Stadtgarten Wattenscheid
Der Stadtgarten Wattenscheid ist eine historische Parkanlage im Bochumer Stadtteil Wattenscheid.
Lage
Der etwa 10 Hektar große Stadtgarten[1] liegt zentral in Wattenscheid. Er wird eingerahmt von der Parkstraße im Westen und dem Stadtgartenring im Norden und Osten. In dem dicht besiedelten Bereich Wattenscheids dient der Park als „grüne Lunge“.[2]
Geschichte Stadtgarten
Vorgeschichte bis zur Fertigstellung
Aufgrund eines Entschlusses des Kreistages des Landkreis Gelsenkirchen wurde auf Anregung des Landrats Dr. Hammerschmidt 400 000 Mark als Mittel bewilligt, um den zum Landkreis gehörenden Gemeinden die Anlage von Volksgärten zu ermöglichen. In diesen sollte sich die Bewohner des Industriereviers erholen und neue Arbeitskraft gewinnen.[3][4] Die Gemeinden hatten von den bereitgestellten Mitteln 44 Jahre lang 1 % als Amortisation abzutragen, der Rest wurde vom Kreis übernommen.[3]
Planung
Im Januar 1898 entscheidet sich die Stadt Wattenscheid, einen Stadtgarten anzulegen.
Eine aus fünf Mitgliedern gegründete Kommission untersuchte die infrage kommenden Grundstücke und entschied sich für eine 4,4 Hektar große Fläche[1] in der Nähe des katholischen St.-Marien-Krankenhauses. Am 23. Juni 1898 wurde in einer Ratssitzung eine Stadtgartenkommission gewählt. Als erste Vorarbeit wurde eine Zuwegung geschaffen. Dazu wurde der sogenannte Prozessionsweg zur Parkstraße ausgebaut. Die Arbeiten waren zur Zufriedenheit des Rates, und am 1. November 1898 wurden die Flächen zwischen diesem Weg und der Sommerdelle übernommen.[4] Der Preis betrug die Summe von 114 000 Reichsmark.[5]
Bauphase
Die Wattenscheider Zeitung meldete am 17. November 1898: „Am Dienstag ist der Grundkomplex, welcher für die Anlage des Stadtgartens erworben ist und in der Gegend des Marienhospitals liegt, von Herrn Stadtbaumeister Peter Wallraven vermessen und ausgepfählt.“ Damit war quasi der Grundstein gelegt worden.[4][6]
Der Schwanenteich wurde aus den alten Froschteichen im sumpfigen Uferbereich des nach Norden fließenden Bachlaufs der Vosskuhle gestaltet.[7] Der Weiher lud im Sommer zu einer Runde mit dem Ruderboot und im Winter zum Eislaufen ein. Dieser erste Teil wurde unter der Leitung des vorher genannten Stadtbaumeisters sowie des Stadtgärtners Friedrich Diebold angelegt und erfolgte durch 15 Arbeiter, Gärtner und Tagelöhner.[4][5][8]
In den folgenden Jahren bis 1901 entstand der erste Teil des Stadtgartens im Stil eines englischen Landschaftsgartens mit organisch geführten Wegen.[2]
Fertigstellung des Stadtgartens
In dem Verwaltungsbericht für das Rechnungsjahr 1900 (bis März 1901) heißt es: „Der Stadtgarten kann als fertig gestaltet betrachtet werden.“[9] Der Abschluss der Ausgestaltung des Gartens wurde im Verwaltungsbericht des Jahres 1901 für den 1. April bekannt gegeben.[10] Von einer besonderen Eröffnungsfeier ließ sich bisher kein Beleg finden.
