Stateira (Gattin des Dareios III.)

Stateira († 331 v. Chr.) war als Schwestergemahlin des Dareios III. eine persische Königin (seit 336 v. Chr.) aus der Dynastie der Achämeniden.^[1] Sie begleitete ihren Gemahl in den Krieg gegen Alexander den Großen und geriet 333 v. Chr. in dessen Gefangenschaft, in der sie etwa eineinhalb Jahre später starb.

Stateira war wohl die Tochter des persischen Adligen Arsames (Arsanes), dem Vater Dareios’ III. Ob sie auch eine Tochter der Sisygambis und damit eine Vollschwester des Dareios III. war, ist aufgrund der Quellenlage nicht sicher. Somit könnte sie auch die Tochter einer anderen Gattin oder einer Konkubine des Arsames gewesen sein.^[2] Ihr Name wird allein vom antiken Biographen Plutarch überliefert.^[3]

Falls Stateira die Mutter von Dareios’ gleichnamiger Tochter Stateira und deren Schwester Drypetis war,^[4] wurde ihre Ehe mit Dareios III. spätestens kurz nach 350 v. Chr. geschlossen, da die jüngere Stateira und Drypetis für das Jahr 333 v. Chr. als erwachsene Jungfrauen charakterisiert werden.^[5] Ein gemeinsamer Sohn von Stateira und Dareios III. war der 339/338 v. Chr. geborene Ochos, der seinen Namen nach dem früheren Perserkönig Artaxerxes III. Ochos erhielt.^[6] Laut einigen Alexanderhistorikern soll Stateira die schönste Frau in ganz Asien gewesen sein.^[7]

Zum Kriegszug von Dareios III. gegen Alexander den Großen begleitete Stateira ihren Gatten gemäß der Tradition gemeinsam mit seiner Mutter Sisygambis, seinen Töchtern Stateira und Drypetis, ihrem kleinen Sohn Ochos sowie anderen vornehmen Perserinnen.^[8] Nach dem Sieg Alexanders in der Schlacht bei Issos (November 333 v. Chr.) geriet sie mit der gesamten Familie des Perserkönigs in makedonische Gefangenschaft, während Dareios III. selbst entkam.^[9] Dem Alexanderhistoriker Quintus Curtius Rufus zufolge machte sich Stateira um ihren königlichen Gatten große Sorgen.^[10] Indessen besuchte Alexander gemeinsam mit seinem Freund Hephaistion die persische Königsfamilie in deren Zelt, behandelte alle mit äußerster Achtung und sicherte ihnen eine ehrenvolle Behandlung zu.^[11]

Dieser von der Alexander-Vulgata ausführlich geschilderte Besuch des Makedonenkönigs wurde von den von Arrian für besonders glaubwürdig gehaltenen und daher als seine Hauptgewährsmänner verwendeten Alexanderbiographen Ptolemaios und Aristobulos von Kassandreia nicht erwähnt.^[12] Übereinstimmend damit zitiert Plutarch einen angeblich von Alexander stammenden Brief, in dem dieser schrieb, dass er Stateira nie gesehen habe, ja nicht einmal über ihre Schönheit informiert werden wolle.^[13] Nach dem Bericht des Curtius Rufus hingegen habe der Makedonenkönig Stateira nur einmal, bei dem erwähnten Besuch der persischen Königsfamilie, zu Gesicht bekommen.^[14] Jedenfalls blieb Stateira wie ihre Verwandten in makedonischer Gefangenschaft. Beim diplomatischen Briefwechsel mit Dareios III. maß Alexander dessen in seiner Gewalt befindlichen Familie hohen politischen Wert zu.^[15]

Bald nach Alexanders Besuch in Ägypten starb Stateira im Frühling oder Sommer 331 v. Chr., wie verschiedene Autoren der Alexander-Vulgata einstimmig überliefern.^[16] Plutarch zufolge sei sie bei einer Niederkunft gestorben, und übereinstimmend berichtet der antike Geschichtsschreiber Marcus Iunianus Iustinus von ihrem Tod infolge einer Fehlgeburt. Da Stateira zum Zeitpunkt ihres Ablebens schon etwa eineinhalb Jahre von ihrem Gemahl getrennt war, konnte das ihr zugeschriebene Kind nicht von Dareios III. stammen. Dass sie aber von Alexander schwanger gewesen wäre, widerspricht dem Geist derselben Vulgatatradition, nach der Alexander sie nicht berührte und ehrenvoll behandelte.^[15] Abweichend von Plutarch und Iustinus gibt Curtius Rufus an, Stateira sei aufgrund großer Anstrengungen ohnmächtig geworden und bald danach verschieden.^[17] Diese Version ihres Todes hält der Althistoriker Ernst Badian für die glaubwürdigere.^[18] Auf Befehl des um sie trauernden Makedonenkönigs erhielt Stateira ein prächtiges Begräbnis nach altpersischer Tradition.^[19]

Ein entkommener Eunuch, der in den Quellen Teireus oder Tyriotes genannt wird, berichtete Dareios III. vom Tod seiner Gemahlin. Als der Perserkönig von der ehrfurchtsvollen Behandlung und königlichen Bestattung Stateiras durch Alexander erfuhr, mutmaßte er zuerst, dass diese ihm ungewöhnlich großzügig erscheinende Behandlung durch eine Liebesbeziehung des makedonischen Eroberers zu seiner schönen Gattin zu erklären sei, die daher ihren Ruf durch einen Ehebruch befleckt haben musste. Der Eunuch versicherte jedoch, dass es keinerlei Intimitäten zwischen Stateira und dem Makedonenkönig gegeben habe, sondern dass dieser ausschließlich aus menschlicher Größe so gehandelt habe. Dareios III. glaubte letztlich die Darstellung des Eunuchen und bewunderte Alexanders Großmut.^[20] Diese Schilderung von Dareios’ Benachrichtigung über Stateiras Tod und seine darauffolgende Reaktion dürfte mit fiktionalen Details ausgeschmückt sein.^[18]

