Soca (Musikrichtung)
Soca ist eine Musikrichtung, die Anfang der 1970er-Jahre in Trinidad und Tobago aus dem Calypso und Einflüssen aus der traditionellen Musik der Indo-Trinidadier entstanden ist.
Begriff
In der allgemeinen Wahrnehmung setzt sich der Begriff „Soca“ zusammen aus den ersten beiden Buchstaben der Genrenamen „Soul“ und „Calypso“.[1] Seltener wird eine Zusammensetzung aus der letzten und ersten Silbe des Wortes „Calypso“ angegeben.[2] Der „Erfinder“ des Begriffs, der Calypsonian und spätere Soca-Star Lord Shorty, verwendete ursprünglich eine andere Bedeutung und Schreibweise (siehe Abschnitt „Geschichte“), die aber rasch verloren ging.
Charakteristika
Soca zeichnet sich im Vergleich zu Calypso durch ein höheres Tempo und stärkere Betonung der perkussiven Elemente aus. Der Beat ist schnell und tanzbar, und die Texte handeln für gewöhnlich die Themen Party und Geschlechterverhältnis ab.[2] Der Bass ist funkig und gebrochen, oft kommen Bläser zum Einsatz. Das Schlagzeug wird durch Perkussion ergänzt. Soca-Lieder werden unter Zuhilfenahme von Technik im Studio erzeugt und sind live nur schwer aufführbar.
Geschichte
Der aus dem ländlichen Südwesttrinidad stammende Garfield Blackman war seit 1961 unter dem Künstlernamen Lord Shorty als Calypsonian tätig. Dabei trat er auch als Songschreiber und Produzent für andere Künstler in Erscheinung. Shorty hielt Calypso für ein im Niedergang begriffenes Genre und beschäftigte sich, inspiriert durch entsprechende Versuche des Calypsonians Mighty Sparrow, mit musikalischen Modernisierungsmöglichkeiten.[3] In den frühen 1970er-Jahren experimentierte er mit dem Einbringen von Elementen indischer Musik bzw. von Chutney-Elementen, insbesondere perkussiven Elementen, in Calypso-Musik. Chutney war fünf Jahre zuvor durch Sundar Popo in Trinidad populär geworden, und Shorty war in Barrackpore inmitten einer deutlichen indo-trinidadischen Bevölkerungsmehrheit aufgewachsen und war deren musikalischen Vorlieben gewöhnt. Nach Anfeindungen in der Presse wechselte er von indischstämmigen Perkussionsinstrumenten zurück zu westlichen, behielt aber die Chutney-Rhythmik bei.[4]
Der 1973 von Shorty veröffentlichte Titel Indrani gilt als erster Soca-Titel, das 1974 folgende Album Endless Vibrations als erstes Soca-Album. Shorty selbst kreierte für seinen Musikstil einen Namen: „Sokah“, laut Shorty eine Zusammensetzung aus der letzten Silbe des Wortes „Calypso“ und dem ersten Buchstaben des indischen Alphabets.[5][Anmerkungen 1] 1975 berichtete ein Journalist über Lord Shorty und verwendete dabei die Schreibweise „Soca“.[4] Shorty intervenierte nicht, und die neue Schreibweise etablierte sich.
1976 wagte sich der mit Lord Shorty eng befreundete Calypsonian Cecil „Maestro“ Hume mit dem Titel Savage in das neue Genre vor. Der Durchbruch kam 1977, als die Calypsonian Calypso Rose mit dem Soca-Titel Give Me More Tempo als erste Frau den Carnival Road March gewann. 1978 veröffentlichte der Calypsonian Lord Kitchener mit Sugar Bum Bum einen Soca-Hit, der den Erfolg aller seiner vorherigen Titel in den Schatte stellte.[4]
Im 21. Jahrhundert kristallierten sich verwandte Genres heraus, die Soca mit anderen Einflüssen mischen, zum Beispiel Chutney Soca (Fusion aus Soca und Chutney), Rapso (Fusion aus Calypso oder Soca mit rhythmischem Sprechgesang), Ragga Soca (Fusion aus Soca und jamaikanischem Reggae/Dancehall) oder Parang Soca (Fusion aus Soca und Parang).
