Zwangsverhütung in Grönland
Spiralen-Skandal (auch Spiralenskandal) bezeichnet ein von den Gesundheitsbehörden Dänemarks in den 1960er bis 1990er Jahren durchgeführtes Programm, in dessen Rahmen Tausenden grönländischen Mädchen und Frauen ohne deren Zustimmung Spiralen zur Empfängnisverhütung eingesetzt wurden.[1][2][3][4]
Die verwendeten Spiralen waren größer als die modernen und nicht für Frauen gedacht, die noch kein Kind geboren hatten, wurden aber auch bei kinderlosen Frauen und Mädchen angewandt. Mangels Information wurden die Spiralen auch nicht rechtzeitig wieder entfernt. Bei manchen Frauen führte die Maßnahme zu dauerhafter Unfruchtbarkeit.[5][6]
Hintergrund und Aufarbeitung
Das Programm begann in den 1960er Jahren, als Grönland noch keine Autonomie gegenüber Dänemark hatte (vgl. auch Kolonialismus).[1] Das Programm hatte das Ziel, das Bevölkerungswachstum in Grönland zu mindern.[2] Betroffen waren unter anderem zwölfjährige Mädchen, die ebenso wie ihre Eltern oft nicht über die Empfängnisverhütung informiert wurden oder keine Zustimmung gaben.[3][4]
Als Folge der Spiralkampagne halbierte sich binnen sieben Jahren die Geburtenrate in Grönland. In manchen Teilen der Insel wurde zehn Jahre lang kein Kind geboren. 1985 sprach Dänemarks Grönlandminister Tom Høyem über die vermeintlich positiven Effekte der Eingriffe. 1970 hatte Grönlandminister Arnold Christian Normann vor dem dänischen Parlament das Stagnieren der Geburtenrate durch den Einsatz von Spiralen und die dadurch erzielten Einsparungen für die Finanzierung von Kindergärten und Schulen in Grönland gelobt. Schließlich gehe es ja um dänische Kronen und Öre, betonte er.[7][8]
Erst Jahrzehnte später wurde das Ausmaß des Programms öffentlich bekannt, unter anderem durch die grönländische Psychologin Naja Lyberth, die 2017 erstmals ihre eigene Geschichte in sozialen Medien veröffentlichte.[4] Ihre Initiative führte zu einer breiten öffentlichen Debatte über koloniale Praktiken und reproduktive Rechte.
Im Jahr 2023 kündigten die Regierungen von Dänemark und Grönland eine offizielle Untersuchung an, um die Vorgänge und Verantwortlichkeiten des Programms aufzuarbeiten.[1][2]
Im August 2025 entschuldigte sich die dänische Ministerpräsidentin Mette Frederiksen für die Geschehnisse:
„Im Namen Dänemarks möchte ich mich bei den Frauen, die ungerecht behandelt und systematisch diskriminiert wurden, entschuldigen. Dieser Fall ist eine offene Wunde in der grönländischen Gesellschaft. Ich und die dänische Regierung verstehen das, und ich bin froh, dass wir uns jetzt entschuldigen.“[9]
Folgen
Der Skandal wird heute als Teil eines größeren Musters kolonialer Kontrolle über die grönländische Bevölkerung gesehen und ist zentraler Bestandteil aktueller Diskussionen über Zwangsverhütung, Zwangssterilisation, Kolonialismus, und reproduktive Gesundheit.[4]
Siehe auch
Einzelnachweise
- ↑ a b c Grönland und Dänemark: Wie Skandale die Beziehung belasten. In: Deutsche Welle. 29. Januar 2025, abgerufen am 24. August 2025.
- ↑ a b c Linda Koponen: Dänemark liess Frauen in Grönland Spiralen einsetzen - Wieso? In: Neue Zürcher Zeitung. 18. März 2024, ISSN 0376-6829 (nzz.ch [abgerufen am 24. August 2025]).
- ↑ a b Mit 13 wurde Naja Lyberth eine Spirale eingesetzt. Sie wollte das nicht, Dänemark aber schon. In: tagesanzeiger.ch. 18. November 2024, abgerufen am 24. August 2025.
- ↑ a b c d Alex Rühle: Wir waren noch Kinder. In: sueddeutsche.de. 28. Oktober 2024, abgerufen am 24. August 2025.
- ↑ Der Standard, 11. November 2022, Grönland: Geschichte der Zwangsverhütung mit Spiralen soll aufgearbeitet werden
- ↑ TAZ 26. Oktober 2023, Zwangssterilisationen in Grönland - Als wären Messer in mir drin
- ↑ Der Standard, 11. November 2022, Grönland: Geschichte der Zwangsverhütung mit Spiralen soll aufgearbeitet werden
- ↑ TAZ 26. Oktober 2023, Zwangssterilisationen in Grönland - Als wären Messer in mir drin
- ↑ Sofie Donges: Dänemark bittet Grönländerinnen um Entschuldigung. In: Tagesschau.de. 27. August 2025, abgerufen am 28. August 2025.