Die nun fertige Grünanlage wurde gepriesen „... als die beste Gelegenheit zu wohltuender Bewegung und Erholung in Gottes freier Natur, was um so mehr anzuschlagen ist, als die hiesige eng bevölkerte Gegend an derartigen Erholungsstätten in der freiene Natur ausgesprochen arm ist.“[3] Dementsprechend sollten sie auch geschützt werden. Dies untermauert eine Polizeiverordnung. Darin heißt es 1901 klipp und klar: Innerhalb von 150 Metern von der Grenze des hiesigen Stadtgartens dürfen Fabriken, Werkstätten oder gewerbliche Anlagen nicht errichtet und dergleichen bestehende Anlagen nicht erweitert werden. Den Besuchern des Stadtgartens sollen, ganz amtlich formuliert, „Belästigungen durch die Verbreitung von Dünsten, großen Staubmengen und Lärm erspart bleiben.“[8]
Der Stadtgarten in der Anfangsphase
Bei der Fertigstellung betrug die Fläche des Stadtgartens „4 ha 40 a 16 qm“.[3] Zu den Attraktionen des Parks gehörten ein Kinderspielplatz und der Schwanenteich. In der Mitte lag die Schwaneninsel. Heute befindet sich an dieser Stelle die Liegewiese um die Fontänen. Im Winter diente die Eisfläche für den Eissport. So vermeldete die Wattenscheider Zeitung im Januar 1914: "Die Muskeln und Lungen sind dort reichlich gestärkt." Und das es eine erfreuliche Summe von 395 Mark für den Stadtsäckel an Eintrittsgeldern gab, allerdings „… lediglich in Nickelmünzen, also 3950 Nickel.“[11]
Für den Stadtgärtner wurde 1909 vom Bauunternehmer Franke auch ein Wohn- und Verwaltungsgebäude errichtet,[3] welches in veränderter Form noch heute steht.[4] Er wurde von zwei weiteren Gärtnern, fünf Arbeitern und fünf Frauen unterstützt, in den Sommermonaten durch Saisonkräfte ergänzt.[12]
Erweiterungen des Stadtgartens

Der Stadtgarten wurde seither kontinuierlich ausgebaut. 1919/20 kam ein Sport- und Turnplatz hinzu.[1]
Im Rahmen von Notstandsarbeiten erfolgte 1925 durch Erwerbslose eine Erweiterung um 5,83 Hektar. Dabei wurden ein 15 000 qm großer Gondelteich geschaffen sowie ein Erfrischungshaus und ein botanischer Garten mit Gewächshäusern angelegt. Dieser wurde von der Verwaltung als nützlich für die Schüler bezeichnet.[13] Die Pflasterung wurde von den lokalen Baufirmen Hobein und Olivier übernommen.[4] Nach der Erweiterung mache der Stadtgarten um 1925 die Hälfte der städtischen Grünfläche von 20,53 Hektar aus.[13]
Der Gondelteich erfreute sich großer Beliebtheit. Für die Zeit von 1928/1929 werden 12 300 Personen als Besucher angegeben. Davon waren 10 100 für den Kahnbetrieb, und 2 200 nutzten die Eisbahn für den Eissport. Diese wurde, wenn es der Winter zuließ, vom Gärtner, auf dem Teich angelegt.[14]
NS-Zeit und Weltkrieg

Im Jahr 1935 sind die Stadtgarten-Tore aus den Gründerjahren entfernt worden. Dies geschah wahrscheinlich im Rahmen der „Entgitterungsaktionen“. Eine große Hecke, die entlang der Parkstraße stand, wurde gerodet, um den Garten zur Stadt räumlich zu öffnen.[1] Von den Nationalsozialisten wurde die noch heute vorhandene Freilichtbühne als Thingstätte erbaut und am 4. Juli 1936 eingeweiht.[15][16]
Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg
Ein neues Vogelhaus wurde 1951 errichtet.[5] Die auf dem Stadtparkteich liegenden Kähne dienten als Gastronomie, sie wurden aber Ende der 1950er Jahre außer Dienst gestellt und abgewrackt.[7] Das Vogelgehege wurde 1978 um Außenvolieren erweitert.[1]
Im August 1998 richtete die Bezirksvertretung Wattenscheid eine Feierlichkeit zum 100-jährigen Bestehen des Stadtgarten aus,[17] in Bezug auf den Ankauf der Fläche oder das Ende der Vermessungsarbeiten (siehe oben).
Heutige Parkanlage
Heute ist die Freilichtbühne zusammen mit dem angegliederten Biergarten ein Veranstaltungsort für Konzerte, Theateraufführungen und Musicals für Kinder und Erwachsene, aber zum Beispiel auch für Veranstaltungen zu Fronleichnam oder St. Martin.
In der Anlage gibt es verschiedene besondere Einzelbäume, wie z. B. den Mammut-, den Trompeten- oder den Tulpenbaum.[1]
Sanierung des Geländes
2020 wurde von der Bezirksvertretung Wattenscheid eine Umgestaltung beschlossen. Als Erstes war dies der Kinderspielplatz „Phönixnest“ im Jahr 2021. Im März 2025 wurde nach einer zweijährigen Bauzeit der Stadtgarten wiedereröffnet. Die Sanierung umfasste im Wesentlichen eine Erneuerung des Spielplatzes und des Wegesystems; der Vogelpark wurde in einen Storchenerlebnispark umgebaut und neue Bäume wurden gepflanzt. Mit der Sanierung des Teiches dient dieser nun zur Aufnahme von Regenwasser aus der Nachbarschaft und als Rückhaltebecken. Die Investitionssumme war 4,78 Millionen Euro aus Mitteln der Europäischen Union, des Bundes und des Landes Nordrhein-Westfalen sowie Mittel der Stadt Bochum.[18]
2027 soll das Gelände in die Internationale Gartenbauausstellung einbezogen werden.[19]
Stadtgarten oder Stadtpark Wattenscheid?
