

Der Tagesspiegel hatte Mitte Dezember 2024,[20] der Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB) zum Jahreswechsel[21] über Belästigungsvorwürfe mehrerer Frauen gegen ihn berichtet; auch Medien der Axel Springer SE berichteten. Gelbhaar bestritt alle Vorwürfe. Der RBB räumte Fehler bei der Recherche ein.[22][23] Eine externe Untersuchung der Vorgänge[24][25] zeigte, dass der Sender Anschuldigungen nicht ausreichend geprüft hatte, einige waren unter einer vorgetäuschten Identität erhoben worden.[26] Chefredakteur David Biesinger und Programmdirektorin Katrin Günther traten deswegen im März 2025 von ihren Ämtern beim RBB zurück.[27]

Der Bundesvorstand von Bündnis 90/Die Grünen beauftragte Annemarie Lütkes und Jerzy Montag mit der Erstellung eines Berichtes, der im Juni 2025 in gekürzter Form veröffentlicht wurde, da Persönlichkeitsrechte zu wahren waren und Datenschutzbestimmungen berücksichtigt werden mussten.[28] Der Bericht wies einerseits auf strukturelle Probleme im Ombudsverfahren hin und deckte andererseits einen Missbrauch des Ombudsverfahrens auf. Es gab nämlich konzertierte Eingaben gegen Gelbhaar unmittelbar vor der Listenerstellung. Nach den Ermittlungen habe es sich dabei um eine „Organisation von Meldungen“ gehandelt, die „geballt“ vor der Listenaufstellung zur Bundestagswahl aufgetaucht seien und „erkennbar“, wenn auch nicht bei allen, das Ziel gehabt hätten, Gelbhaars Wiederaufstellung zu verhindern. Die Organisation der Meldungen sei „wohl innerhalb oder im Umfeld der Grünen Jugend Berlin zu suchen“. Das parteiinterne Verfahren gegen Gelbhaar wurde eingestellt.[29][30][31][32] Zudem erstattete der Bundesvorstand Strafanzeige wegen falscher uneidlicher Aussage gegen eine Politikerin und Unbekannt. Auf eine Strafanzeige Gelbhaars hin nahm die Staatsanwaltschaft Berlin Ermittlungen aufgrund des Anfangsverdachts der Verleumdung auf.[33][34][35] Gelbhaar forderte vom RBB zivilrechtlich 1,7 Millionen Euro Geldentschädigung und Schadensersatz.[21][36]

Das Landgericht Hamburg bezeichnete im April 2025 einen Bericht der Süddeutschen Zeitung als zulässig, da darin zwar „der Verdacht eines grenzüberschreitenden und übergriffigen Verhaltens des Antragstellers gegenüber einer Mehrzahl jüngerer Frauen in zulässiger Weise verbreitet“ worden sei, jedoch nicht der Verdacht eines strafbaren Verhaltens.[37] Der Parteikollegin Klara Schedlich, deren eidesstattliche Versicherung Teil der RBB-Berichterstattung war, untersagte das Gericht im Mai 2025 gewisse Aussagen zu ihrer Kommunikation mit Gelbhaar, die zu Missverständnissen führen könnten, öffentlich zu wiederholen.[38][39][40] Anfang Juli 2025 wurde bekannt, dass der RBB in einer außergerichtlichen Einigung eine Entschädigung, über deren Höhe Stillschweigen vereinbart wurde, an Gelbhaar zahlt.[41][42] Die Zeitung Die Welt berichtete Mitte Juli 2025 unter Berufung auf „mehrere mit dem Fall vertraute Personen“, dass der Sender 100.000 EUR und eine Versicherung des Senders 300.000 EUR an Gelbhaar gezahlt habe.[43] Ebenfalls im Juli 2025 wurde bekannt, dass das OLG Hamburg im Widerspruch zu der LG Entscheidung vom April 2025 eine – noch nicht rechtskräftige – einstweilige Verfügung gegen einen Bericht der Süddeutschen Zeitung vom 12. März 2025 erlassen hatte.[44] Die Rechtsanwaltskanzlei Mathias SchwarzlSKW Schwarz veröffentlichte am 23. Juli 2025 auf ihrer Homepage einen Bericht unter der Überschrift „SKW Schwarz erreicht umfassende Rehabilitierung für ehemaligen Bundestagsabgeordneten Stefan Gelbhaar.“[45]