Verbreitung
Von Trinidad aus verbreitete sich Soca zunächst in der englischsprachigen südlichen Karibik, speziell in Anguilla, Antigua und Barbuda, Barbados, den British Virgin Islands, Dominica, Grenada und St. Vincent und den Grenadinen.[6] Die große trinidadische Diaspora im Vereinigten Königreich, Kanada und den Vereinigten Staaten machte Soca auch dort regional populär, zum Beispiel beim Notting Hill Carnival. Aus den französischen Besitzungen in der südlichen Karibik wie Guadeloupe und Martinique kommend erfährt Soca auch in Frankreich eine steigende Beachtung.
Deutschsprachiger Raum
Reine Soca-DJs und Soca-Soundsystems sind im deutschsprachigen Raum nach wie vor eine Seltenheit. Barney Millah gilt als erster DJ, der Ende der 1990er Jahre erste Soca-Sets in sein sonst eher Reggae-betontes Programm einbaute. International erreichten vor allem die Soca Twins große Anerkennung. So gewannen sie 2011 den International Soca Award in der Kategorie „International Soca DJ of the Year“,[7] für den sie bereits von 2006 bis 2010 nominiert waren. 2008 gewannen sie den Award in der Kategorie „Best Soca DJ Mix“.
Wettbewerbe
Wie auch Calypso ist Soca eng an die karibische Karneval-Kultur gebunden. Neue Musik wird hauptsächlich saisonal veröffentlicht, zeitnah zum jeweiligen Landes-Karneval (beispielsweise Februar in Trinidad und Tobago oder im Juli oder August zum Cropover-Festival auf Barbados). Einheimische Musik hat in der südlichen Musik oft kompetitiven Charakter. In Trinidad haben sich beispielsweise die landesweit die Wettbewerbe Carnival Road March und International Soca Monarch etabliert, von denen ersterer mittlerweile auch in anderen Karibikstaaten und -gebieten gefeiert wird und letzterer internationale Künstler nach Trinidad einlädt.
Weblinks
- Soca News – britisches Soca-Magazin
Anmerkungen
- ↑ Es ist unklar, worauf sich Shorty hier bezieht. Zunächst gibt es kein „indisches Alphabet“; mit Hinblick auf die Regionen des Einflussbereichs der Britischen Ostindien-Kompanie, in denen Mitte des 19. Jahrhunderts Kontraktarbeiter für trinidadische Plantagen angeworben wurden, ist möglicherweise Devanagari gemeint. Nach der IAS-Transliteration ist „kah“ in der Devanagari der zweite Konsonant. Die Transliteration der modifizierenden Form des ersten Vokals „a“ wäre „ka“.
Einzelnachweise
- ↑ Michael Anthony: Historical Dictionary of Trinidad and Tobago. Scarecrow Press, London 1997, ISBN 0-8108-3173-2, S. 532.
- ↑ a b Lise Winer: Dictionary of the English/Creole of Trinidad & Tobago. McGill-Queen's University Press, Montreal 2009, ISBN 978-0-7735-3406-3, S. 833.
- ↑ Jocelyne Guilbault: Governing Sound: The Cultural Politics of Trinidad's Carnival Musics. University of Chicago Press, Chicago 2007, ISBN 978-0-226-31060-2, S. 172.
- ↑ a b c Jocelyne Guilbault: Governing Sound: The Cultural Politics of Trinidad's Carnival Musics. University of Chicago Press, Chicago 2007, ISBN 978-0-226-31060-2, S. 174.
- ↑ Jocelyne Guilbault: Governing Sound: The Cultural Politics of Trinidad's Carnival Musics. University of Chicago Press, Chicago 2007, ISBN 978-0-226-31060-2, S. 173.
- ↑ SocaRecords.com: Soca Lovers: Top Countries. Abgerufen am 1. September 2025.
- ↑ Winners of the International Soca Awards 2011. Trinidad and Tobago Government News. Abgerufen am 19. Dezember 2011.