Spektralzerlegung (Mathematik)

Die Spektralzerlegung oder spektrale Zerlegung ist in der linearen Algebra die Zerlegung einer quadratischen Matrix in eine Normalform, bei der die Matrix durch ihre Eigenwerte und Eigenvektoren dargestellt wird. Das gelingt genau dann, wenn die Matrix diagonalisierbar ist.[1]:60[2] Grundlage für die Spektralzerlegung ist der Spektralsatz, unter dessen Bedingungen die Schur-Zerlegung die gegebene Matrix in eine Diagonalmatrix transformiert. Die Spektralzerlegung ist die Darstellung der Rücktransformation als Summe von Dyaden.

Gelegentlich wird

  • das Auffinden der Eigenwerte und Eigenvektoren einer Matrix oder
  • die Darstellung mit unitärer Matrix und ihrer adjungierten

Spektralzerlegung von genannt. Die Diagonalmatrix mit den Eigenwerten einer -Matrix

ist die sogenannte Spektralmatrix, die das Spektrum der Matrix enthält.[3]:252

Der Wert der dyadischen Zerlegung besteht vor allem in der strikten Trennung von Geometrie (dem Vektorgerüst) und dem Eigenwertspektrum.[3]:275 Die Spektralzerlegung eines Matrizenpaares ist in der Modalanalyse von zentraler Bedeutung.

Definition

Die Zerlegung einer quadratischen -Matrix über der Grundmenge in der Form

ist die Spektralzerlegung von , wenn gilt:[1]:60

  1. Die sind die paarweise verschiedenen Eigenwerte von .
  2. Die sind Projektoren (-Matrizen) mit den Eigenschaften
    • für und für , wobei die -Nullmatrix ist, und
    • , wobei die -Einheitsmatrix ist.
  3. Es gibt Polynome mit .

Eine solche Zerlegung existiert genau dann, wenn eine diagonalisierbare Matrix ist. Die Matrizen werden Eigendyaden oder Stützdyaden genannt.[3]:274

Die Spektralzerlegung eines -Matrizenpaares regulär, lautet[3]:274

mit den Merkmalen:

  1. Die sind die Eigenwerte des Matrizenpaares , sie erfüllen
  2. Die -Matrizen genügen den Bedingungen
    • für und
    • für .

Kriterien für Diagonalisierbarkeit

Eine quadratische -dimensionale Matrix heißt unitär diagonalisierbar oder diagonalähnlich, wenn

  • sie eine normale Matrix ist, deren Eigenwerte Elemente ihrer Grundmenge sind, oder
  • es eine Diagonalmatrix gibt, zu der sie ähnlich ist, d. h. dass es eine reguläre Matrix gibt, sodass eine Diagonalmatrix ist,[4]:344 oder
  • sie linear unabhängige Eigenvektoren besitzt,[4]:344 oder
  • die algebraische und geometrische Vielfachheit für jeden Eigenwert von übereinstimmen.[4]:344

Allgemein gilt:

Ein reelles -Matrizenpaar ist diagonalähnlich, wenn[3]:270ff

  • es verschiedene Eigenwerte besitzt oder
  • es linear unabhängige Links- und Rechtseigenvektoren besitzt oder
  • für jeden der verschiedenen Eigenwerte der Rangabfall (Defekt) gleich der algebraischen Vielfachheit ist.

Diagonalähnliche Matrix

Wegen ihrer Bedeutung in der Praxis[3]:285, beschränkt sich die Darstellung auf reelle symmetrische Matrizen, die immer spektral zerlegt werden können. Des Weiteren wird der -dimensionale Raum benutzt, in dem sich Summen, angezeigt durch , immer über erstrecken.

Eigenwertproblem

Ausgangspunkt ist das Eigenwertproblem einer Matrix

mit nicht-trivialen, vom Nullvektor verschiedenen Lösungen . Der Skalar ist Eigenwert der Matrix , wenn es wenigstens einen solchen Vektor gibt.[4]:338 Die Vektoren , die der Bedingung ersprechen, sind die zu gehörenden Eigenvektoren der Matrix . Mit ist auch jedes Vielfache von Eigenvektor, weswegen sie oft, aber nicht notwendigerweise, auf Länge eins normiert werden. Mit der Einheitsmatrix kann das Eigenwertproblem

geschrieben werden. Damit nicht-triviale Lösungen des Eigenwertproblems existieren, muss die Matrix in den Klammern singulär sein:

Die Nullstellen des charakteristischen Polynoms sind die Eigenwerte, deren Gesamtheit das Spektrum und dessen betraglich größtes Element den Spektralradius der Matrix bilden.