• Ernst Badian: Stateira 2. In: Ehsan Yarshater (Hrsg.): Encyclopædia Iranica. 16. November 2015 (englisch, iranicaonline.org – mit Literaturangaben). 
• Helmut Berve: Das Alexanderreich auf prosopographischer Grundlage, München 1926, Bd. 2, S. 362 f. Nr. 721.
• Karl Fiehn: Stateira 2). In: Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft (RE). Band III A,2, Stuttgart 1929, Sp. 2170 f.
• Waldemar Heckel: Who’s Who in the Age of Alexander the Great. Prosopography of Alexander’s Empire. Blackwell, Oxford u. a. 2006, ISBN 1-4051-1210-7, S. 255 f., s. v. Stateira [1].
• Josef Wiesehöfer: Stateira [2]. In: Der Neue Pauly (DNP). Band 11, Metzler, Stuttgart 2001, ISBN 3-476-01481-9, Sp. 920.

1. ↑ Arrian, Anabasis 2, 11, 9; Plutarch, Alexander 30, 3; Iustinus, Epitoma historiarum Philippicarum Pompei Trogi 11, 9, 12; Phylarchos bei Athenaios, Deipnosophistai 13, 609b.
2. ↑ Waldemar Heckel: Who’s Who in the Age of Alexander the Great. Prosopography of Alexander’s Empire, 2006, S. 255 f.
3. ↑ Plutarch, Alexander 30, 5 und 30, 8.
4. ↑ Nach Ansicht des Althistorikers Ernst Badian war Stateira die zweite Gemahlin des Dareios III. (Ernst Badian: Stateira 2. In: Ehsan Yarshater (Hrsg.): Encyclopædia Iranica. 16. November 2015 (englisch, iranicaonline.org – mit Literaturangaben). ).
5. ↑ Curtius Rufus, Historiae Alexandri Magni Macedonis 3, 12, 25; dazu Waldemar Heckel: Who’s Who in the Age of Alexander the Great. Prosopography of Alexander’s Empire, 2006, S. 256.
6. ↑ Diodor, Bibliothéke historiké 17, 38, 2; Curtius Rufus, Historiae Alexandri Magni Macedonis 3, 11, 24.
7. ↑ Arrian, Anabasis 4, 19, 5 f.; Curtius Rufus, Historiae Alexandri Magni Macedonis 3, 11, 24 und 4, 10, 24; Plutarch, Alexander 21, 6.
8. ↑ Curtius Rufus, Historiae Alexandri Magni Macedonis 3, 3, 22.
9. ↑ Arrian, Anabasis 2, 11,9; Curtius Rufus, Historiae Alexandri Magni Macedonis 3, 11, 21 ff.; Diodor, Bibliothéke historiké 17, 36, 2 ff.; Plutarch, Alexander 21, 1.
10. ↑ Curtius Rufus, Historiae Alexandri Magni Macedonis 3, 12, 11.
11. ↑ Arrian, Anabasis 2, 12, 3-8; Curtius Rufus, Historiae Alexandri Magni Macedonis 3, 12, 15-26; Diodor, Bibliothéke historiké 17, 37, 5 – 38, 3; Plutarch, Alexander 21; Iustinus, Epitoma historiarum Philippicarum Pompei Trogi 11, 9, 12-16.
12. ↑ Arrian, Anabasis 2, 12, 6.
13. ↑ Plutarch, Alexander 22, 5.
14. ↑ Curtius Rufus, Historiae Alexandri Magni Macedonis 4, 10, 24.
15. ↑ ^{a b} Waldemar Heckel: Who’s Who in the Age of Alexander the Great. Prosopography of Alexander’s Empire, 2006, S. 256.
16. ↑ Curtius Rufus, Historiae Alexandri Magni Macedonis 4, 10, 18 ff.; Diodor, Bibliothéke historiké 17, 54, 7; Plutarch, Alexander 30, 1; Iustinus, Epitoma historiarum Philippicarum Pompei Trogi 11, 12, 6; dazu Ernst Badian: Stateira 2. In: Ehsan Yarshater (Hrsg.): Encyclopædia Iranica. 16. November 2015 (englisch, iranicaonline.org – mit Literaturangaben). 
17. ↑ Curtius Rufus, Historiae Alexandri Magni Macedonis 4, 10, 19.
18. ↑ ^{a b} Ernst Badian: Stateira 2. In: Ehsan Yarshater (Hrsg.): Encyclopædia Iranica. 16. November 2015 (englisch, iranicaonline.org – mit Literaturangaben). .
19. ↑ Curtius Rufus, Historiae Ale-xandri Magni Macedonis 4, 10, 23; Diodor, Bibliothéke historiké 17, 54, 7; Plutarch, Alexander 30, 1 und Moralia p. 338 e; Iustinus, Epitoma historiarum Philippicarum Pompei Trogi 11, 12, 6.
20. ↑ So Plutarch, Alexander 30, 2-14; ähnlich Iustinus, Epitoma historiarum Philippicarum Pompei Trogi 11, 12, 6; Curtius Rufus, Historiae Alexandri Magni Macedonis 4, 10, 25-34.