Sophienclub
Der Sophienclub (kurz: [Die] Sophie) war ein Jugendklub in den Hackeschen Höfen im Berliner Ortsteil Mitte des gleichnamigen Bezirks. Er wurde im Herbst 1985 eröffnet. Der „Party-Club mit DDR-Tradition“[1] war in mehreren Berlin-Reiseführern verzeichnet.[2][3] Die Berliner Morgenpost zählte ihn zu den Club-Klassikern Berlins.[4]
Die Sophie galt als einer der ältesten Clubs der Hauptstadt[5][6] und war „eine der wenigen entspannten Locations in Mitte“.[7]
Geschichte
Ab Ende der 1950er Jahre befand sich im Keller des alten Friedrichstadt-Palast die Tanzgaststätte Kleine Melodie, ausgelegt für bis zu 340 Gäste. Dort traten zahlreiche Jazz-Ensembles auf. Der alte Friedrichstadtpalast wurde am 29. Februar 1980 wegen starker Setzungen der verfaulten Fundamentpfeiler im Boden geschlossen.
Die Jazz-Szene fand in unmittelbarer Nähe im neu eröffneten Club Krausnickstraße / Ecke Oranienburger Straße ein Zuhause. Der Club wurde 1981 geschlossen, da der Leiter nach West-Berlin ausgereist war. Inoffizieller Nachfolger wurde der neueröffnete Jugendklub Wilhelm-Pieck-Straße 153 (kurz: Pieck-Klub) in der heutigen Torstraße. Nach dessen Schließung/ Umstrukturierung 1985 wurde der Sophienclub in der Sophienstraße 6 in den Hackeschen Höfen dessen Nachfolger.
Der Club wurde am 1. Juni 1985 eröffnet. Zuvor befand sich in den Räumlichkeiten der Außenhandelsclub der DDR mit einer Kegelbahn im Keller.[8] Der Jugendclub war die einzige Kultureinrichtung in den Hackeschen Höfen,[9] etablierte sich schnell und setzte DDR-weit Maßstäbe als Diskothek und Veranstalter von Jazz- und Rockkonzerten.[10] Er wurde zum Treffpunkt für die Nachtszene und für Musiker auch jenseits der Ost-Berliner Grenzen.[11] Die Sophie war „eine wichtige Adresse im Rahmen künstlerischer Produktion jenseits des politischen Diktats“.[10][12]
Als neunter Jugendklub im damaligen Ost-Berliner Stadtbezirk Mitte wurden die Räumlichkeiten 1985 vom Kreiskulturhaus Mitte übernommen. Verwaltung, Finanzierung und kulturpolitische Ziele wurden im Auftrag der Ziele staatlicher Jugendpolitik umgesetzt. Der erste Leiter der Einrichtung war Jochen Lenhard. Vorher hatte er ein Jahr im nahegelegenen Pieck-Klub als stellvertretender Leiter gearbeitet.
Das Programm wurde im Wesentlichen vom Pieck-Klub übernommen, da dieser Ende 1985 eine „kulturpolitische Reinigung“ erlebte. Die Jazzwerkstatt Conny Bauer & Gäste, Gitarrenspecial Uwe Kropinski & Gast sowie die freitägliche Jazz- und Indie-Diskothek mit DJ Peter Resmann, Peter Thinius oder Ulf Drechsel wurden vom Pieck-Club übernommen. Bis März 1987 war Lenhard der alleinige Festangestellte. Er kündigte das Arbeitsverhältnis, daraufhin war der Sophienclub bis September 1987 geschlossen. Der nächste Leiter wurde Steffen Fuchs.
Ab 1991 wurde der Sophienclub unter Mitwirkung der Kultursenatsverwaltung schrittweise als erste bezirkseigene Kultureinrichtung in private Trägerschaft überführt. Seit 1993 wurde die Diskothek von der Sophienclub Veranstaltungs GmbH mit zwei Gesellschaftern betrieben, von denen einer im Februar 2000 ausschied.[8] Der Charakter des Ostclubs blieb zunächst weitgehend erhalten[13][14] und kombinierte „den Lifestyle der partyhungrigen Szene mit der altgewohnten Clubatmosphäre“.[10]
Getanzt wurde auf zwei Ebenen, die unabhängig voneinander genutzt werden konnten.[15] Eine Erweiterung des Clubs durch einen Umzug in die Tiefgarage unter dem ersten Hackeschen Hof scheiterte am Kneipen-Plan für die Spandauer Vorstadt, mit dem der Bezirk die Wohnbevölkerung vor negativen Auswirkungen von Schankwirtschaften und Vergnügungsstätten schützen wollte.[16]
Der Sophienclub musste Anfang 2016 schließen.[17]
Literatur
- Anja Dau: Sophie aus der Asche – Der Sophienclub, in: Blickpunkt Hackesche Höfe: Spaziergang durch eine kleine Stadt, Fotografien von Stephan Erfurt und Texte von Rainer Blankenburg, Jaron Verlag, Berlin 1997, ISBN 3-932202-20-1, S. 28 f.