Diagonalisierbarkeit einer reellen symmetrischen Matrix

Der Spektralsatz besagt, dass genau dann diagonalisiert werden kann, wenn

  • sie eine normale Matrix ist, sie also mit ihrer transponierten kommutiert , und
  • alle Eigenwerte zur Grundmenge gehören, hier reell sind.

Reelle symmetrische Matrizen sind normal (wegen ist ) und besitzen ausschließlich reelle Eigenwerte.[4]:345 Denn mit einem komplexen Eigenvektor und seinem konjugiert komplex transponierten ist zunächst

mit dem Betragsquadrat . Bei einer Zahl, aufgefasst als -Matrix, richtet die Transposition nichts aus, weshalb

Der Überstrich bezeichnet den konjugiert komplexen Wert. Es ist also , reell und erwiesen, dass jede reelle symmetrische Matrix diagonalisierbar ist.

Ferner gilt:

Orthogonalität der Eigenvektoren

Die zu verschiedenen Eigenwerten gehörenden Eigenvektoren sind orthogonal zueinander, denn bei zwei Eigenwert-Eigenvektor-Paaren und ist bei symmetrischer Matrix

was bei die Orthogonalität erzwingt.

Bei gleichen Eigenwerten gilt das nicht, sondern vielmehr, weil die geometrische Vielfachheit der algebraischen entspricht, dass die zu einem -fachen Eigenwert gehörenden Eigenvektoren einen -dimensionalen Unterraum bilden, den Eigenraum von . Bei einem doppelten Eigenwert erschaffen alle zu ihm gehörenden Eigenvektoren beispielsweise eine zweidimensionale (Hyper-) Ebene. Für die spektrale Zerlegung ist jede Orthonormalbasis des Eigenraums gleich geeignet.

Jedenfalls gibt es paarweise orthogonale Eigenvektoren diese werden auf Länge eins normiert und bilden so eine Orthonormalbasis des . Die Basisvektoren werden mit der Standardbasis spaltenweise in eine Matrix einsortiert:

Für gilt dann nach Konstruktion

  1. , d. h. ist eine orthogonale Matrix und
  2. oder , wo die diagonale #Spektralmatrix ist.

Spektralzerlegung der Matrix

Bei einer reellen symmetrischen Matrix gibt es eine orthogonale Matrix , sodass Diagonalgestalt besitzt.[4]:345 Die #Spektralmatrix lässt sich mit der Standardbasis als Summe ausdrücken:

Die Rücktransformation schreibt sich mit den Spaltenvektoren der Matrix und den Eigendyaden

als Summe

Das ist die spektrale Zerlegung der Matrix .

Die Eigendyaden genügen den Bedingungen in der #Definition:

,    wenn    ,
,    wenn    .

mit der Nullmatrix und der Einheitsmatrix .

Anwendungen der Spektralzerlegung

Inverse einer Matrix

Mit der spektralen Zerlegung einer reellen Matrix kann die inverse Matrix sofort angegeben werden, sofern sie existiert. Das ist genau dann der Fall, wenn die Determinante, die das Produkt der Eigenwerte der Matrix ist, nicht null ist, also kein Eigenwert gleich null ist. Die Inverse hat die reziproken Eigenwerte und die gleichen Eigenvektoren wie die Matrix selbst. Mit der spektralen Zerlegung schreibt sich die Inverse als

Funktionswert einer Matrix

Für eine skalarwertige Funktion eines skalaren Arguments kann der Funktionswert einer diagonalisierbaren Matrix mit Hilfe ihrer Spektralzerlegung definiert werden:

Ist eine mehrdeutige Funktion, wie die Wurzel, mit alternativen Werten, dann steht mehrdeutig für alternative Matrizen. Die nullte Potenz der Matrix ergibt sich beispielsweise aus zur Einheitsmatrix :

Bei einer Potenzreihe einer Matrix ist die spektrale Zerlegung nützlich. Soll

mit konstanten Koeffizienten berechnet werden, kann das mit dem Polynom

und obiger Definition des Funktionswerts einer diagonalisierbaren Matrix vermöge

abgekürzt werden. Die Berechnung von -ten Potenzen der -Matrix ist somit zurückgeführt auf eine Spektralzerlegung und die Berechnung von -ten Potenzen von Skalaren.