Mitgliedschaften

Commons: Stefan Gelbhaar – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. a b Deutscher Bundestag - Stefan Gelbhaar. Abgerufen am 12. Mai 2025.
  2. Suchanfrage im bundesweiten Anwaltsverzeichnis der Bundesrechtsanwaltskammer v. 11.06.2025
  3. Lebenslauf, Abruf vom 11.6.2025.
  4. Stefan Gelbhaar ist neuer Parteichef der Grünen. In: Die Welt. 19. April 2008, abgerufen am 4. März 2021.
  5. Parteien: Stefan Gelbhaar neuer Landesvorsitzender der Grünen. In: Der Tagesspiegel. 19. April 2008, abgerufen am 31. Januar 2024.
  6. Stefan Gelbhaar, Bündnis 90/Die Grünen (Memento vom 24. September 2015 im Internet Archive)
  7. Sabine Beikler: Bayram und Gelbhaar verlassen das Abgeordnetenhaus. In: Der Tagespiegel. 16. Dezember 2017, abgerufen am 15. Dezember 2017.
  8. Unsere Direktkandidat*innen in den Berliner Bezirken. Bündnis 90/Die Grünen Berlin, 29. Mai 2017, abgerufen am 17. August 2017.
  9. Unsere Landesliste zur Bundestagswahl 2017. Bündnis 90/Die Grünen Berlin, 29. Mai 2017, abgerufen am 17. August 2017.
  10. Bundestagswahl 2017 Berlin - Berlin - Übersicht. Abgerufen am 27. November 2017.
  11. Abgeordnete - Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen. Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen, abgerufen am 3. April 2018.
  12. a b Stefan Gelbhaar, Bündnis 90/Die Grünen Rechtsanwalt. In: bundestag.de. Abgerufen am 3. Januar 2025.
  13. Gremienbesetzungen. Bündnis 90/Die Grünen Bundestagsfraktion, abgerufen am 30. Oktober 2020.
  14. Kandidat*innen Bundestag – Bündnis 90/Die Grünen Berlin. Abgerufen am 30. August 2021.
  15. Fachbereiche und Arbeitsgruppen. Abgerufen am 3. Januar 2025.
  16. Stefan Gelbhaar, Bündnis 90/Die Grünen Rechtsanwalt. In: bundestag.de. Abgerufen am 3. Januar 2025.
  17. Stefan Gelbhaar. In: gruene-bundestag.de. Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen, abgerufen am 3. Januar 2025.
  18. www.dvz.de, Grüne: Gelbhaar wird Aufsichtsrat bei der DB Holding, 10. Mai 2022, abgerufen am 27. Mai 2025
  19. Gelbhaar will trotz Belästigungsvorwürfe erneut für Direktmandat antreten. In: welt.de. 4. Januar 2025, abgerufen am 18. Januar 2025.
  20. www.tagesspiegel.de, Vorwürfe der sexuellen Belästigung: Berliner Grünen-Politiker Stefan Gelbhaar zieht Listenkandidatur zurück, 14. Dezember 2024, abgerufen am 27. Mai 2025
  21. a b www.rbb24.de, Grünen-Politiker Gelbhaar fordert 1,7 Millionen Euro vom rbb, 27. Februar 2025, abgerufen am 27. Mai 2025
  22. Tomasz Kurianowicz: „Das ist Quatsch!“: Medienanwalt kritisiert RBB wegen Fall Gelbhaar. In: Berliner Zeitung. 20. Januar 2025, abgerufen am 21. Januar 2025.
  23. Christian Latz, Ingo Salmen: Grünen-Politikerin soll Belästigungsvorwürfe gegen Gelbhaar erfunden haben. In: Tagesspiegel. 18. Januar 2025, abgerufen am 21. Januar 2025.
  24. In eigener Sache: rbb beauftragt externe Untersuchung seiner Veröffentlichungen zu Stefan Gelbhaar – rbb24. In: rbb24.de. Abgerufen am 27. Februar 2025.
  25. Kurzbericht zu den Untersuchungsergebnissen in der Causa Gelbhaar. (PDF) Deloitte, 25. März 2025, abgerufen am 8. April 2025.
  26. Alexander Fröhlich, Christian Latz: Update / Erfundene Belästigungsvorwürfe gegen Gelbhaar: Ex-Grünen-Politikerin bricht ihr Schweigen und widerspricht Verdacht nicht. In: Tagesspiegel. Verlag Der Tagesspiegel GmbH, Berlin, 19. Januar 2025, abgerufen am 19. Mai 2025.