- Tiziana Romelli: Ein Spaziergang durch die Hackeschen Höfe: ethnographische Erkundungen eines neuen urbanen Ortes, Berliner ethnographische Studien Bd. 1, Lit Verlag, Münster 2002, ISBN 3-8258-5266-0.
- Peter Schubert: Die Hackeschen Höfe: Geschichte und Geschichten einer Lebenswelt in der Mitte Berlins, Gesellschaft Hackesche Höfe, Argon Verlag, Berlin 1993, ISBN 978-3-87024-254-1.
Weblinks
- Homepage des Sophienclubs
- Sophienclub, Webseite der Hackeschen Höfe
Einzelnachweise
- ↑ Isolde Bacher, Rainer Eisenschmid: Berlin. Potsdam, Baedeker-Reiseführer, Ostfildern 2005, ISBN 3-8297-1054-2, S. 77
- ↑ Renée LaTulippe (Hrsg.): Party Earth Europe, PartyEarth LLC 2010, ISBN 0-9761120-7-8, S. 181
- ↑ Jack Holland, John Gawthrop: The mini rough guide to Berlin, Rough Guides, 6. Aufl., London 2001, ISBN 1-85828-682-4, S. 280 f.
- ↑ Das sind Berlins Club-Klassiker. In: Berliner Morgenpost. 23. April 2010, abgerufen am 8. August 2023.
- ↑ Sophienclub, Berlin. ( des vom 28. August 2012 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. In: Prinz Berlin
- ↑ Tanzen durch die Jahrzehnte – Der Sophienclub, Berlinportal in-berlin-brandenburg.com
- ↑ Clubs von A–Z: Sophienclub. ( des vom 25. Juni 2013 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. In: tip Berlin
- ↑ a b Sophienclub, Webseite der Hackeschen Höfe
- ↑ Uwe Aulich: Die Hackeschen Höfe werden 100 Jahre alt. Der Mix macht’s. ( des vom 7. März 2014 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. In: Berliner Zeitung, 22. September 2006
- ↑ a b c Tiziana Romelli: Ein Spaziergang durch die Hackeschen Höfe: ethnographische Erkundungen eines neuen urbanen Ortes, Münster 2002; S. 63 f.; Vorschau Google-Books
- ↑ Gunnar Leue: Westmusiker spielten gern im Osten: Das Sehnsuchtserlebnis Ost-Konzert. In: Berliner Zeitung, 3. Juli 2010
- ↑ „Kurz vor der politischen Wende wurde im Vorderhaus an der Sophienstraße mit dem Sophienclub ein Veranstaltungsort für Jazzmusik eröffnet. Es handelte sich dabei um eine für DDR-Verhältnisse fast subversive Maßnahme, die sich allerdings stimulierend auf die spätere kulturelle Nutzung der Höfe auswirken sollte.“ Ernst Siebel: Niedergang der Höfe, Webseite der Hackeschen Höfe
- ↑ Susanne Frömel: Ein Besuch im Sophien-Club ist eine Reise in die eigene Vergangenheit. In: Berliner Zeitung, 2. Oktober 2000
- ↑ 5. Berliner Clubnacht: Die Szene tanzt und feiert bis zum frühen Morgen. In: Die Welt, 15. September 2003
- ↑ „Bis zur bitteren Neige harren wir schließlich aus im Sophienclub, Nr. 6, wo auf mehreren Etagen exzessiv geschwoft werden kann […]“ In: Ria Den Breejen: Berlin für Frauen, Elster, 1997, ISBN 3-89151-244-9, S. 76.
- ↑ Bezirk erlaubt nur Kneipen mit maximal 50 Plätzen: Der Sophienclub darf nicht in die Tiefgarage. In: Berliner Zeitung, 27. März 2013.
- ↑ Sophienclub ( des vom 4. Juli 2016 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis., abgerufen am 23. Mai 2016