Modalanalyse

Die mechanische Beschreibung eines ungedämpften schwingfähigen Systems, z. B. eines Masse-Feder-Systems, führt auf eine Schwingungsgleichung der Form

Darin ist M die positiv definite Massenmatrix, die Steifigkeitsmatrix, beide symmetrisch und reell, der Verschiebungsvektor und der Beschleunigungsvektor, der die zweite Zeitableitung von ist, angezeigt durch die Überpunkte. Die rechte Seite repräsentiert die Anregung des Systems, auf die es mitunter katastrophal reagiert, wenn bei einer bestimmten Frequenz, der Resonanzfrequenz, dauerhaft

der Nullvektor ist. In der Nähe der Resonanzfrequenzen, die entsprechend von großem Interesse sind, wird die Schwingung von einer Eigenschwingungsform dominiert, wo in guter Näherung mit konstantem , der Eigenfrequenz und der Zeit ist. Mit dem Eigenwert entsteht das verallgemeinerte Eigenwertproblem

des Matrizenpaares .[3]:246ff

Diagonalähnliches Matrizenpaar

Wegen ihrer Bedeutung in der Praxis[3]:285, beschränkt sich die Darstellung auf reelle Matrizen. Des Weiteren wird der -dimensionale Raum benutzt, weswegen sich Summen, angezeigt durch , immer über erstrecken.

Verallgemeinertes Eigenwertproblem

Ausgangspunkt des verallgemeinerten Eigenwertproblems des Matrizenpaares [3]:246ff ist

mit nicht-trivialen, vom Nullvektor verschiedenen Lösungen . Der Skalar ist Eigenwert des Matrizenpaares , wenn es wenigstens einen solchen Vektor gibt. Die Vektoren , die die Bedingung erfüllen, sind die zu gehörenden Rechtseigenvektoren. Die Linkseigenvektoren genügen

Damit nicht-triviale Lösungen des Eigenwertproblems existieren, muss die Matrix in den Klammern singulär sein:

Die Nullstellen des charakteristischen Polynoms sind die Eigenwerte des Matrizenpaares .

Wenn die Leitmatrix singulär ist, dann gibt es weniger als Eigenwerte, unter Umständen auch gar keinen. Beim Skalarpaar ist und -facher Eigenwert.[3]:251 Hier wird von regulärer Leitmatrix ausgegangen.

Mit den Links- und Rechtseigenvektoren bzw. lässt sich das Eigenwertproblem auch so schreiben:[3]:251

Zu verschiedenen Eigenwerten gehörende Links- und Rechtseigenvektoren sind bezüglich und orthogonal zueinander[3]:253. Denn wird das Eigenwertproblem zu zwei Eigenwert-Eigenvektor-Paaren

und

von links und rechts mit den gegnerischen Links- bzw. Rechtseigenvektoren multipliziert, entsteht

und

Bei sind alle Terme notwendig null, mit der Konsequenz

und damit auch

, wenn

Zudem gilt:[3]:265

  • Ist ein Eigenwert komplex, dann ist auch sein konjugiert komplexer Wert Eigenwert, und dieser hat die zu den Eigenvektoren von konjugiert komplexen Eigenvektoren.
  • Der reale und der imaginäre Anteil eines Eigenvektors sind voneinander linear unabhängig (nicht parallel).

Diagonalisierung des Matrizenpaares

Wenn eine reguläre Matrix ist, werden die Eigenwerte mit der Standardbasis zur #Spektralmatrix

zusammengefasst. Sind zudem alle Eigenwerte verschieden, dann gibt es zu jedem von ihnen einen Links- und einen Rechtseigenvektor. Die Linkseigenvektoren werden zeilenweise und die Rechtseigenvektoren spaltenweise in reguläre[3]:269 Modalmatrizen

bzw.

eingelagert. Wegen der paarweisen Orthogonalität der Links- und Rechtseigenvektoren bezüglich und liefern die Produkte

Diagonalmatrizen. Weil , und regulär sind, ist es auch , und dann können die Linkseigenvektoren so skaliert werden, dass zu einer Einheitsmatrix wird. Das leistet z. B. selbst:[3]:269

mit

Das Matrizenpaar ist somit diagonalähnlich.

Bei mehrfachen Eigenwerten sind und keine strikten Diagonalmatrizen mehr, sondern Blockdiagonalmatrizen, wo sich jeder Block auf einen Eigenwert bezieht und die Dimension seines Eigenraumes die Blockgröße bestimmt. Die zu verschiedenen Eigenwerten gehörenden Außenblöcke in und sind wegen der Orthogonalität der Links- und Rechtseigenvektoren bezüglich und Nullmatrizen.

In der Praxis interessieren zumeist allein die Rechtseigenvektoren[3]:271 und dann kann, wenn die algebraische und geometrische Vielfachheit bei jedem Eigenwert übereinstimmen, wie folgt fortgefahren werden. Die zu einem Eigenwert gehörenden Linkseigenvektoren werden zu einem -Eigenstreifen zusammengefasst und mit dem zugehörigen -Block der Matrix normiert: . Diese Eigenstreifen werden zur Linksmodalmatrix

zusammengestellt, mit der die Transformation auf das strikte Diagonalpaar

und

gelingt,[3]:272 siehe auch das #Beispiel. Für die normierten Linkseigenvektoren in den Zeilen der Linksmodalmatrix bedeutet das:

   und       

und die #Orthogonalität der Links- und Rechtseigenvektoren bezüglich und besteht auch hier:

= 0    falls    .