Bis 1975 war Wattenscheid eine eigenständige Stadt, bevor Bochum und Wattenscheid im Rahmen der Gebietsreform von 1975 zusammengelegt wurden. Teilweise wurde der Stadtgarten früher auch als Stadtpark bezeichnet, sodass eine Umbenennung nach 1975 möglich wäre. Ähnliches gab es in Bochum mit dem heutigen Rechener Park, der früher als Südpark bezeichnet wurde, sich aber damit mit dem Südpark in Wattenscheid-Höntrop überschnitt. Allerdings wurde die Grünfläche im Rahmen der Volksgarten-Bewegung errichtet.
Bei den schriftlichen Quellen gibt es unterschiedliche Angaben. In den alten zeitgenössischen Verwaltungsberichten der Stadt Wattenscheid ist von Stadtgarten die Rede,[20][21] ebenso in der Zeitung.[3] Im Verwaltungsbericht von 1951–1953 wird die Grünfläche als Stadtpark bezeichnet.[22] In amtlichen Stadtplänen ist ebenfalls die Bezeichnung Stadtpark zu finden. In der Broschüre Wattenscheid, die alte Stadt am Hellweg sind dann beide Bezeichnungen verwendet.[23] Bei Postkarten gibt es ohnehin beide Varianten. Wie in vielen Fällen nahm man es wahrscheinlich in früheren Zeiten nicht so genau.
Siehe auch
Weblinks
- Blaue Line der Stadt Bochum (Archive.org)
- Website der Freilichtbühne mit Veranstaltungskalender
- Stadtgarten auf wat-bewegen.de
- Regional bedeutsamer Kulturlandschaftsbereich 303 Stadtgarten Wattenscheid (Bochum) bei LWL-GeodatenKultur des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe
Einzelnachweise
- ↑ a b c d e f Presseamt der Stadt Bochum: Stadtgarten Wattenscheid (23). Archiviert vom am 12. März 2015; abgerufen am 4. August 2025 (deutsch).
- ↑ a b Eröffnung des Wattenscheider Stadtgartens mit Storcherlebnispark. In: Stadt Bochum. Abgerufen am 4. August 2025.
- ↑ a b c d e f 10 Jahre Stadtgarten. In: Wattenscheider Zeitung. 29. Mai 1911 (zeitpunkt.nrw).
- ↑ a b c d e f Andreas Halwer: 100 Jahre Stadtgarten Wattenscheid. In: Heimat- und Bürgerverein Wattenscheid e.V. (Hrsg.): Der Wattenscheider. Heft 2, Juni 1998. Bochum Juni 1998, S. 4–6.
- ↑ a b c WAZ Wattenscheid, Grüne Lunge wird 100 Jahre, 7. März 1998
- ↑ Ruhr-Nachrichten Bochum, Ein Sommerfest zum Jubiläum, 15. August 1998
- ↑ a b Wolfgang Berke: Wattenscheid wie es gestern war: eine fotografische Reise von der Nachkriegszeit bis 1975 (= WAZ-Edition). 1. Auflage. Klartext, Essen 2014, ISBN 978-3-8375-1193-2.
- ↑ a b Martin Bröde: Stadtgarten Wattenscheid: Seit über 100 Jahren Erholungsort. Hrsg.: WAZ Wattenscheid. 29. September 2021.
- ↑ Bericht des Rechnungsjahres 1900, S. 19, VÖ Dezember 1901
- ↑ WAZ Wattenscheid, Grüne Lunge wird 100 Jahre, 7. März 1998
- ↑ Neue Einnahmequelle für den Stadtsäckel. In: Wattenscheider Zeitung. Wattenscheid 29. Januar 1914 (zeitpunkt.nrw).
- ↑ Verwaltungsbericht Wattenscheid 1913–1925, S. 92
- ↑ a b Verwaltungsbericht Wattenscheid 1913–1925, S. 92, 93
- ↑ Verwaltungsbericht Wattenscheid 1928–1929, S. 44
- ↑ Chronica Wattenschedensis - Abschrift von Texttafeln des ehemaligen Wattenscheider Archives.
- ↑ Feierliche Einweihung des neuen Wattenscheider Festspielplatzes. In: Bochumer Anzeiger. 6. Juli 1936 (zeitpunkt.nrw).
- ↑ Bochumer Themen 1998
- ↑ Eröffnung des Wattenscheider Stadtgartens mit Storcherlebnispark. Stadt Bochum, abgerufen am 4. September 2025.
- ↑ Gestalterische und funktionale Aufwertung des Stadtgartens in Bochum-Wattenscheid auf brosk.de, abgerufen am 25. Januar 2023.
- ↑ Verwaltungsbericht Wattenscheid 1913–1925, S. 92
- ↑ Verwaltungsbericht Wattenscheid 1928–1929, S. 44
- ↑ Verwaltungsbericht Wattenscheid 1951–1953, S. 81
- ↑ Stadt Wattenscheid, Wirtschafts- und Verkehrsförderung (Hrsg.): Wattenscheid, die alte Stadt am Hellweg. August 1960, S. 2, 4, 16, 18 (Scan der Broschüre).
Koordinaten: 51° 29′ 10″ N, 7° 8′ 32″ O