  27. hpi/dpa: Fall Gelbhaar: Rücktritte beim RBB wegen Berichterstattung. In: Spiegel Online. 14. März 2025, abgerufen am 15. März 2025.
  28. Annemarie Lütkes, Jerzy Montag: Zusammenfassung des Berichts. (PDF; 455 KB) In: gruene.de. 2025, abgerufen am 14. Juni 2025.
  29. Partei legt Bericht vor - doch der „Fall Gelbhaar“ bleibt offen. In: fr.de. Abgerufen am 13. Juni 2025.
  30. stefan gelbhaar.de 4. Juli 2025: Update zum Gerichtsverfahren gegen die Süddeutsche Zeitung, 4.7.2025 OLG Hamburg erlässt einstweilige Verfügung gegen die Süddeutsche Zeitung (SZ) (OLG HH, 30.06.2025, Az. 7 W 227/25).
  31. Vorwürfe der sexuellen Belästigung: Grüne räumen Fehler im Fall Stefan Gelbhaar ein. In: zeit.de. Abgerufen am 13. Juni 2025.
  32. Peter Carstens, Organisation von Meldungen, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 13. Juni 2025, S. 4 (Online).
  33. Fall Gelbhaar: Grüne stellen Strafanzeige wegen Falschaussage. ZDF, 20. Januar 2025, abgerufen am 6. März 2025.
  34. Grünenpolitiker: Grüne wollen Strafanzeige wegen Intrige gegen Stefan Gelbhaar stellen. In: zeit.de. Zeit Online, abgerufen am 27. Februar 2025.
  35. Michael Hanfeld, Die Zeugin, die keine war: Staatsanwalt ermittelt im Fall Gelbhaar; in: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 5. März 2025, S. 13 (Online hinter Paywall).
  36. Grünenpolitiker: Stefan Gelbhaar fordert 1,7 Millionen Euro vom RBB. In: zeit.de. Die Zeit, abgerufen am 27. Februar 2025.
  37. Alexander Fröhlich: Grünen-Politiker klagte gegen Bericht: Stefan Gelbhaar verliert vor Gericht gegen die „Süddeutsche Zeitung“. In: tagesspiegel.de. 17. April 2025, abgerufen am 17. April 2025.
  38. juris.de. Abgerufen am 31. Mai 2025.
  39. Parteikollegin erweckte falschen Eindruck über Kommunikation mit Gelbhaar. In: Legal Tribune Online. 16. Mai 2025, abgerufen am 1. Juni 2025.
  40. Anna Thewalt: Berliner Grünen-Politikerin verliert vor Gericht: Klara Schedlich bleiben einige Äußerungen über Stefan Gelbhaar untersagt. In: Der Tagesspiegel. 16. Mai 2025, abgerufen am 1. Juni 2025.
  41. Berlin: RBB zahlt Entschädigung an Grünenpolitiker Stefan Gelbhaar nach außergerichtlicher Einigung. In: Der Spiegel. 3. Juli 2025, ISSN 2195-1349 (spiegel.de [abgerufen am 3. Juli 2025]).
  42. https://www.rbb24.de/politik/beitrag/2025/07/stefan-gelbhaar-rbb-legen-streit-bei.html
  43. Lars Petersen, Diese Entschädigung zahlt der RBB an Gelbhaar, in: Die Welt vom 11. Juli 2025, S. 2 (Online hinter Paywall).
  44. Lena Kampf, Vivien Timmler, Ralf Wiegand: Chronologie eines Grenzfalles – Gleich zweimal waren Vorwürfe gegen den Grünen-Politiker Stefan Gelbhaar im Bundestagswahlkampf Thema: Als sie aufkamen – und als sie größtenteils in sich zusammenfielen (Memento vom 25. März 2025 im Webarchiv archive.today), Süddeutsche Zeitung vom 12. März 2025.
  45. https://www.skwschwarz.de/news/rehabilitierung-stefan-gelbhaar
  46. Dr. Manuela Schmidt neue Präsidentin des Humanistischen Verbandes Berlin-Brandenburg. In: Humanistischer Pressedienst (hpd.de). hpd e. V., Berlin, 28. Dezember 2021, abgerufen am 19. Mai 2025.
  47. Präsidium 2024 bis 2027. In: Internetpräsenz humanistisch.de. Humanistischer Verband Deutschlands, Landesverband Berlin-Brandenburg KdöR, Berlin, abgerufen am 19. Mai 2025.
  48. Login - DVZ. Abgerufen am 25. Mai 2025.