Spektralzerlegung des Matrizenpaars

Die Identität besagt auch, dass die inverse Matrix von und die Inverse von ist, und, weil eine Matrix und ihre Inverse kommutieren, ist auch , mit der Konsequenz:[3]:273ff

Mit den Eigendyaden

entsteht die Spektralzerlegung der Leitmatrix

Multiplikation der Gleichung von links mit und von rechts mit liefert die Spektralzerlegung von :

Die Eigendyaden erfüllen die Orthogonalitätsbedingungen[3]:274

und für , (dabei ist der Nullvektor und die Nullmatrix)

sowie die Gegenstücke

für

Beispiel

Vorgelegt sind die Matrizen[3]:253

 und 

Die charakteristische Gleichung

hat die doppelte Nullstelle und die einfache . Die Eigenvektoren zum ersten Eigenwert sind nicht-triviale Lösungen von mit

Ihre Bestimmung erfolgt mit dem Generalschema einer Äquivalenztransformation. Dazu werden Einheitsmatrizen und die Matrix in einer Hypermatrix angeordnet

  
  

wo die Nullmatrix ist und im Folgenden nicht mehr aufgeführt wird. Nacheinander werden in den Matrizen und simultan Zeilen

  • mit einer Zahl multipliziert,
  • mit einer anderen Zeile vertauscht oder
  • mit einer Zahl multipliziert zu einer anderen Zeile addiert.

Entsprechend darf mit den Spalten der Matrizen und verfahren werden. Daraus wird

     
  

mit der Eigenschaft . Die Linkseigenvektoren von zum Eigenwert null gehören zu Nullzeilen von und stehen links daneben zeilenweise in und enthält die Rechtseigenvektoren spaltenweise, und die gehören zu aus Nullen bestehende Spalten von , siehe Äquivalenztransformation#Eigenspalten und Eigenzeilen einer singulären Matrix.

Hier entsteht aus   
 1  1 2  -3 
 1  3 6 -9
 1   5   10   -15 
1
1
1
, dem Zwi­schen­schritt 
1  0   0   1   2   -3 
 -3  1 0 0 0 0
-5 0 1 0 0 0
1
1
1

das Endergebnis

1 0 0 1 0 0
 -3   1   0  0 0 0
-5 0 1 0 0 0
 1   -2   3 
  0 1 0
0 0 1

Die gelb unterlegten Nullzeilen in weisen auf die Linkseigenvektoren

in den Zeilen von und die zugehörigen ebenfalls gelb unterlegten Rechtseigenvektoren finden sich unter den Nullspalten von spaltenweise in :

Den Links- und Rechtseigenvektor zum Eigenwert 5 bekommt man aus


dem Start­punkt   
 1  -7  2 -3
 1  3  -2  -1
-3 -6  -15 
1
1
1
  und dem End­er­geb­nis    
1 0 0  -7  2 0
0 1 0 3  -2  0
 -3   -6   1  0 0 0
1 0  -1 
  0 1 -2
0 0 1

Die Eigenvektoren finden sich in der gelb unterlegten dritten Zeile und sechsten Spalte der Hypermatrix:

und .

Damit hat man die Modalmatrizen

Das Produkt

ist eine Blockdiagonalmatrix. Hier bedeutet die Invertierung von N keinen wesentlichen Mehraufwand gegenüber der getrennten Invertierung jedes ihrer Diagonalblöcke und die Normierung der Linkseigenvektoren kann in einem Schritt erfolgen:

Mit dieser Linksmodalmatrix werden und diagonalisiert:

und

Die Eigendyaden sind ausgeschrieben

und geben die spektralen Zerlegungen

Literatur

  1. a b Guido Walz (Hrsg.): Lexikon der Mathematik. 2. Auflage. Band 5 (Sed bis Zyl). Springer Spektrum Verlag, Mannheim 2017, ISBN 978-3-662-53505-9, doi:10.1007/978-3-662-53506-6.
  2. Spektralzerlegung einer Matrix. In: Lexikon der Mathematik. Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg 2017 (spektrum.de).
  3. a b c d e f g h i j k l m n o p q r s t R. Zurmühl, S. Falk: Matrizen und ihre Anwendungen 1. Grundlagen, Für Ingenieure, Physiker und Angewandte Mathematiker. Springer, Berlin u. a. 1997, ISBN 3-540-61436-2.
  4. a b c d e f g h i G. Bärwolf: Höhere Mathematik für Naturwissenschaftler und Ingenieure. 3. Auflage. Springer Spektrum, 2017, ISBN 978-3-662-55021-2, doi:10.1007/978-3-662-55022-9.